Spektakulärer Fund in SchwedenBergbaukonzern entdeckt grösstes Vorkommen an seltener Erde in Europa
In Kiruna, im hohen Norden des Landes, wurden über eine Million Tonnen an Seltenerdoxiden gefunden. Sie werden unter anderem beim Bau von E-Autos und Windkrafträdern benötigt.
Den Fund gab die staatliche schwedische Firma LKAB bekannt. Deren Chef Jan Moström erklärte, dies sei «eine gute Nachricht» nicht nur für die Region und Schweden, sondern für Europa und das Klima. Das Vorkommen «Per Geijer» habe einen Umfang von über einer Million Tonnen, teilte LKAB mit. Es könne ein wichtiger Baustein für die Produktion wichtiger Rohstoffe sein, die «absolut entscheidend für die Umsetzung der grünen Transformation» seien, erklärte Moström. «Ohne Bergbau gibt es keine elektrischen Autos.» Den Firmenangaben zufolge könnte das Vorkommen einen grossen Teil des Bedarfs an Seltenen Erden in Europa decken.
10 bis 15 Jahre bis zur ersten Lieferung
Moström erklärte, es könne aber «mehrere Jahre» dauern, um das Vorkommen und die Bedingungen zu erkunden, es «profitabel und nachhaltig» abzubauen. Das hänge auch von den Genehmigungen ab, sagte er bei einer Pressekonferenz in der Bergbaustadt Kiruna. Erfahrungsgemäss dauere es «zehn bis 15 Jahre», bis tatsächlich der Markt beliefert werden könne. Noch in diesem Jahr strebe LKAB aber an, eine Abbaulizenz beantragen.
Das Unternehmen habe bereits mit den Vorbereitungen begonnen, eine mehrere Kilometer lange und etwa 700 Meter tiefe Trift in das Bergwerk von Kiruna zu treiben, um das Vorkommen «in den Einzelheiten» zu untersuchen. Noch sei unklar, wie gross es tatsächlich ist.
Wichtig für die Elektromobilität
Anwesend bei der Präsentation war auch die schwedische Energieministerin Ebba Busch. Sie sagte, der Bedarf an Seltenen Erden sei gross – die EU strebe schliesslich den Umbau zu einer fossilfreien Wirtschaft an. Schweden hat seit Beginn des Jahres die EU-Präsidentschaft inne; eine Delegation der Kommission aus Brüssel ist gerade zu Besuch im Land.
Die EU will bis 2035 Neuwagen mit Verbrennermotor verbieten. Ministerin Busch sagte am Donnerstag, «die Elektrifizierung, die Autarkie der EU und die Unabhängigkeit von Russland und China beginnt im Bergwerk».
China dominiert derzeit den Markt
Seltene Erden umfassen eine ganze Reihe von Elementen, die unter anderem für die Produktion von Smartphones und Elektroautos benötigt werden, etwa für Batterien, Katalysatoren und Magnete, aber auch für Leuchtmittel. Derzeit ist das grösste Vorkommen dieser Metalle in China zu finden.
Der Bedarf an den Metallen werde sich bis 2030 verfünffachen, zitierte LKAB Schätzungen der EU. Europa sei aktuell abhängig von Importen. China dominiere den Markt «vollkommen», das erhöhe die «Verletzlichkeit» der europäischen Industrie.
LKAB steht für Luossavaara-Kiirunavaara Aktiebolag. Das Unternehmen produziert nach eigenen Angaben 80 Prozent des in Europa benötigten Eisenerzes. Es investiert demnach viel Geld in einen nachhaltigen Bergbau. Zu den Produkten gehört auch Phospor, nötig zur Herstellung von Dünger.
Was sind Seltene Erden?
Insgesamt 17 Elemente zählen zu den Seltenen Erden. Sie heissen Neodym, Praseodym, Cerium oder Dysprosium. Die Eigenschaften der einzelnen Metalle unterscheiden sich, unter dem Sammelbegriff zusammengefasst werden die 17 Elemente, weil sie häufig zusammen vorkommen. Jedes einzelne dieser Metalle hat Eigenschaften, die es für die Industrie wertvoll machen. Teils sind sie unersetzlich.
Europium etwa wird für Fernsehbildschirme gebraucht, Cerium zum Polieren von Glas, Lanthan für Katalysatoren in Benzinmotoren. Aus Neodym und Dysprosium werden Magneten für Off-Shore-Windräder hergestellt. Seltene Erden finden sich auch in Drohnen, Festplatten, Elektromotoren, Teleskoplinsen, Raketen oder Jagdflugzeugen.
Sind sie wirklich selten?
Jein. Grundsätzlich kommen die meisten Seltenen Erden in der Erdkruste vergleichsweise häufig vor, auch in Deutschland gibt es im Norden Sachsens ein grosses Vorkommen. Vor der Bekanntgabe der Entdeckung des Vorkommens von geschätzt einer Millionen Tonnen in Schweden wurden die weltweiten Reserven auf 120 Millionen Tonnen geschätzt, mehr als ein Drittel davon in China.
Forscher gehen auch von weiteren, noch nicht bekannten Vorkommen aus. Die entscheidende Frage ist aber, ob sich der Abbau wirtschaftlich lohnt – denn der Aufwand und die Folgekosten für die Umwelt sind hoch.
Was macht die Produktion so schwierig?
Seltene Erden sind in der Regel in Verbindungen in Erzschichten enthalten. Problematisch ist die Gewinnung der Seltenen Erden in möglichst reiner Form aus dem abgebauten Erz. Dafür sind chemische Prozesse häufig unter Anwendung von Säuren nötig. Die Verfahren sind komplex und haben zahlreiche Nebeneffekte: Es entstehen radioaktive Isotope und giftige Abwässer; die Gegenden um die Produktionsgebiete gleichen häufig Mondlandschaften. Die Förderung von Seltenen Erden in Deutschland gilt Experten zufolge aus Umweltgründen als nicht möglich.
Chinas bisherige Sonderrolle
China ist mit Abstand Weltmarktführer bei Seltenen Erden. Das Land verfügt selbst über grosse Vorkommen, seine Führungsrolle sei aber vor allem «Ergebnis einer langfristigen Industriepolitik», sagt Jane Nakano, Forscherin am Internationalen Zentrum für Strategische Studien (CSIS) in Washington. Peking hat über die Jahre durch massive staatliche Investitionen ein grosses Netzwerk zur Veredelung von Rohmaterialien aufrechterhalten, weshalb heute viele Produzenten von Seltenen Erden diese nach China exportieren.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei zudem eine «verspätete Regulierung der Rohstoffindustrie», sagt Nakano. Peking habe sich seine Dominanz bei den Seltenen Erden zudem durch hohe Umweltkosten der eigenen Produktion erkauft.
Seltene Erden als Druckmittel
Peking setzte die Metalle erstmals in 2010 offen als Druckmittel ein: Wegen eines Territorialstreits setzte die Regierung die Ausfuhren nach Japan aus. 2019 drohte den USA ähnliches im Kontext der Handelsstreitigkeiten mit China. Für die US-Industrie sind Seltene Erden ein wunder Punkt. Die USA dominierten selbst jahrelang den Weltmarkt, mittlerweile sind sie aber auch hochgradig von Importen abhängig.
Japan hat mittlerweile seine Lieferketten diversifiziert und setzt unter anderem auf Seltene Erden aus Malaysia sowie Recycling. So will es auch die EU vor dem Hintergrund zahlreicher handelspolitischen und geopolitischer Differenzen mit Peking machen. Das abbaubare Vorkommen in Schweden kommt da sehr gelegen.
SDA/AFP/sep
Fehler gefunden?Jetzt melden.