Polizeiliche KriminalstatistikWarum die Zahl der Drogendelikte in der Schweiz stark abnimmt
Minus 30 Prozent in vier Jahren: Bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität ist ein Wandel im Gang. Das hat mit einem liberaleren Kurs beim Cannabis zu tun – aber nicht nur.

- Die Polizeikorps fokussieren sich vermehrt auf Drogenhandel statt Kleinkonsumenten.
- Personelle Engpässe bei den Polizeikorps führen zu weniger Kontrollen.
- Ein Bundesgerichtsurteil 2017 entkriminalisierte den Besitz kleiner Cannabis-Mengen.
Wer die Zahlen zur Drogenkriminalität der am Montag publizierten Kriminalstatistik 2024 anschaut, könnte stutzig werden. Die Anzahl Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz ging schweizweit stark zurück. Während im Jahr 2020 noch 68’600 Fälle registriert wurden, waren es letztes Jahr nur noch 48’208 – ein Rückgang von fast 30 Prozent. Besonders stechen Basel-Stadt mit einer Abnahme von 48,4 Prozent und St. Gallen mit 41,0 Prozent weniger Fällen hervor.
Hat die Schweizer Bevölkerung ihren Konsum von Betäubungsmitteln, dazu gehören beispielsweise Cannabis, Kokain oder LSD, in den letzten Jahren drastisch zurückgefahren? Eher nicht – so zeigen beispielsweise Abwasserdaten, dass der Konsum vieler Substanzen mehr oder weniger konstant geblieben ist. Vielmehr scheinen abnehmende Kontrollen in den Kantonen Grund für den starken Rückgang zu sein. Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle.
Polizei muss Prioritäten setzen
Christof Hartmann, SVP-Regierungsrat und Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartements aus dem Kanton St. Gallen sagt: «Schweizweit leidet die Polizei an Fachkräftemangel. Im Kanton St. Gallen sind bei der Regionalpolizei derzeit dreissig Stellen nicht besetzt.» In Situationen mit steigender Kriminalität müsse die Polizei gezwungenermassen Prioritäten setzen. Darum würden weniger Kontrollen durchgeführt.
Der Leiter der St. Galler Kriminalpolizei, Stefan Kühne, verweist zudem auf die Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes im Jahr 2017. Damals führte ein Urteil des Bundesgerichts dazu, dass der Besitz von weniger als zehn Gramm Cannabis nicht mehr strafbar ist. Kühne erklärt: «Bei den allermeisten Betäubungsmitteldelikten handelt es sich um sogenannte Kontrolldelikte. Das heisst: Es wird aktiv kontrolliert. Aufgrund der Neuinterpretation des Betäubungsmittelgesetzes ist dieser Fokus heute geringer.»
Fokus auf Handel von grossen Mengen
Auch in Zürich hat die Anzahl Fälle abgenommen – seit 2020 um 27,8 Prozent. Jann Leutenegger, Chef der Zürcher Kriminalpolizei, führt den Rückgang ebenfalls auf verringerte Kontrolle zurück. «Die Polizei fokussiert sich auf die Bekämpfung des schweren Handels der Betäubungsmittel», erklärte er am Montag an einer Pressekonferenz.
Markus Schaaf, Präsident des Verbands der Zürcher Kantonspolizei und EVP-Kantonsrat ergänzt:«Die Polizei muss schauen, wie sie mit begrenzten Ressourcen die stärkste Wirkung erzielen kann.» Es sei sinnvoll, sich auf den Schmuggel und den Handel von grossen Drogenmengen zu konzentrieren.
Neben den schwankenden personellen Ressourcen nennt die Mediensprecherin der Kantonspolizei Bern, Lisa Schneeberger, einen letzten Grund: Während der Pandemie waren weniger Personen im öffentlichen Raum unterwegs, was wiederum zu weniger Straftaten führte.
Der Kampf gegen den Drogenhandel und -schmuggel sei eine vorrangige Aufgabe der Schweizer Polizei, sagt Renato Pizolli, Kommunikationsverantwortlicher der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten. Aus den neuesten Entwicklungen geht hervor, dass die Polizei zur Erreichung dieses Ziels nicht mehr bei den einzelnen Konsumenten, sondern vielmehr bei den übergreifenden Netzwerken ansetzt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.