10-Millionen-Schweiz-InitiativeDie Freisinnigen wollen die SVP gleich wie die Juso behandeln
Die FDP bezeichnet die Zuwanderungsinitiative der SVP als «wirtschaftlichen Amok» und will sie mit dem Anti-Juso-Rezept bekämpfen. In der EU-Frage ist die Partei aber selber zerstritten.

- Die FDP bezeichnet die Volksinitiative der SVP als wirtschaftlichen Amoklauf.
- Parteipräsident Burkart warnt vor einem drohenden Arbeitskräftemangel bei Annahme der Initiative.
- Nationalrat Wasserfallen befürchtet zusätzliche illegale Migration ohne Schengen-Dublin-Abkommen.
- Die Freisinnigen planen eine breite Allianz gegen die Initiative ohne Gegenvorschlag.
Rechtspartei gegen Rechtspartei. Mit ungewöhnlich martialischen Worten bläst die FDP zum Kampf gegen die 10-Millionen-Schweiz-Initiative der SVP: «Ausgerechnet in diesen unsicheren Zeiten, wo uns Handelskriege drohen, will die SVP die Bilateralen zerstören», teilt die FDP am Donnerstag mit. Sie bezeichnet die 10-Millionen-Schweiz-Initiative der SVP gar als «wirtschaftlichen Amoklauf». Die Initiative verlangt eine Begrenzung der Bevölkerung auf 10 Millionen und wenn nötig die Kündigung der Personenfreizügigkeit.
Die FDP warnt vor «drastischen Folgen», welche die Initiative ihrer Meinung nach hätte. Zum einen schaffe sie grosse Unsicherheit in einer ohnehin unsicheren Zeit, wenn man den «bewährten bilateralen Weg» verlässt, sagte Parteipräsident Thierry Burkart. Vor allem aber würde das Volksbegehren laut Burkart nichts weniger als «den Wohlstand der Schweiz gefährden» – unter anderem weil es gemäss FDP in Zukunft zu einem eklatanten Arbeitskräftemangel führen könnte.
Eine weitere Befürchtung äusserte FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen: Weil bei einer Annahme des Volksbegehrens die Verträge von Schengen und Dublin gekündigt werden müssten, würden Tausende illegale Migranten zusätzlich in die Schweiz kommen, sagt Wasserfallen. Denn jeder Asylbewerber, der in einem EU-Land abgewiesen wurde, hätte dann das Recht, in der Schweiz erneut ein Gesuch zu stellen.
Das Anti-Juso-Rezept soll gegen SVP helfen
Letzte Woche hatte FDP-Nationalrat Simon Michel noch versucht, einen Gegenvorschlag zur Initiative aufzugleisen. Doch diesen Plan hat die Partei nun fallen gelassen. Denn am Wochenende machte die SP-Fraktionschefin Samira Marti in einem Artikel dieser Redaktion klar, dass sie einen solchen nie unterstützen würde. Und ohne Unterstützung der Linken hätte ein Gegenvorschlag kaum eine Chance.
Deshalb setzten die Freisinnigen nun auf eine andere Strategie. «Wir werden bei der Nachhaltigkeitsinitiative der SVP etwa so wie bei der Erbschaftssteuer-Initiative der Juso vorgehen», sagt FDP-Nationalrat Wasserfallen. Mit der Juso-Initiative machte eine geschlossene Allianz aus Mitte, FDP und SVP kurzen Prozess. In seltener Einigkeit verwarf das geeinte bürgerliche Lager nach kurzer Debatte einen Gegenvorschlag zur Erbschaftssteuerinitiative. Das Ziel: Die Juso-Initiative soll möglichst geräuschlos und schnell vors Volk kommen, abgelehnt werden und dann ein für alle Mal vom Tisch sein.
Genau das will die FDP jetzt auch mit der SVP-Initiative erreichen: «Wir wollen möglichst früh die Gegner der Initiative einen und mit voller Kraft und in aller Schärfe gegen diese Initiative ankämpfen», sagt Wasserfallen. «Denn die Initiative hätte verheerende und drakonische Folgen für die Schweiz.» Auch Simon Michel schliesst sich der Strategie an: «Ein Gegenvorschlag zur SVP-Initiative ist nur sinnvoll, wenn alle Parteien ausser der SVP mitmachen», sagt er. Das sei leider nicht möglich gewesen. Deshalb stehe auch er jetzt hinter dem Entschluss seiner Partei, die Initiative ohne Gegenvorschlag zu bekämpfen.
Grabenkämpfe beim Freisinn
Der Kampf gegen die SVP-Initiative öffnet aber innerhalb der FDP alte Gräben bezüglich des Verhältnisses zur EU. Für FDP-Nationalrat Michel ist klar: «Mit dem Kampf gegen die SVP-Initiative bekennt sich die FDP zu den bilateralen Verträgen mit der EU und damit grundsätzlich auch zum neuen Vertragspaket, das der Bundesrat aufgegleist hat.» Formell werde die Partei spätestens im Oktober dazu Stellung nehmen.
Ganz anders sieht das Wasserfallen. Der EU-Skeptiker sieht den Kampf gegen die SVP-Initiative explizit nicht als Bekenntnis zum vom Bundesrat aufgegleisten Deal mit der EU. «Das sind ganz unterschiedliche Dossiers», sagt der FDP-Nationalrat. Das prioritäre Ziel sei ein Nein zu dieser «brandgefährlichen Initiative».
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