Baerbock in MoskauDie deutsche Regierung tut sich schwer mit Russland
Sozialdemokraten, Grüne und FDP sind sich nicht einig, wie hart Deutschland Russland im Streit um die Ukraine entgegentreten soll.
Am Tag nach ihrem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew hat die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock am Dienstag in Moskau mit ihrem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow gesprochen. Die Unterredung dauerte mehr als doppelt so lange wie vorgesehen. Baerbock und Lawrow äusserten sich danach trotz der anhaltenden Spannung eher freundlich – wenigstens an der Oberfläche.
Die Grüne sprach sich dafür aus, die Friedensverhandlungen im Ukraine-Konflikt schnell wieder aufzunehmen, und zwar in jenem Format, in dem Frankreich und Deutschland mit Russland und der Ukraine an einem Tisch sitzen. Diese Gespräche liegen seit längerem auf Eis. Stattdessen verhandelt Russland lieber mit den USA über «Sicherheitsgarantien», die verhindern sollen, dass sich Nachbarn wie die Ukraine seinem Einfluss entziehen. Lawrow sagte, Gespräche im Normandie-Format seien nur sinnvoll, wenn Deutschland und Frankreich die Ukraine zuvor dazu brächten, das Minsker Abkommen wieder einzuhalten. Zunächst warte man auf die Antworten der USA.
Worin besteht der «hohe Preis»?
Baerbock sicherte zu, dass Deutschland zu einem «ernsthaften Dialog» über gegenseitige Vereinbarungen bereit sei, «die allen in Europa mehr Sicherheit bringen». Russland rief sie dazu auf, auf Drohungen gegen die Ukraine zu verzichten. Die europäische Friedensordnung und die Menschenrechte seien für Deutschland eine «Existenzgrundlage». Man werde diese verteidigen, auch wenn dies möglicherweise einen hohen wirtschaftlichen Preis fordern sollte.
Am Tag zuvor hatten Baerbock in Kiew und der deutsche Kanzler Olaf Scholz in Madrid Russland «schwerwiegende Konsequenzen» angedroht, falls es die Ukraine angreifen sollte. Worin diese Folgen und worin der «hohe Preis» bestehen sollen, darüber gibt es in der deutschen Regierung freilich keine Einigkeit. Die traditionell russlandfreundlichen Sozialdemokraten halten etwa an der russischen Gaspipeline Nord Stream 2 weiterhin fest, Grüne und FDP wollen deren Inbetriebnahme lieber heute als morgen stoppen.
Der Sozialdemokrat Scholz behauptete im Dezember sogar, Nord Stream 2 sei ein «rein privatwirtschaftliches Vorhaben» – eine Formulierung, die nach 2018 nicht einmal mehr seine christdemokratische Vorgängerin Angela Merkel verwendet hatte. Es war deswegen klug von Baerbock, dass sie in Moskau ausgerechnet Merkels letzte Sprachregelung übernahm, um ihre abweichende Meinung kundzutun: Sollten die Gaslieferungen nach Westen von Russland als «Waffe» benutzt werden, so Baerbock, hätte das natürlich entsprechende Folgen.
Der frühere Aussenminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach am Dienstag dann als Erster aus, was auch bei den Sozialdemokraten im Stillen längst alle wissen: Greift Russland die Ukraine an, ist Nord Stream 2 nicht mehr zu retten.
Alle reden durcheinander
Unterschiedliche Auffassungen gibt es aber auch über den möglichen Ausschluss von Russland aus dem weltweiten Zahlungssystem Swift und die Frage, ob die Ukraine angesichts der akuten Kriegsgefahr auch Waffen aus Deutschland erhalten sollte, um sich zu verteidigen. Offiziell sprechen sich sowohl Baerbock wie Scholz gegen Waffenlieferungen aus, allerdings hat der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck nach einem Besuch in der Ukraine im Wahlkampf selbst noch solche gefordert. Auch Friedrich Merz, der designierte Chef der oppositionellen Christdemokraten, sagte kürzlich, Deutschland müsse die Frage neu diskutieren. Anders als manche Grüne lehnt Merz dafür den Ausschluss Russlands aus dem Swift-System als «zu gefährlich» ab. Klarheit, welche Folgen Russland bei einer weiteren Eskalation der Lage aus Deutschland drohen, entsteht so nicht.
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