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Fall Pierin Vincenz
Kantonsrat wirft der Regierung Geheimniskrämerei vor

Pierin Vincenz - Beat Stocker Prozess und Urteil.

13.04.2022
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Der Betrugsprozess gegen Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz sorgt nun auch in der Zürcher Politik für Aufregung. SP-Justizdirektorin Jacqueline Fehr und mit ihr der Gesamtregierungsrat mussten am Montagmorgen im Kantonsrat aus allen Parteien massive Kritik einstecken.

EVP-Kantonsrat Donato Scognamiglio und weitere 60 Mitglieder des Kantonsparlaments hatten vor den Sommerferien wissen wollen, ob die Staatsanwaltschaften bei der Erstellung ihrer Anklageschriften externe Juristen beizieht und wenn ja wie oft und zu welchen Kosten.

Anlass zu dieser Interpellation war der Fall von Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz. In der NZZ wurde im Februar darüber berichtet, dass der fallführende Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel den Entwurf der Anklageschrift dem emeritierten Strafrechtsprofessor Andreas Donatsch vorgelegt haben soll, der seinerzeit sein Doktorvater gewesen ist. Ausserkantonale Fachpersonen hatten im NZZ-Bericht angegeben, dass der Staatsanwalt damit womöglich das Amtsgeheimnis verletzt hat.

Wortkarge Regierungsrätin

Jacqueline Fehrs Antwort auf die Interpellation fiel am Montagmorgen kurz aus. Auch wenn die Fragen Scognamiglios allgemein gehalten seien, sei der Bezug zum Fall Vincenz offensichtlich. Und zu einem laufenden Verfahren mache die Regierung öffentlich keine Angaben.

Einzig die Aufsichtskommission des Kantonsrats, die Justizkommission, sei unter dem Kommissionsgeheimnis über die Sache im Bilde. Öffentlich werde informiert, wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliege. Zudem verwies sie auf die Gewaltenteilung zwischen Regierung und Justiz.

Scognamiglio sprach von «unsäglicher Kabinettskultur» und dem «worst case» in der Informationspolitik des Regierungsrats. Sie sei respektlos gegenüber dem Kantonsrat. Er habe legitime Fragen gestellt, unter anderem nach den Kosten. Zudem sei es unbegreiflich, wenn ein Staatsanwalt externe Juristen um Rat fragen müsse. Es sei zu erwarten, dass bei der für Wirtschaftsfälle spezialisierten Abteilung der Zürcher Staatsanwaltschaft die besten Fachleute arbeiteten.

«Hat der Regierungsrat kein Interesse, zu wissen, was in dieser Staatsanwaltschaft passiert?» Er sei konsterniert und frustriert, sagte der EVP-Kantonsrat. Sein Fraktionschef Markus Schaaf sprach von Arbeitsverweigerung.

Jetzt droht eine Retourkutsche

Aus allen anderen Fraktionen gab es ebenfalls Kritik am Regierungsrat. Am meisten Verständnis äusserte noch Davide Loss (SP), aber auch für ihn wären «gewisse Informationen» zur Arbeitsweise der Staatsanwaltschaften möglich gewesen. Er erwarte umfassende Antworten nach Beendigung des Falls.

Der Freisinnige Mario Senn sprach von «Geheimniskrämerei» und einer «absolut unbefriedigenden Antwort». Andrea Gisler (GLP) forderte den Regierungsrat auf, die Missstände in der Staatsanwaltschaft zu beenden und das Vertrauen in die Justiz wiederherzustellen.

Thomas Anwander (Mitte) sprach von «grundloser Verweigerung», Lisa Letnansky (AL) ärgerte sich darüber, dass die Staatsanwaltschaften immer mehr Ressourcen forderten und dann die Auskunft darüber verweigerten, was sie mit den Mitteln machten. SVP-Sprecher Lorenz Habicher forderte den Rat deshalb auf, im November das Budget der Staatsanwaltschaften «nicht einfach durchzuwinken».

Fall wird neu aufgerollt

Im Prozess gegen Pierin Vincenz musste Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel im Februar 2024 vor Obergericht eine Niederlage einfahren: Das Gericht hob die Verurteilung der Angeklagten, die das Bezirksgericht 2022 gefällt hatte, «wegen Verfahrensfehlern» auf und sprach den Angeklagten Entschädigungen zu.

Ob der Prozess neu aufgerollt wird und Marc Jean-Richard-dit-Bressel eine neue Anklageschrift verfassen muss, ist noch offen. Gegen den Entscheid des Obergerichts ist am Bundesgericht noch eine Beschwerde hängig.

In einer früher Version des Artikel hiess es, die Anklageschrift müsse neu verfasst werden. Richtig ist, dass dazu noch eine Beschwerde am Bundesgericht hängig ist.