Neue EU-Verträge«Hochgradig gefährlich»: FDP-Politiker attackieren Einigung mit den Gewerkschaften
Freisinnige EU-Skeptiker finden, dass der Bundesrat und die Wirtschaftsverbände beim Lohnschutz «eingeknickt» seien. Zugleich könnte ein neuer Vorstoss die Kritiker besänftigen.

- Freisinnige kritisieren die vom Bundesrat beschlossenen Lohnschutzmassnahmen heftig.
- FDP-Nationalrat Wasserfallen bezeichnet die Massnahmen als Angriff auf den liberalen Arbeitsmarkt.
- Die FDP fordert eine Referendumsmöglichkeit nach sieben Jahren Laufzeit der neuen EU-Verträge.
Die Grünen jubeln bereits: «Weg frei für die Bilateralen», schreiben sie. Auch SP-Co-Chef Cédric Wermuth spricht von einem «wichtigen Grundstein» für eine Stabilisierung der bilateralen Beziehungen mit der EU. Doch nun crashen Freisinnige die Party nach der innenpolitischen Einigung beim Lohnschutz. FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sagt: «Ich bin klar gegen diese Massnahmen unter dem Deckmantel des Lohnschutzes. Das ist ein Angriff auf den liberalen Arbeitsmarkt.»
Der Bundesrat hat am Freitag nach Verhandlungen mit den Sozialpartnern 14 Massnahmen beschlossen, um die hiesigen Löhne bei einem allfälligen Inkrafttreten der neuen EU-Verträge zu schützen. Sie reichen von der Weiterentwicklung des Meldeverfahrens bis zur Tragepflicht eines Baustellenausweises. Gemäss Wasserfallen hat ein Teil der Massnahmen jedoch nichts mit den Verträgen zu tun. «Die Ausweitung des Kündigungsschutzes und die Aushöhlung der Gesamtarbeitsverträge sind ein absolutes No-go.»
«Zustimmung der Gewerkschaften wird sehr teuer erkauft»
Wasserfallen attestiert den Gewerkschaften, dass sie in den Verhandlungen das Maximum herausgeholt hätten. «Bundesrat, Economiesuisse und der Arbeitgeberverband sind eingeknickt. So kommt es heraus, wenn man auf Gedeih und Verderb die Linken im Boot haben muss.»
Ähnlich sieht es Matthias Müller, Vizepräsident der FDP Kanton Zürich und ehemaliger Chef der Jungfreisinnigen. Er findet die Einigung zwischen Arbeitgebern und -nehmern im Grundsatz zwar gut. Aber auch er sagt, dass etwa der Ausbau des Kündigungsschutzes «hochgradig gefährlich» sei. «Die Zustimmung der Gewerkschaften wird sehr teuer erkauft. Ich hätte erwartet, dass die Wirtschaft mehr herausholt und mehr Widerstand leistet.» Jetzt müsse das Parlament korrigieren.
Die Kritik ist bemerkenswert. Die FDP will die führende Wirtschaftspartei sein. Und trotzdem gehen Freisinnige nun auf die Wirtschaftsverbände los. Man kann sich nur vorstellen, wie heftig die Auseinandersetzung in der Partei wird, wenn die EU-Frage dereinst richtig zur Sprache kommt.
Parteichef Burkart gibt sich zurückhaltend
Wasserfallen und Müller gehören innerhalb der FDP zum Kreis derer, die skeptisch gegenüber den neuen EU-Verträgen sind. Die neuen Lohnschutzmassnahmen, die der Bundesrat am Freitag beschlossen hat, bestärken Wasserfallen in seiner Haltung. «Die neuen EU-Verträge haben für mich keinen Mehrwert», sagt er. «Wo ist der klare Nutzen, wenn allein die Gewerkschaften 14 Massnahmen gegen deren Nebeneffekte einfordern?»
Die FDP spielt, zusammen mit der Mitte, eine zentrale Rolle bei der Frage, ob die neuen EU-Verträge dereinst vom Volk angenommen werden oder nicht. Wie sich der Freisinn positioniert, entscheidet sich voraussichtlich gegen Ende Jahr an einer Delegiertenversammlung.
Parteichef Thierry Burkart will diesem Beschluss nicht vorgreifen. Er äussert sich derzeit nur zurückhaltend – auch bezüglich Lohnschutz. «Erst wenn die neuen Verträge vorliegen, werden wir diese beurteilen – inklusive aller innenpolitischen Massnahmen», sagt Burkart. «Viel dringender ist nun der Kampf gegen die SVP, die mit ihrer Kündigungsinitiative die gesamten Bilateralen zerschlagen will.»
«Souveränitätsgarantie» als Beruhigungspille?
Derweil hat die FDP im Parlament einen Vorstoss eingereicht, der die Kritiker – gerade auch in den eigenen Reihen – vielleicht besänftigen könnte. Die Partei verlangt, dass die neuen EU-Verträge nach sieben Jahren dem fakultativen Referendum unterstellt werden. Dies gab es bereits bei den ersten Bilateralen. «Wir müssen Vertrauen für das Vertragspaket schaffen», sagt FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. «Aus meiner Sicht ist das eine Beruhigungspille für alle, die jetzt noch skeptisch sind.»
Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats startet kommende Woche die Beratung der Motion, die in beiden Parlamentskammern eingereicht wurde. Auch Präsident Burkart hat den Vorstoss unterzeichnet. Er spricht von einer «Souveränitätsgarantie».
SP und Mitte zeigen sich gesprächsbereit. «Wenn es hilft, Vertrauen zu schaffen, verschliesse ich mich der Idee nicht», sagt SP-Nationalrat Eric Nussbaumer. Auch Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter ist «offen», den Vorschlag zu prüfen. «Die Notwendigkeit sehe ich heute aber eher weniger, da das Paket mit der Einigung der Sozialpartner an Vertrauen gewonnen hat.»
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