Massnahmen-Katalog des BundesratsParmelin präsentiert Paket gegen Lohndumping durch EU-Firmen
Mit 13 gezielten Massnahmen wollen Bundesrat und Sozialpartner die Schweizer Löhne schützen. Das neue EU-Vertragspaket machts nötig. Die Vorschläge in der Übersicht.

- Die Sozialpartner haben sich auf ein Paket von Massnahmen zum Lohnschutz geeinigt.
- Bundesrat Guy Parmelin gab am Mittwoch das Resultat bekannt.
- Der Bundesrat schlägt auch Massnahmen zu Gesamtarbeitsverträgen vor.
- Die Arbeitgeber sind zufrieden, die Gewerkschaften verlangen noch mehr Massnahmen.
Die Dachverbände der Sozialpartner und die Kantone haben sich auf inländische Massnahmen geeinigt, um das Lohnschutzniveau abzusichern. Nötig wurde dies wegen der neuen Verträge mit der EU. Zwar verständigten sich die EU und die Schweiz auf ein Konzept, das das Prinzip «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» absichern soll. Die EU gewährte der Schweiz auch gewisse Ausnahmen. Der Bundesrat kam jedoch zum Schluss, dass zusätzlich inländische Massnahmen nötig seien.
Während Monaten führten die Sozialpartner Gespräche. Nach über sechzig Gesprächsrunden hat Bundesrat Guy Parmelin am Mittwoch nun das Resultat bekannt gegeben: ein Paket von dreizehn Massnahmen. Dahinter stecke viel Arbeit, sagte Parmelin. Alle Massnahmen zusammen sicherten das aktuelle Lohnschutzniveau ab. Weitere seien noch in Arbeit.
Die Massnahmen seien gezielt auf jene Bereiche ausgerichtet, in denen Handlungsbedarf bestehe.
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Im Fokus stünden EU-Betriebe, die ihre Angestellten in die Schweiz schickten. Soweit die Massnahmen auch Schweizer Unternehmen beträfen, bauten sie auf bestehenden Regeln auf. Es würden keine neuen Belastungen für Schweizer Firmen geschaffen. «Der flexible Arbeitsmarkt wird nicht eingeschränkt», betonte Parmelin.
Das Resultat ist erst eine grundsätzliche Einigung, eine Art «common understanding». Der Bundesrat habe mit Zufriedenheit davon Kenntnis genommen, sagte Parmelin. Nun folgen die Details. Das Staatssekretariat für Wirtschaft will die Massnahmen bis Ende März detailliert ausgestalten und mit den Sozialpartnern und den Kantonen finalisieren.
Auf die Frage, ob der Bundesrat die Verträge mit der EU möglichst mehrheitsfähig machen wolle, antwortete Parmelin: «Der Bundesrat hat im Dezember mit Zufriedenheit vom Resultat der Verhandlungen Kenntnis genommen. Ich wiederhole das gern.»
Das Paket enthält vier Kategorien von Massnahmen. Auf die ersten drei haben sich die Beteiligten bereits geeinigt. Aus Sicht des Bundesrates ist darüber hinaus eine vierte Kategorie nötig.
Massnahmen, die Zugeständnisse an die EU direkt kompensieren sollen
Das Problem: Zum einen wird die Voranmeldefrist für Dienstleistungserbringer aus dem EU-Raum verkürzt, zum anderen darf nur noch dann eine Kaution verlangt werden, wenn beim letzten Einsatz in der Schweiz ein Verstoss festgestellt wurde.
Das Ziel: Meldungen von Dienstleistungserbringern aus der EU sollen schneller an die Kontrollorgane weitergeleitet werden – wodurch die Kontrollen zur Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen erleichtert würden.
Die Massnahmen:
Das Meldeverfahren wird weiterentwickelt und automatisiert.
EU-Unternehmen, die Dienstleistungen in der Schweiz erbringen wollen, werden verpflichtet, einen Ansprechpartner in der Schweiz zu benennen.
Für ausländische Entsendebetriebe gilt eine Dokumentationspflicht vor Ort.
Das zentrale Meldeverfahren wird an neue Anforderungen bei der Erhebung der Kaution angepasst.
Verletzt ein Unternehmen wiederholt die Kautionspflicht, werden Verwaltungssanktionen bis hin zu einer Dienstleistungssperre erlassen.
Bei öffentlichen Aufträgen gelten höhere Anforderungen: Unternehmen müssen mit GAV-Bescheinigungen nachweisen, dass sie die Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten.
Auf öffentlichen Baustellen muss eine «Baucard» getragen werden – mit Informationen zur Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen.
Für Sanktionen und Kontrollkosten der paritätischen Kommissionen haften die Erstunternehmen.
Massnahmen, die der Befürchtung entgegenwirken, dass die Dienstleistungssperre als Sanktionsmöglichkeit unter Druck geraten könnte
Das Problem: Die Dienstleistungssperre als Sanktion bei Verstössen ist ein wichtiges Instrument gegen Lohndumping. Es gibt jedoch Befürchtungen, sie könnte seitens der EU unter Druck geraten, weil sie nur für EU-Firmen zur Anwendung kommt.
Das Ziel: Die Dienstleistungssperre soll gesichert und der Vollzug des Entsendegesetzes erleichtert werden.
Die Massnahmen:
Die bisherige Regelung zur Dienstleistungssperre im Entsendegesetz wird beibehalten.
Die Schweiz nimmt am Binnenmarktinformationssystem der EU teil.
Massnahmen, die kompensieren sollen, dass aussenpolitisch bei der Spesenregelung keine Ausnahme erzielt werden konnte
Das Problem: EU-Unternehmen müssen ihren Angestellten bei Aufträgen in der Schweiz lediglich die Spesenansätze des Herkunftslandes bezahlen. Die Schweiz hat hier keine Ausnahme erhalten.
Das Ziel: Bei der innenpolitischen Umsetzung soll der Spielraum maximal genutzt werden. Was das genau heisst, ist noch unklar.
Die Massnahme:
Im Schweizer Recht werden Schweizer Spesen sichergestellt.
Massnahmenvorschläge des Bundesrates zu Gesamtarbeitsverträgen
Die Gespräche hätten deutlich gemacht, dass es auch bei den Gesamtarbeitsverträgen Massnahmen brauche, sagte Parmelin. Man sei sich einig, dass Handlungsbedarf bestehe. Was die Lösung betreffe, seien sich die Sozialpartner noch nicht ganz einig.
Das Problem: Allgemein verbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge (GAV) sind ein zentrales Instrument des Lohnschutzes. Wegen der heutigen Regeln können GAV, die in der Vergangenheit für allgemein verbindlich erklärt wurden, die Kriterien plötzlich nicht mehr erfüllen.
Das Ziel: Die sozialpartnerschaftlichen Strukturen beim Lohnschutz sollen gesichert werden.
Die Massnahmen:
GAV, die bereits allgemein verbindlich erklärt wurden, werden abgesichert.
Der Rechtsschutz wird verbessert für inländische Betriebe, die einem allgemein verbindlichen GAV unterstellt werden sollen.
So reagieren Arbeitgeber und Gewerkschaften
Der Arbeitgeberverband schreibt in einer Mitteilung, er begrüsse die Fortschritte «ausdrücklich» und stehe «den nächsten Schritten grundsätzlich positiv gegenüber». Die Arbeitgeber zeigen sich auch offen dafür, dass bestehende allgemein verbindliche Arbeitsverträge abgesichert werden, wie es der Bundesrat vorschlägt. Aber: «Nicht infrage» komme für sie, dass der Abschluss neuer allgemein verbindlicher Gesamtarbeitsverträge vereinfacht werde.
Dies wiederum ist eine wichtige Forderung der Gewerkschaften. Der Gewerkschaftsbund schreibt in einer Mitteilung, die Einigung sei ein «erster Schritt in die richtige Richtung». Allerdings seien «weitere Massnahmen unverzichtbar» – unter anderem soll die Temporärarbeit beschränkt werden. Entscheidend sei zudem die konkrete Ausgestaltung der Massnahmen. Bei Travail Suisse klingt es ähnlich: Man könne noch nicht von einem «Durchbruch» sprechen, denn es brauche zwingend «weitere konkrete innenpolitische Kompensationsmassnahmen». Allerdings sei die Entwicklung «positiv».
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