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Infektiologe im Interview
«40 Grad Fieber sind bei Kindern kein Grund zur Sorge»

Little boy ill at home with a virus or infectious disease
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Ob im Zug, am Skilift, im Büro oder im Restaurant: Wer sich derzeit unter Menschen begibt, stellt fest, dass wieder vermehrt gehustet, geniest und geschnäuzt wird. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die saisonale Grippewelle bereits Mitte Dezember begonnen. Seltener nachgewiesen werden auch andere Erreger wie Rhinoviren, die hauptverantwortlich sind für Erkältungen und Schnupfen, oder das Coronavirus (Covid).

Bei all diesen Erkrankungen kommt es in den meisten Fällen auch zu Fieber – ein Symptom, das immer noch mit vielen Mythen und Missverständnissen verbunden ist. Grund genug, bei Christoph Fux um Aufklärung zu bitten: Der 56-Jährige ist Chefarzt Infektiologie und Infektionsprävention am Kantonsspital Aarau.

Herr Fux, Fieber ist ein Krankheitssymptom. Welches sind denn die häufigsten Krankheiten, die zu Fieber führen?

Vor allem Infektionskrankheiten, die von Viren übertragen werden – wie eben Erkältungen, Grippe oder Covid-19. Seltener sind bakterielle Infektionen, die allenfalls Antibiotika nötig machen. Speziell zu erwähnen sind hier die Mykoplasmen, die wir dieses Jahr gehäuft sehen. Das Tragen von Masken während der Covid-Pandemie hat diese Infektion für drei Jahre fast zum Verschwinden gebracht. Dadurch nahm die Immunität besonders bei Kindern so stark ab, dass sich Mykoplasmen, aber auch Streptokokken heuer viel einfacher verbreiten konnten.

Warum reagiert der Körper dann mit einem Temperaturanstieg?

Mit der Erhöhung der Betriebstemperatur beschleunigt und steigert der Körper seine Abwehrprozesse. Zudem schadet eine höhere Temperatur vielen Bakterien und Viren. Aktivierte Entzündungszellen produzieren dafür Botenstoffe, sogenannte Pyrogene. Aber auch Bestandteile von Bakterien wirken als Pyrogene. Diese melden dem Gehirn – das man sich als Thermostat vorstellen kann –, dass es die Temperatur hochschrauben soll. Die Differenz zwischen Ist- und Soll-Temperatur empfinden wir als Kälte. Nun schüttet das Gehirn einen weiteren Botenstoff aus, der ein Muskelzittern auslöst, das wir als Frösteln oder veritablen Schüttelfrost kennen. Dieses Muskelzittern ist die effizienteste Heizung von uns Menschen und kann ein Fieber innert Minuten auf über 40 Grad Celsius katapultieren. Eine erhöhte Temperatur ist also ein Zeichen dafür, dass der Körper funktioniert und seine Abwehrkräfte zu aktivieren vermag.

Dann ist Fieber eigentlich etwas Nützliches?

Grundsätzlich ja …

… aber?

Es ist die Reaktion eines gesunden, jungen Körpers. Der Nachteil dieser natürlichen Abwehr, die übrigens auch im Tierreich weit verbreitet ist: Sie belastet den Körper stark, vor allem Herz und Lunge. So steigen in dieser Heizphase Atem- und Herzfrequenz deutlich an. Für einen alten, vorerkrankten Menschen können deshalb schon 38 Grad ein bedrohliches Fieber bedeuten, das zum Beispiel das Risiko für einen Herzinfarkt erhöht. Bei Kindern dagegen muss man sich auch bei 40 Grad noch keine grossen Sorgen machen.

Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie und Infektionsprävention am Kantonsspital Aarau.

Kinder haben nicht nur rasch hohes, sie haben auch häufiger Fieber als Erwachsene. Warum ist das so?

Weil sie noch nicht so viele Infekte durchgemacht haben, sind viele Erreger neu: Das Immunsystem reagiert stärker auf die krank machenden Eindringlinge als bei Erwachsenen. Alte Menschen können hingegen manchmal kaum mehr Fieber entwickeln oder reagieren auf eine Infektion gar mit Untertemperatur. Nicht umsonst gibt es die Redensart «Old is cold», alt ist kalt. Hier muss man besonders aufmerksam sein, um eine Infektion nicht zu verpassen.

Wenn Fieber eine natürliche Körperreaktion ist, sollte man es wohl auch nicht mit Medikamenten unterdrücken, oder?

Das kann man nicht so pauschal sagen. Entscheidend für oder gegen eine Behandlung ist nicht die Höhe des Fiebers, sondern der Allgemeinzustand des Patienten. Bei älteren und vorerkrankten Menschen können fiebersenkende Medikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen sehr sinnvoll sein, da sie den Körper vor einer Überlastung schützen. Regelmässig eingenommen, lindern sie auch das unangenehme Auf und Ab der Temperatur, den Wechsel zwischen Schüttelfrost und Schweissausbrüchen, womit der Körper die Temperatur wieder auf Normalwerte zu senken versucht. Ein Tipp: Es empfiehlt sich, diese Fiebersenker in niedrigen Dosen, dafür in kürzeren Abständen zu nehmen.

Wie funktionieren denn diese Medikamente?

Sie hemmen die erwähnten, im Gehirn produzierten Botenstoffe, die dem Körper signalisieren: Rauf mit der Temperatur, Krankheitserreger im System! Mit der Einnahme von Fiebersenkern regulieren wir also eigentlich unseren Thermostaten wieder nach unten. Paracetamol lindert gleichzeitig Schmerzen, nicht steroidale Antirheumatika – wie zum Beispiel Ibuprofen – sind auch entzündungshemmend. Bei der Auswahl der Fiebersenker muss man aber immer auch die Nebenwirkungen im Auge behalten. So können Entzündungshemmer zu Magenschmerzen oder einer Verschlechterung der Nierenfunktion führen. Ein möglichst kurzer Einsatz solcher Mittel ist also geboten. Bei gesunden Erwachsenen und Kindern rate ich ohnehin zu einem nur zurückhaltenden Gebrauch von fiebersenkenden Medikamenten.

Es gibt ja auch natürliche Fiebersenker wie etwa Wadenwickel oder Essigsocken.

Die sind immer einen Versuch wert – auch weil sie bestimmt keine unerwünschten Nebenwirkungen haben.

Oft hört man, Fieber lasse sich auch «ausschwitzen». Sollte man sich also dick einwickeln?

Schwitzen ist die natürliche Strategie des Körpers, die Temperatur herunterzuregulieren: Das Verdunsten des Schweisses entzieht dem Körper Wärme, was – um beim Heizungsvergleich zu bleiben – dem Öffnen des Fensters in einem überheizten Zimmer entspricht.

Wer viel schwitzt, sollte auch viel trinken?

Genau, das ist bei Fieber ein ganz wichtiger Punkt. Allerdings sollte es nicht immer nur Tee sein, sondern ab und zu auch eine Bouillon, da wir mit dem Schweiss auch Salz verlieren. Im Blut von Fieberpatientinnen und -patienten stellen wir häufig einen Mangel an Kochsalz fest.

Wann sollte man bei Fieber zur Ärztin oder zum Arzt?

Wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die erhöhte Körpertemperatur einzelne Organe überlastet – was sich mit Schwindel, Atemnot oder deutlich reduziertem Allgemeinzustand auch in fieberfreien Intervallen zeigen kann. Zudem darf man gefährliche Infektionen nicht verpassen, die dringlich antibiotisch behandelt werden müssen: Hierzu gehören etwa die Hirnhautentzündung mit Nackensteife und apathischem Zustand oder eine Blutvergiftung, die sich zum Beispiel durch Kreislaufinstabilität und fleckige Hautveränderungen äussern kann.

Viele Fiebergeplagte erhoffen sich von der Medizin vor allem, dass sie möglichst bald wieder gesund werden.

Verständlich. Wer aber hofft, mit einer konsequenten Fieberbekämpfung auch die Krankheitsdauer zu verkürzen, wird enttäuscht sein: Studien zeigen, dass weder medikamentöse noch natürliche Fiebersenker einen Einfluss haben auf die Heilung der zugrunde liegenden Krankheit. Das gilt übrigens auch für die gefürchteten Fieberkrämpfe bei Kindern: Sie lassen sich mit Fiebersenkern nicht verhindern, da sie schon mit dem Ansteigen der Temperatur auftreten. Fieberkrämpfe sind ein Schreck für die Eltern, hören zum Glück aber sehr schnell von selbst wieder auf.

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