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Kohäsionsmilliarde
Europa-Freunde machen der SVP eine Freude

Schwierige Zeiten im Verhältnis zwischen Europa und der Schweiz: EU-Flaggen beim Hauptquartier der Europäischen Kommission in Brüssel.
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Die Versöhnung wird mühsam, wie es scheint. Seit der Bundesrat im Sommer das institutionelle Rahmenabkommen verworfen hat, grollt die EU der Schweiz – und weigert sich, Gespräche über Schweizer Anliegen zu führen. Um die zürnende Union zu besänftigen, setzt Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) derzeit vor allem auf ein Mittel: Er will so rasch als möglich die sogenannte Kohäsionsmilliarde freigeben. Es handelt sich dabei um einen Gesamtbetrag von 1,3 Milliarden Franken, mit dem Projekte in ärmeren EU-Ländern, insbesondere in Osteuropa, unterstützt werden sollen.

Bislang schien es, als würde eine Mehrheit des Parlaments diese Strategie mittragen. Nur die SVP leistete Widerstand gegen die Zahlung. Nun aber droht ein Rückschlag für Cassis – und zwar ausgerechnet wegen der europafreundlichen Kräfte im Parlament: Auf Initiative des Genfer SP-Ständerats Carlo Sommaruga wollen sie eine neue Hürde einbauen, die die Zahlung der Milliarde unter Umständen empfindlich verzögern könnte.

Es droht eine Blockade

Konkret fordern Sommaruga und seine Getreuen, die Kohäsionsmilliarde mit dem europäischen Bildungsprogramm Erasmus zu verknüpfen. Dieses Förderprogramm der EU ist vor allem Studierenden ein Anliegen, da sie von Stipendien und erleichterten Auslandaufenthalten profitieren könnten. Der SP-Antrag sieht nun vor, dass die Kohäsionsmilliarde erst investiert wird, wenn der Bundesrat Geld für Erasmus bereitstellt, sprich: wenn er dem Parlament eine Finanzierungsbotschaft vorlegt.

Der Bundesrat freilich stellt sich auf den Standpunkt, dass die Erasmus-Kosten derzeit nicht seriös zu beziffern seien. Der Grund: Die EU verweigere bislang Gespräche über eine Erasmus-Teilnahme der Schweiz, folglich habe man keinen Preis aushandeln können. Kommt der SP-Antrag durch und bleibt der Bundesrat bei seiner Haltung, wäre die Kohäsionsmilliarde also blockiert.

Für die bundesrätliche Europapolitik wäre dies ein Desaster, erwartet die EU die Schweizer Zahlung doch mit Nachdruck. Dass sie nicht schon vor längerem erfolgt ist, hat mit einem Beschluss des Parlament vor zwei Jahren zu tun: Erst wenn die EU aufhöre, die Schweiz politisch zu diskriminieren, dürfe das Geld fliessen, entschieden National- und Ständerat damals. Diese Blockade möchten Cassis und der Bundesrat als Zeichen des guten Willens nun aufheben – Sommarugas Antrag droht ihnen in die Quere zu kommen.

Für SVP-Präsident Marco Chiesa beruht die Kohäsionsmilliarde auf einer «Logik der Unterwerfung».

Das freut die SVP, die nach wie vor jede Annäherung an Brüssel bekämpft. Ihre Vertreter unterstützten den SP-Antrag in den Aussenpolitischen Kommissionen (APK) der beiden Ratskammern – in der nationalrätlichen APK fand er dadurch prompt eine Mehrheit. In der APK des Ständerats ist es SVP-Präsident Marco Chiesa höchstpersönlich, der sich dafür einsetzt. Für ihn beruht die Kohäsionsmilliarde auf einer «Logik der Unterwerfung», wie er auf Anfrage erklärt. Er sei bereit, jeden Vorschlag zu unterstützen, der diese Unterwerfung verlangsame oder beende. Der Vorschlag von Sommaruga scheine «in diese Richtung zu gehen».

In der SP will man von einer antieuropäischen Aktion allerdings nichts wissen. «Dieser Antrag ist keine Hürde für den Kohäsionsbeitrag», sagt der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer, der den Vorschlag in die Nationalrats-APK einbrachte. Er weist darauf hin, dass das Parlament dem Bundesrat schon vor vier Jahren den Auftrag erteilte, eine Erasmus-Mitgliedschaft auszuhandeln. Wenn die Regierung wolle, könne sie die Finanzierungsbotschaft innerhalb dreier Monate erstellen, so Nussbaumer. «Es ist überhaupt kein Problem, die Summe auszurechnen, die es für eine Vollassoziierung braucht: Man kann dafür ganz einfach den Schlüssel benutzen, der auch bei Norwegen, Island und Liechtenstein zur Anwendung kam.» Der SP-Antrag sei kein Affront gegenüber der EU, sondern stärke im Gegenteil den Kohäsionsgedanken.

Die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür sieht das anders. «Ich teile das Anliegen, dass wir bei Erasmus wieder Anschluss finden. Doch wenn wir diesem Antrag der SP zustimmen, wird es eine zusätzliche Verzögerung beim Kohäsionsbeitrag geben.» Für Gmür geht es nicht an, «während des Spiels die Regeln zu ändern und plötzlich neue Bedingungen einzubauen». Es sei nicht überraschend, dass die SVP den Antrag unterstütze, «will sie doch alles torpedieren».

Ob der Antrag durchkommt, ist unklar: Im Nationalrat könnte er dank SP und SVP eine Mehrheit finden, im Ständerat sind die beiden Parteien dafür nicht stark genug. Als Erstes wird der Ständerat am 30. September das Geschäft beraten; in den Nationalrat kommt das Geschäft voraussichtlich erst im Winter.