Der Fenaco-Konzern im WiderspruchFür den Pflanzenschutz – aber gegen die Agrar-Initiativen
Die Genossenschaft setzt Millionenbeträge ein, um bei alternativen Pflanzenschutzmitteln führend zu werden. Gleichzeitig kämpft sie mit 400’000 Franken gegen die zwei Volksbegehren.
Sie ist ein Riese der Schweizer Landwirtschaft und mischt im Abstimmungskampf um die zwei Agrarinitiativen gross mit: 400’000 Franken hat die Fenaco-Genossenschaft bisher in die «Allianz gegen die extremen Agrar-Initiativen» investiert. Weitere Gelder dürften fliessen. Man geht davon aus, dass im Endspurt auf den Abstimmungssonntag am 13. Juni hin zusätzliche Mittel nötig werden. Wie viele genau, stehe noch nicht fest, sagt Fenaco-Chef Martin Keller im Rahmen der Präsentation der Jahreszahlen.
Für Fenaco steht bei einem Ja zu der Pestizid- und der Trinkwasserinitiative einiges auf dem Spiel. Die Genossenschaft, die nicht grundlos der Bauernkonzern genannt wird, ist in jedem Bereich der Schweizer Landwirtschaft tätig und deckt die ganze Wertschöpfungskette ab: Sie verkauft den Bäuerinnen und Bauern Saatgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmittel, stattet sie mit Maschinen aus und liefert den Treibstoff gleich mit. Sie ist Abnehmerin der landwirtschaftlichen Produkte, welche sie in ihren Unternehmen nicht nur verarbeitet, sondern auch über die Landi- und Volg-Läden an die Konsumenten verkauft.
Rekordhoher Gewinn
Über 80 Unternehmen gehören zu Fenaco, die wiederum 43’000 Mitgliedern gehört. Unter ihnen befinden sich 23’000 Bäuerinnen und Bauern, die sich in den 174 lokalen Landi-Genossenschaften organisieren. Unternehmen und Produkte, mit denen die Konsumentinnen und Konsumenten regelmässig in Kontakt kommen dürften, sind zum Beispiel der Ramseier-Apfelsaft, Elmer Citro, Pommes frites von McDonald’s oder die 400 Agrola-Tankstellen. Insgesamt setzte das Fenaco-Imperium im letzten Jahr fast sieben Milliarden Franken um. Das waren 0,3 Prozent weniger als 2019. Der Gewinn ist dank der starken Nachfrage im Detailhandel dagegen um 23 Prozent auf 135,5 Millionen Franken angestiegen.
Dürfen synthetische Pestizide in der Landwirtschaft nicht mehr eingesetzt werden, sind bei Fenaco gleich mehrere Geschäftsfelder betroffen. Martin Keller geht bei einem Pestizidverbot, wie es die Initianten fordern, gar von einem Rückgang der inländischen Produktion von 30 bis 40 Prozent aus. «Wir verlagern das Problem ins Ausland und gefährden Arbeitsplätze in der Schweiz», argumentiert er.
Dem widerspricht Andreas Bosshard, Geschäftsführer des Thinktanks Vision Landwirtschaft, der sich für Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft starkmacht und die Agrarinitiativen befürwortet. Gemäss ihren Analysen würden die inländischen Ertragsrückgänge bei einem Ja zur Pestizidinitiative kurzfristig bei deutlich unter 10 Prozent liegen. «Schon heute haben wir auf rund 80 Prozent des Schweizer Landwirtschaftslandes ohne Pestizide gleich hohe oder gar höhere Erträge. Und bis in acht oder zehn Jahren werden wir auch für kritische Kulturen wie Obst, Raps oder Zuckerrüben Lösungen auf dem Tisch haben, die ohne Pestizide sichere und hohe Erträge ermöglichen», sagt Bosshard.
Gelder für biologischen Landbau
Während Fenaco für ein Nein weibelt, hat der Konzern im letzten Jahr aber selbst 2 Millionen Franken in die Forschung für den alternativen Pflanzenschutz investiert: An der ETH Zürich finanziert die Genossenschaft eine Professur, die erforscht, wie Pflanzen resistenter werden und sich dem Klimawandel anpassen können.
Weiter fliesst Geld an Start-ups, zur Forschungsanstalt des Bundes Agroscope und an das Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Hier wird seit Jahren an einem Ersatzprodukt für kupferhaltige Pflanzenschutzmittel geforscht, die gegen den Befall von Pilzkrankheiten eingesetzt werden. «Kupfer ist ein Schwermetall, das sich im Boden ablagert, und das ist ein Problem», sagt Keller. Doch bis eine Lösung gefunden ist, dürfte es noch einige Jahre dauern. Es sei nicht einfach, chemische Pflanzenschutzmittel zu ersetzen, sagt er.
«Wir gehen davon aus, dass sich die Umsätze mit Bioprodukten in den kommenden zehn Jahren verdoppeln werden.»
Derweil boomen Bioprodukte: Im Jahr 2020 verzeichneten Lebensmittelhändler in diesem Bereich ein grosses Umsatzplus. Selbst die Discounter Lidl Schweiz und Aldi machten 47 Prozent respektive 55 Prozent mehr Umsatz mit Bioprodukten als im Vorjahr. Insgesamt beträgt der Marktanteil von Bioprodukten in der Schweiz laut Bio Suisse fast 11 Prozent (2019: 10,3 Prozent).
Dass Bio gefragt ist, spürt auch Fenaco. Zahlen gibt die Genossenschaft keine bekannt, doch Keller bestätigt, dass die «Entwicklung des Bioanteils über die letzten Jahre hinweg positiv war». Im vergangenen Jahr sei besonders die Nachfrage nach Bioeiern gestiegen. In den letzten fünf Jahren habe sich der Umsatz hier verdoppelt. Auch bei Früchten und Gemüse stieg der Bioanteil in den letzten drei Jahren um mehr als ein Drittel.
«Wir gehen davon aus, dass sich die Umsätze mit Bioprodukten in den kommenden zehn Jahren verdoppeln werden», sagt Keller. Das sei zwar eine optimistische Einschätzung, doch auch in den Volg-Läden werde das nachhaltige Label IP-Suisse stärker nachgefragt. «Der Konsument bestimmt das Tempo, und die Bauernfamilien ziehen dann mit», sagt der Fenaco-Chef.
Fenaco bremst Biobauern
Dabei scheint Fenaco das Thema Bio lange vernachlässigt zu haben. Und aktuell bremst der Konzern sogar ein Projekt von Biogemüseproduzenten im Seeland. Das wirkt wie ein Widerspruch. Die Produzenten haben sich mit Murten Tourismus unter dem Namen Biogemüse Seeland für ein Projekt zur regionalen Entwicklung (PRE) zusammengetan. Sie wollen die Produktion koordinieren, um neue Verkaufsplattformen und Angebote zu schaffen. Für das PRE-Projekt sind öffentliche À-fonds-perdu-Beiträge im Umfang von 16,9 Millionen Franken vorgesehen.
Auch zwei Gewerbeneubauten sollten so finanziert werden. Gegen diese Teilprojekte hat Fenaco Einsprache eingelegt. «Wir werten das Projekt als positiv», sagt Keller. Jedoch seien Teile davon aus Sicht von Fenaco nicht PRE-konform. «Wir stehen von Anfang an in einem konstruktiven Austausch mit den Behörden und den Projektbeteiligten», sagt der Fenaco-Chef, «und sind zuversichtlich, hier bald eine einvernehmliche Lösung zu finden.»
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