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Süchtig nach Glücksspiel
Immer mehr Männer zocken am Computer um Geld

Das Suchtmittel ist das eigene Adrenalin, das der Körper produziert, während man auf das Resultat seines Wetteinsatzes wartet: Kundin eines Onlinecasinos vor einem Laptop.
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Seit vier Jahren sind Online­casinos in der Schweiz legal. Dadurch wurde der Markt für einheimische Casinos erweitert und gleichzeitig ausländische Konkurrenten via Netzsperren verdrängt. In diesem Zeitraum hat aber auch die Zahl der suchtgefährdeten und süchtigen Spielenden deutlich zugenommen. Das zeigt eine neue Studie der Organisation Sucht Schweiz, die sie am Donnerstag vorstellte.

Demnach verdoppelte sich die Zahl der sogenannten problematischen Spielerinnen und Spieler zwischen 2018 und 2021 von 2,3 auf 5,2 Prozent, zwischendurch lag die Zahl noch höher. Zu über 70 Prozent handelt es sich um Männer.

Problematisch seien jene Spieler, sagt Suchtberater Beat Wyss bei der Präsentation der Studie, die eine bis drei der sechs klassischen Suchtsymptome erfüllten: Dazu gehören starkes Verlangen nach dem Suchtmittel, Entwickeln einer Toleranz oder der Rückzug aus dem Sozialleben. Die grössten Summen für Onlinespiele werden laut Fachleuten von einer kleinen Gruppe von suchtgefährdeten Spielern ausgegeben, die zwischen 18 und 39 Jahre alt sind. Aber auch die 50- bis 59-Jährigen spielen mehr als früher, seit sie das legal am Bildschirm tun können.

Viele spielen am Handy

Wie Einzelbefragungen von über 20 Spielern und einigen Spielerinnen ergaben, haben mehrere Faktoren ihr Verhalten begünstigt. Neben der Corona-Krise, die das Daheimbleiben geradezu erzwang oder zumindest rechtfertigte, waren das die neuen, schnelleren Computer und Handys, die auf den Markt kamen; die ständige Verfügbarkeit des Angebots und seine gesetzliche Legalisierung; und die Werbung der Casinos selber.

Das Gute am neuen Geldspielgesetz sei, sagt Renanto Poespodihardjo, Suchttherapeut an der psychiatrischen Universitätsklinik in Basel, dass es das Spielen legalisiere und zwielichtige ausländische Anbieter sperre. «Und dass die Schweiz im Gesetz auch Massnahmen zur Prävention eingebracht hat.» Dazu passt, dass die Kantone nun gemeinsam eine nationale Präventionskampagne lancieren. Allerdings zahlt der Bund nichts daran, und die Kampagne dauert nur sechs Wochen.

Vier Sprachen, eine Botschaft: Geldspielkampagne der Organisation Sucht Schweiz.

Renanto Poespodihardjo beunruhigt, dass die Zahl der süchtigen Spieler dermassen zugenommen hat. Zudem würden jene Spieler vom Gesetz nicht erfasst, die nicht nur auf einer Website, sondern gleichzeitig in mehreren Onlinecasinos spielen würden.

Wie Alkohol, Kokain oder Heroin

Genau gegenüber seinem Arbeitsplatz, der psychiatrischen Universitätsklinik am Stadtrand von Basel, steht das Grand Casino der Stadt. Es bietet auch Onlineglücksspiel an. Dort spielen die Männer und Frauen in der Hoffnung, mehr Geld zu gewinnen als zu verlieren. Und in der Klinik gegenüber lassen sich jene behandeln, die realisieren mussten, dass das Spielen sie süchtig gemacht hat.

Das Suchtmittel ist übrigens das eigene Adrenalin, das der Körper produziert, während der Spieler auf das Resultat seines Wetteinsatzes wartet. Der Süchtige kann nicht mit dem Spielen aufhören, weil schon kleine Gewinne ein Glücksgefühl auslösen, also die Fantasie, einer Befreiung und Lösung nahezukommen, etwa seine Verluste wieder wettzumachen. Und selbst wenn er nicht gewinnt, weil die Maschine vier Sternchen zeigt statt fünf – und das tut sie jedes dritte Mal –, wird der Verlust als Gewinn verbucht. Das Erlebnis kann genauso süchtig machen wie Alkohol, Kokain oder Heroin.

Steigende Zahl gesperrter Spieler

Und was sagt man bei den Casinobetreibern zu den Ergebnissen der Studie? Marc Friedrich, Geschäftsführer des Verbands Casino Schweiz, bestreitet nicht, dass Onlinespiele mit ihrer dauernden Verfügbarkeit das Spielen zugänglicher machen – und damit für Süchtige und ihre Familien eine Gefahr darstellen. «Der Vorteil beim Onlinespielen ist aber: In Schweizer Onlinecasinos wird jeder Franken überwacht, der von den Spielern ausgegeben wird.» Beim Verdacht, ein Spieler könne sich das Spiel finanziell nicht leisten, wird er sofort gesperrt.

Marc Friedrich ist von der Wirksamkeit des neuen Gesetzes überzeugt: Die Massnahmen der Schweizer Onlinecasinos griffen, sagt er. Das zeige sich schon daran, dass seit deren Einführung die Anzahl der gesperrten Spieler pro Jahr von 3000 auf 10’000 gestiegen sei. Ein grosser Teil davon erfolge auf eigenen Antrag.