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Kampf gegen Klimawandel
EU verpasst Atom und Gas grünes Label

Energiequellen für den Übergang zur Klimaneutralität: EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness verteidigt das grüne Label für Atom und Gas.  
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Es ist ein Signal, das auch auf die Klimadebatte in der Schweiz ausstrahlen könnte. Brüssel verpasst Atomkraft und Gas das grüne Label. Die EU-Kommission hat am Dienstag die sogenannte Taxonomie verabschiedet, eine Klassifizierung für private Investoren auf der Suche nach nachhaltigen Projekten. Atom und Gas sollen im Kampf gegen den Klimawandel unter gewissen Bedingungen als Brückenlösung mit Gütesiegel gelten.

Die Einstufung sei nicht perfekt, bringe Europa aber dem Ziel der Klimaneutralität von 2050 näher, sagte EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness. Tatsächlich war selten ein Entscheid schon im Vorfeld so umstritten.

Im Hintergrund dürfte am Ende ein politischer Deal eine wichtige Rolle gespielt haben. Frankreich drängte zusammen mit Finnland und osteuropäischen Staaten auf das klimafreundliche Label für Atom. Auf der anderen Seite wollten insbesondere Deutschland und Polen die Einstufung von Gaskraftwerken als nachhaltige Übergangstechnologie.

Deal zwischen Paris und Berlin

Am Ende haben beide Seiten bekommen, was sie wollten. Heftige Kritik insbesondere aus Deutschland ist deshalb nicht ganz ehrlich. EU-Finanzkommissarin McGuinness betonte, dass der Energiemix nach wie vor nationale Angelegenheit bleibe. Jedes Land bestimmt in der EU selbst, auf welche Energiequellen es setzt. Die vorgenommene Klassifizierung sei ein Wegweiser für private Investoren, betonte die Irin.

Atom und Gas seien zumindest für eine gewisse Zeit als Ergänzung zu den erneuerbaren Energien nötig. McGuinness wehrte sich gegen den Vorwurf des «Greenwashing», dass also Atom und Gas ohne Grundlage ähnlich wie Sonnenenergie, Windkraft oder Biomasse ein umweltfreundliches Image verpasst werde: «Wir sagen Investoren nicht, was sie tun sollen.» Das Label gelte zudem klar nur für den Übergang.

So sollen Investitionen in neue Gaskraftwerke nur bis 2030 als nachhaltig gelten, wenn sie etwa schmutzigere Kohlekraftwerke ersetzen. Die Anlagen müssen zudem bis 2035 komplett mit klimafreundlicheren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden. Und neue Atomkraftwerke sollen bis 2045 als nachhaltig klassifiziert werden, wenn ein konkreter Plan für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ab spätestens 2050 vorliegt.

Auch der Umbau von alten Kraftwerken oder Investitionen in Sicherheit und Betriebsverlängerungen können als klimafreundlich gelten.

Österreich will klagen

EU-Parlament und -Mitgliedstaaten müssen der Klassifizierung noch zustimmen. Eine Blockademehrheit gilt jedoch als sehr unwahrscheinlich. Im Ministerrat, also der Länderkammer, müssten 20 Mitgliedstaaten ein Veto einlegen. In Deutschland, Österreich und Luxemburg ist der Protest gegen das grüne Label für Atomkraft besonders laut. Auch Italien und Spanien könnten dagegen stimmen. Österreich und Luxemburg überlegen sich eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, der aber wenig Chancen eingeräumt werden.

Das grüne Labeling dürfte die Diskussion bis in der Schweiz befeuern, wo die FDP-Spitze das Verbot für den Bau neuer Kernreaktoren aufheben möchte und auch immer mal wieder Gaskraftwerke als Alternative ein Thema sind.

In der EU lenkt der Streit um die Klassifizierung womöglich von den tatsächlichen Problemen ab. So ist fraglich, ob die EU nach den Erfahrungen in der akuten Krise um russische Gaslieferungen ihre Abhängigkeit von unsicheren Lieferanten noch vergrössern sollte. Das Uran kommt zum Beispiel aus dem zentralasiatischen Kasachstan, wo die Führung mit Hilfe aus Moskau zuletzt Proteste blutig niedergeschlagen hat. Und wegen eines grünen Labels werden private Investoren noch lange nicht ihr Geld in Atomkraftwerke stecken.

9-Milliarden-Projekt: Im finnischen Olkiluoto geht in diesen Tagen der Reaktorblock III (links) ans Netz. 

Aktuelle Erfahrungen sind da eher abschreckend. In Finnland geht das Atomkraftwerk Olkiluoto III in diesen Tagen ans Netz. Der Bau vom deutsch-französischen Konsortium aus Siemens und Areva sollte ursprünglich schon 2009 fertiggestellt sein. Der Reaktor hat am Ende mit neun Milliarden Euro dreimal mehr als prognostiziert gekostet, wobei das Konsortium hohe Entschädigungszahlungen leisten musste.

Macron will Minireaktoren

In Frankreich will Präsident Emmanuel Macron sichere Minireaktoren bauen, die wenig radioaktiven Abfall produzieren sollen. Dies sind aber Projekte, die bisher nur auf dem Papier bestehen. Frankreichs staatlicher Energiekonzern EDF hat derzeit grosse Mühe, den konkreten Druckwasserreaktor einer neuen Generation in Flamanville fertigzubekommen.

Der Reaktor in der Normandie hätte 2012 ans Netz gehen sollen und soll jetzt 2023 fertig werden. Statt der ursprünglich vorgesehenen 3,4 Milliarden dürfte das AKW am Ende 19 Milliarden Euro kosten.