Parität unterschrittenEuro kurzzeitig sogar weniger wert als Franken
Die Schweizer Währung wird mit dem Ukraine-Krieg immer stärker. Was bedeutet das für das Land und die Wirtschaft?
Für die Finanzmärkte zeichnet sich mit Blick auf die anhaltend prekäre Lage im Ukraine-Konflikt erneut ein verlustreicher Wochenauftakt ab. Dabei gewinnt auch der Schweizer Franken als «sicherer Hafen» an Stärke. Am späten Sonntagabend ist das Euro/Franken-Währungspaar erstmals seit Aufhebung des Mindestkurses im Jahr 2015 kurzzeitig unter Parität, also die Schwelle an der die beiden Währungen gleich viel wert sind, gefallen. Aktuell notiert der Euro bei 1,0012 Franken wieder knapp über der Paritätsmarke.
SNB-Direktoriumsmitglied Andréa Maechler erklärte im Interview mit der Zeitung «Schweiz am Wochenende», in Zeiten wie diesen suchten Investoren nach Sicherheit. So sei die SNB eher indirekt betroffen von den Veränderungen an den globalen Rohstoff- und Energiemärkten. Der Franken dürfte in diesem Umfeld weiter aufwerten, so Maechler.
Noch vor wenigen Tagen sagte Marc Brütsch, Chefökonom des Versicherungskonzerns Swiss Life, er rechne aktuell in seinem Hauptszenario damit, dass sich der Euro zum Dollar etwas abwertet, aber zum Franken eher stabil bleibt. «Aber die Situation kann sich schnell ändern und im Risikoszenario kann es durchaus zur Euro-Franken-Parität kommen», so Brütsch gegenüber dieser Redaktion. Nun ist es soweit.
Es ist nicht lange her, da läuteten bei den Export- und Tourismusunternehmen die Alarmglocken, wenn sich der Franken aufwertete und die Parität zum Euro auch nur annähernd in den Bereich des Möglichen rückte. Diesmal bleibt es ruhig. Niemand ruft nach Interventionen der Schweizerischen Nationalbank zur Schwächung des Frankens.
Am letzten Montag meldete Swissmem, der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, der Geschäftsgang habe sich «sehr erfreulich entwickelt». Zwar führe der Krieg in der Ukraine «zu neuen Unsicherheiten», aber die Nationalbank kam in der Medienmitteilung nicht einmal vor.
Marc Brütsch sagte letzte Woche, er glaube nicht, dass die Parität die Nationalbank auf den Plan rufen würde. «Ich denke nicht, dass sie plant, die Parität zu verhindern.» Im Unterschied zu 2015, als die Nationalbank die Kursuntergrenze von 1.20 Franken pro Euro aufhob und der Franken in der Folge aufwertete, sei der reale Franken heute nicht stark überbewertet.
Unterschiedliche Teuerung entschärft das Problem
Denn ob die Schweizer Produkte im Ausland zu teuer werden und die Exportwirtschaft deshalb nicht mehr konkurrenzfähig ist, entscheidet sich nicht am nominalen Wechselkurs, sondern am realen, um die Inflation korrigierten Kurs.
Der Franken ist historisch betrachtet die mit Abstand stärkste Währung der Welt. Er wurde für Bewohner der Euroländer seit dem Start der Einheitswährung im Jahr 1999 um 57 Prozent teurer, für US-Amerikaner um 54 Prozent. Aber da die Preise im Ausland viel stärker gestiegen sind als in der Schweiz, hat sich der Franken real weit weniger aufgewertet als nominal. Die deutlich höhere Inflation hat die Aufwertung des Frankens über die Jahre beinahe ausgeglichen.
Reisende und Einkaufstouristen profitieren
Die Parität lässt die Herzen von Schweizer Ferienreisenden und Einkaufstouristen höherschlagen. Denn für sie werden Dienstleistungen und Produkte im Ausland günstiger. Der Schweizer Wirtschaft jagt die Parität keine Angst mehr ein. «Die Schwelle von einem Euro pro Franken hat ökonomisch keine grosse Bedeutung, das ist reine Psychologie», sagt Marc Brütsch. Im Jahr 2000 kostete ein Dollar noch 1.80 Franken, zehn Jahre später war die Parität erreicht. Auch hier hat die höhere Inflation den Druck auf die Schweizer Wirtschaft abgedämpft.
«Die Schweizer Exportwirtschaft kann seit den 1970er-Jahren mit einer stetigen Aufwertung des Frankens um etwa 4 Prozent pro Jahr sehr gut leben», stellt Brütsch fest. Die Exporteure kaufen Rohstoffe und Vorprodukte im Euro- oder Dollarraum ein, sie steigern laufend ihre Produktivität und spezialisieren sich auf Produkte mit Innovationsvorsprung und Patentschutz, um die Wechselkursabhängigkeit zu reduzieren. Chemisch-pharmazeutische Produkte sind heute für mehr als die Hälfte aller Exporte verantwortlich.
Inflationsüberlegungen sind für die Nationalbank unter Leitung von Thomas Jordan auch in der aktuellen Krise entscheidend. Bisher scheint sie die Frankenaufwertung als geeignetes Mittel anzusehen, um die Schweiz vor dem Teuerungsschub aus den USA und Europa zu schützen. Die symbolische Grenze von einem Euro zu einem Franken wird früher oder später überschritten werden.
SDA/cpm/arm
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