Versehentliche Sperre«20 Minuten» war als pornografische Seite gelistet
Die Website des Pendlermediums ist irrtümlich auf eine Sperrliste des Bundes geraten. Nun wird bekannt: Es handelte sich um eine Liste mit verbotener Pornografie.
Die Meldung liess aufhorchen: Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) teilte am Mittwochabend mit, «20 Minuten» sei teilweise online nicht erreichbar gewesen, weil die Website fälschlicherweise auf einer Sperrliste des Fedpol gelandet sei. Das Amt entschuldigte sich für den Fehler.
Kann der Bund – ob absichtlich oder versehentlich – einfach so Internetseiten sperren? Auch Seiten von Medien? «Das wäre neu und spektakulär», sagt Martin Steiger, Anwalt und Sprecher der Gesellschaft Digitale Schweiz. Es trifft aber nicht zu. Eine gesetzliche Grundlage für Netzsperren gibt es in der Schweiz nur für zwei Bereiche: verbotene Pornografie und verbotene Geldspiele.
Domains mit verbotenen pornografischen Inhalten meldet das Fedpol den sogenannten Access-Providern, den Internetzugangsanbietern. Diese sind für die technische Umsetzung zuständig, müssen also den Zugang verhindern.
Fedpol spricht von «Bedienfehler»
Die Domain von «20 Minuten» war nun fälschlicherweise auf einer schwarzen Liste mit Domains aufgeführt, die verbotene pornografische Inhalte verbreiten, wie das Fedpol auf Anfrage mitteilt. Der grösste Teil der Liste umfasse Websites mit kinderpornografischen Darstellungen. Hinzu kämen Seiten mit Tierpornografie.
Diese Liste wird täglich manuell aktualisiert und mit Domains ergänzt, die dem Fedpol von Interpol oder aus der Bevölkerung gemeldet werden. Dass «20 Minuten» auf die Liste geriet, erklärt das Fedpol mit einem «Bedienfehler». Die Mitarbeitenden würden nun sensibilisiert.
Immerhin war aber nicht allen Leserinnen und Leser von «20 Minuten» der Zugang verwehrt, weil manche Access-Provider die Anweisungen offenbar nicht sofort umsetzten.
Listen gegen Spyware und Phishing-Mails
Zunächst war vermutet worden, dass «20 Minuten» auf eine interne Sperrliste der Bundesverwaltung geraten sein könnte. In diesem Fall wäre die Seite lediglich für Mitarbeitende der Bundesverwaltung vorübergehend nicht zugänglich gewesen. Der Bund sperrt – wie es Unternehmen auch tun – bestimmte Domains für die Mitarbeitenden. Dabei handle es sich um Websites, die entweder ein Sicherheitsrisiko darstellten oder die Performance der Bundessysteme beeinträchtigen könnten, so das Fedpol. Als Beispiele nennt es Peer-to-Peer-Software, Pornografie oder Spyware sowie Websites, auf die Phishing-Mails verlinken.
Die Arbeitgeber seien frei, den Internetzugang für Mitarbeitende zu beschränken, sagt Martin Steiger dazu. Grössere Einschränkungen – etwa für Onlineshopping – zeugten aber von mangelndem Vertrauen. Auch handle es sich um eine Form der Überwachung: Versuche jemand, eine gesperrte Seite aufzurufen, sei das für den Arbeitgeber ersichtlich. Laut Steiger kommt es bei Filterlisten häufig zu Fehlern, weil die Listen automatisch aktualisiert werden, beispielsweise anhand von Stichwörtern.
Über Netzsperren wurde zuletzt im Zusammenhang mit dem russischen Staatssender RT diskutiert. Dessen Website ist in der Schweiz zugänglich. Anders als die EU hat sich der Bundesrat dagegen entschieden, die Verbreitung von RT zu verbieten – obwohl es sich aus Sicht des Bundesrats um ein Werkzeug der gezielten Propaganda und Desinformation handelt.
Umstritten waren auch die Netzsperren für ausländische Online-Geldspiele, die am Ende das Stimmvolk gutgeheissen hat. Die Sperren können allerdings durch technische Massnahmen umgangen werden. Auch aus diesem Grund stellt sich die Digitale Gesellschaft dagegen. Sie zweifelt nicht nur die Verhältnismässigkeit an, sondern auch den Nutzen.
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