Analyse zu den TV-SendeverbotenDroht ein Medienkrieg zwischen Russland und Deutschland?
Der russische Auslandssender RT Deutsch tue in Berlin nichts anderes als die Deutsche Welle in Russland, sagt der Kreml. Dabei gibt es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Der Streit weist einiges Eskalationspotenzial auf.
Russland hat am Donnerstag den deutschen Auslandssender Deutsche Welle in Moskau faktisch verboten. Der Kreml reagierte damit auf den Entscheid der unabhängigen deutschen Zulassungsbehörde vom Vortag, die dem russischen Auslandssender RT Deutsch die Ausstrahlung seines TV-Angebots verboten hatte. In Berlin wie in Moskau warf man sich danach gegenseitig einen «Anschlag auf die Pressefreiheit» vor.
Handelt es sich bei der russischen Antwort um eine symmetrische Rachemassnahme, Auge um Auge, Zahn um Zahn? Oberflächlich besehen, gibt es zwischen RT Deutsch und der Deutschen Welle natürlich Gemeinsamkeiten: Beide Medien sind Auslandssender, die vom russischen beziehungsweise deutschen Staat finanziert werden (die Deutsche Welle übrigens nicht durch Rundfunkgebühren, sondern direkt durch Steuergelder). Beide verbreiten eine jeweils eigene Sichtweise – und werfen der Gegenseite gern Einseitigkeit und «Propaganda» vor.
Staatspropaganda oder BBC World Service?
Hier enden die Gemeinsamkeiten aber auch schon. Wie ARD und ZDF (oder das Schweizer Fernsehen) ist die Deutsche Welle prinzipiell kein «Staatssender», sondern «staatsfern» organisiert: Abgesehen von der Finanzierung, hält sich der Staat heraus, insbesondere bei Programm und Inhalten. Als Vorbild der 1953 gegründeten Deutschen Welle gilt der World Service der BBC, der weltweit als unabhängige Informationsquelle anerkannt ist.
Russia Today, wie RT ursprünglich hiess, hingegen sorgt sich nicht um Wahrheit und Ausgewogenheit, sondern will ausdrücklich Sicht und Ziele des Kreml im Ausland befördern. RT-Chefin Margarita Simonjan nennt den russischen Präsidenten Wladimir Putin ihren «Vorgesetzten» und sieht ihren Sender als eine Art «Verteidigungsministerium». RT führe einen «Informationskrieg», sagte sie – und zwar «gegen die gesamte westliche Welt».
RT Deutsch, das seit 2014 auch in Berlin produziert, gilt im Westen deswegen mehrheitlich als «Putins Propagandaschleuder». Nach Ansicht der deutschen Geheimdienste dient das Medium zunehmend auch der gezielten Desinformation. In Deutschland treten vor allem Politiker von AfD, Pegida und Linkspartei sowie Corona-Leugner bei RT auf. Auch Schweizer wie SVP-Nationalrat Roger Köppel verbreiten dort gern ihre Weltsicht.
Staatliche Sender seien in Deutschland grundsätzlich verboten, sagte Aussenministerin Annalena Baerbock kürzlich in Moskau, «egal, ob der Staat Deutschland, USA oder Russland heisst». Anders als die Deutsche Welle, die in Russland gültige Lizenzen hält, hat sich RT Deutsch deswegen in Deutschland auch nie um eine Lizenz bemüht. Einem Umweg über eine serbische Lizenz schob die deutsche Aufsicht am Mittwoch einen Riegel.
Bedeutend ist auch der Unterschied, dass die russischen Massnahmen viel weiter gehen als die deutschen. RT Deutsch ist in Deutschland keineswegs verboten, sein Personal darf weiterhin ungehindert arbeiten und publizieren – nur eben kein lineares Fernsehen, sei es über Satellit, Website oder App.
Auch ARD und ZDF wird gedroht
Die Deutsche Welle hingegen wird aus Russland hinausgeworfen. Sie muss ihr Büro schliessen, ihr Personal verliert die Akkreditierungen, was bei Ausländern einer Ausweisung gleichkommt. Das russische Aussenministerium droht zudem damit, den Sender als «ausländischen Agenten» zu brandmarken.
RT-Chefin Simonjan regt bereits weitere Strafmassnahmen an: gegen Korrespondenten von ARD und ZDF etwa sowie gegen Zeitungen, die von Geldern des deutschen Staates profitierten. Inmitten der wachsenden russisch-deutschen Spannungen wegen des Ukraine-Konflikts weist der Streit um die Auslandssender jedenfalls einiges Eskalationspotenzial auf.
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