Währungs-Parität Bald ist ein Franken gleich viel wert wie ein Euro
Der Ukraine-Krieg beschleunigt die Euro-Franken-Parität. Was das für die Konsumenten und die Wirtschaft bedeutet.
In der Ukraine-Krise suchen Anleger Zuflucht in sicheren Häfen. Der Franken wird stärker und stärker. Heute Mittag kostete ein Euro weniger als 1.02 Franken. Die berühmte Parität ist in Sichtweite: Bald kostet ein Euro nur noch ein Franken.
Bis vor wenigen Tagen rechneten die Fachleute mit einem stabilen oder gar leicht schwächeren Franken im laufenden Jahr. «In unserem Basisszenario erwarten wir mittelfristig eine leichte Abwertung des Frankens gegenüber dem Euro», meldete die UBS in ihrem jüngsten Konjunkturausblick vom Montag. Mitte Jahr erwartete sie den Eurokurs bei 1.06 Franken, Ende Jahr bei 1.08 Franken.
Marc Brütsch, Chefökonom des Versicherungskonzerns Swiss Life, rechnet aktuell in seinem Hauptszenario damit, dass sich der Euro zum Dollar etwas abwertet, aber zum Franken eher stabil bleibt. «Aber die Situation kann sich schnell ändern und im Risikoszenario kann es durchaus zur Euro-Franken-Parität kommen», sagt Brütsch.
Sogar die Exportindustrie ist nicht alarmiert
Es ist nicht lange her, da läuteten bei den Export- und Tourismusunternehmen die Alarmglocken, wenn sich der Franken aufwertete und die Parität zum Euro auch nur annähernd in den Bereich des Möglichen rückte. Diesmal bleibt es ruhig. Niemand ruft nach Interventionen der Schweizerischen Nationalbank zur Schwächung des Frankens.
Am Montag meldete Swissmem, der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, der Geschäftsgang habe sich «sehr erfreulich entwickelt». Zwar führe der Krieg in der Ukraine «zu neuen Unsicherheiten», aber die Nationalbank kam in der Medienmitteilung nicht einmal vor.
Marc Brütsch glaubt auch nicht, dass die Parität die Nationalbank auf den Plan rufen würde. «Ich denke nicht, dass sie plant, die Parität zu verhindern.» Im Unterschied zu 2015, als die Nationalbank die Kursuntergrenze von 1.20 Franken pro Euro aufhob und der Franken in der Folge aufwertete, sei der reale Franken heute nicht stark überbewertet.
Unterschiedliche Teuerung entschärft das Problem
Denn ob die Schweizer Produkte im Ausland zu teuer werden und die Exportwirtschaft deshalb nicht mehr konkurrenzfähig ist, entscheidet sich nicht am nominalen Wechselkurs, sondern am realen, um die Inflation korrigierten Kurs.
Der Franken ist historisch betrachtet die mit Abstand stärkste Währung der Welt. Er wurde für Bewohner der Euroländer seit dem Start der Einheitswährung im Jahr 1999 um 57 Prozent teurer, für US-Amerikaner um 54 Prozent. Aber da die Preise im Ausland viel stärker gestiegen sind als in der Schweiz, hat sich der Franken real weit weniger aufgewertet als nominal. Die deutlich höhere Inflation hat die Aufwertung des Frankens über die Jahre beinahe ausgeglichen.
Reisende und Einkaufstouristen profitieren
Die Parität lässt die Herzen von Schweizer Ferienreisenden und Einkaufstouristen höherschlagen. Denn für sie werden Dienstleistungen und Produkte im Ausland günstiger.
Der Schweizer Wirtschaft jagt die Parität keine Angst mehr ein. «Die Schwelle von einem Euro pro Franken hat ökonomisch keine grosse Bedeutung, das ist reine Psychologie», sagt Marc Brütsch. Im Jahr 2000 kostete ein Dollar noch 1.80 Franken, zehn Jahre später war die Parität erreicht. Auch hier hat die höhere Inflation den Druck auf die Schweizer Wirtschaft abgedämpft.
«Die Schweizer Exportwirtschaft kann seit den 1970er-Jahren mit einer stetigen Aufwertung des Frankens um etwa 4 Prozent pro Jahr sehr gut leben», stellt Brütsch fest. Die Exporteure kaufen Rohstoffe und Vorprodukte im Euro- oder Dollarraum ein, sie steigern laufend ihre Produktivität und spezialisieren sich auf Produkte mit Innovationsvorsprung und Patentschutz, um die Wechselkursabhängigkeit zu reduzieren. Chemisch-pharmazeutische Produkte sind heute für mehr als die Hälfte aller Exporte verantwortlich.
Inflationsüberlegungen sind für die Nationalbank unter Leitung von Thomas Jordan auch in der aktuellen Krise entscheidend. Bisher scheint sie die Frankenaufwertung als geeignetes Mittel anzusehen, um die Schweiz vor dem Teuerungsschub aus den USA und Europa zu schützen. Die symbolische Grenze von einem Euro zu einem Franken wird früher oder später überschritten werden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.