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Beziehungen Schweiz - EU
Der Nebel über dem EU-Dossier lichtet sich – doch die Diskussionen beginnen erst

Maros Sefcovic, Executive Vice-President of the European Commission, left, and Swiss Federal Councillor Ignazio Cassis, right,shake hands during a working visit by Swiss Federal Councillor Ignazio Cassis to Maros Sefcovic, Vice-President of the European Commission, at the Lohn country residence of the Swiss government, on Wednesday, November 27, 2024, in Kehrsatz near Bern, Switzerland. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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In Kürze:
  • Die Schweiz und die EU stehen kurz vor dem Vertragsabschluss.
  • Ein zeremonieller Akt zwischen Amherd und von der Leyen ist geplant.
  • Innenpolitisch erarbeitet der Bund nun doch eigene Massnahmen – ohne Konsens zwischen den Sozialpartnern.
  • Offen ist, ob SVP-Bundesrat Guy Parmelin diese Massnahmen dem Bundesrat unterbreiten wird.

In zwei Wochen dürfte das Resultat vorliegen: Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über das neue Vertragspaket sind beinahe abgeschlossen.

Beide Seiten sind bereit. Am 17. Dezember wollen die EU-Mitgliedsstaaten über den Deal mit der Schweiz beraten. Involvierte gehen davon aus, dass sich der Bundesrat parallel dazu in den kommenden beiden Sitzungen – am 13. und 20. Dezember – über das Verhandlungsresultat beugt und am 20. Dezember seine Zustimmung bekannt gibt. Ein zeremonieller Akt mit Bundespräsidentin Viola Amherd und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen könnte am 21. Dezember stattfinden.

Alle Einzelheiten wird man dann noch nicht kennen: Die Verträge werden erst bei der Paraphierung veröffentlicht, wenn die Vertragstexte juristisch bereinigt und übersetzt sind. Geplant ist, dass die Chefunterhändler im März ihre Initialen unter den Vertragstext setzen, ein erster Schritt Richtung Ratifizierung. Im Frühjahr wird auch die Vernehmlassung beginnen, und anschliessend müssten der Bundesrat und EU-Kommissar Maros Sefcovic formell unterschreiben.

Die Beratungen in den Kommissionen und im Parlament dürften bis weit ins Jahr 2026 dauern. Ob eine Volksabstimmung noch vor den Wahlen von 2027 stattfindet, ist ungewiss. Involvierte rechnen eher nicht damit. Über das Stromabkommen dürfte ausserdem separat abgestimmt werden. Klar ist, dass die Botschaft ans Parlament dick wird: Die Rede ist von 1400 Seiten.

SVP wird das Vertragspaket mit der EU bekämpfen

Ebenfalls klar ist: Die SVP wird das Vertragspaket bekämpfen. Wie sich die Linke dazu stellt, hängt nicht nur vom exakten Inhalt ab, sondern auch von innenpolitischen Massnahmen, die den Lohnschutz gewährleisten sollen. Hinter verschlossenen Türen laufen seit Monaten Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern, also den Gewerkschaften und den Arbeitgebern.

Der Plan war, dass sie sich untereinander auf Massnahmen einigen würden. Wirtschaftsminister Guy Parmelin und das ihm unterstellte Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) stellten sich stets auf den Standpunkt, dass sie die Gespräche lediglich moderieren. Die Gewerkschaften warfen dem Bund vor, dass er keine eigenen Vorschläge zum Ausbau der flankierenden Massnahmen bringt. Diese waren vor 20 Jahren wesentlich für die Zustimmung der Linken zum Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU.

Doch nun greift das Seco doch noch aktiv ein: Es hat Kompromissvorschläge in Punkten erarbeitet, in denen sich die Sozialpartner nicht einigen konnten. Das bestätigen Arbeitgeber-Direktor Roland Müller und der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Daniel Lampart, gegenüber dieser Redaktion.

Um welche Punkte es genau geht, darüber schweigen beide Seiten. Die Sozialpartnergespräche seien vertraulich, heisst es. Man will auch verhindern, dass Informationen zu möglichen innenpolitischen Massnahmen in der letzten, heissen Phase der EU in die Karten spielen.

Gewerkschaften: Reicht nicht

Was aus den Seco-Vorschlägen wird, ist allerdings offen. So ist unklar, ob Parmelin die Vorschläge überhaupt dem Bundesrat vorlegen wird – und ob dieser sie gutheisst und dem Parlament unterbreitet. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass Parmelins Partei, die SVP, kein Interesse daran hat, dass das Verhandlungspaket mit der EU möglichst mehrheitsfähig ist. Ungewiss ist auch, ob das Parlament den Massnahmen zustimmen würde. Stehen die Arbeitgeber nicht dahinter, dürften die Chancen gering sein.

Alles spielt ineinander. Denn am Ende hängt es auch von den Details im Verhandlungspaket mit der EU ab, welche zusätzlichen Massnahmen zum Schutz vor Lohndumping nötig und sinnvoll sind. Wenn sich die Sozialpartner erst noch einig werden müssten, wenn das Vertragswerk vorliegt, könnte das aber weitere Monate bis Jahre dauern. Arbeitgeber-Direktor Müller zeigt deswegen Verständnis für das Vorgehen des Seco, in einigen Punkten Massnahmen vorzuschlagen, auf die sich die Sozialpartner nicht geeinigt haben – zumal diese nicht definitiv sind.

Daniel Lampart vom Gewerkschaftsbund ist ebenfalls mit dem Vorgehen einverstanden. Aus seiner Sicht führt das Vertragspaket mit der EU allerdings beim Lohnschutz zu Verschlechterungen, die durch innenpolitische Massnahmen nicht «heilbar» sind. «Das wird nicht reichen», sagt Lampart. Es bräuchte in den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU zwingend nochmals eine Präsidialrunde zwischen Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen.

Schweiz muss Aktivierung der Schutzklausel im Gemischten Ausschuss vorlegen

Neben dem Lohnschutz gehört die Zuwanderung zu den heiss umstrittenen Themen. Dass die EU hier Konzessionen in Betracht zieht, ist bereits bekannt. Die Schweiz möchte eine Schutzklausel, mit der sie ab einer bestimmten Schwelle Massnahmen ergreifen könnte, um die Zuwanderung zu begrenzen. Im Gegenzug wäre sie bereit, auf höhere Gebühren für ausländische Studierende zu verzichten. Umstritten war zuletzt offenbar noch, ob das auch Fachhochschulen betrifft.

Bei der Präzisierung der heutigen Formulierung im Personenfreizügigkeitsabkommen scheint man sich aber weitgehend einig zu sein. Klar ist, dass die Schweiz eine Aktivierung der Schutzklausel im Gemischten Ausschuss vorlegen müsste. Stimmt die EU zu, wäre der Fall einfach. Lehnt die EU ab, könnte die Schweiz die Frage dem Schiedsgericht unterbreiten. Dieses würde auch beurteilen, ob die Massnahmen der Schweiz verhältnismässig sind. Nicht ausgeschlossen, dass am Ende auch der Europäische Gerichtshof ein Wort mitreden will. Den Mechanismus für die Schutzklausel könnte die Schweiz im Massnahmenpaket regeln, das der Bundesrat zur SVP-Zuwanderungsinitiative vorsieht.

Die Verhandlungen mit der EU nähern sich dem Ende – die Diskussionen in der Schweiz beginnen erst. Sie werden das Land noch eine ganze Weile beschäftigen. In Kraft treten könnte das Vertragspaket – sofern es eine Mehrheit findet – im Jahr 2030. Manche befürchten, es könnte bis dahin veraltet sein.