Zweite Amtszeit als KommissionschefinUrsula von der Leyen verspricht viel, was sie nicht einhalten kann
Die deutliche Wahl von Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin täuscht. Die kühle Macherin wird mehr respektiert als geliebt. Und die Alternativen sahen düster aus.
Das Votum für Ursula von der Leyen ist deutlicher ausgefallen als erwartet. Am Ende bekam die Christdemokratin 40 Stimmen mehr als nötig. Doch die relativ breite Zustimmung täuscht. Die alte und neue Kommissionschefin wird als kühle Macherin respektiert, aber nicht geliebt. Für ihre Bewerbungsrede um eine zweite Amtszeit gab es nur verhaltenen Applaus. Viele Abgeordnete der proeuropäischen Mehrheit haben die 65-Jährige nicht aus Begeisterung, sondern auch aus Mangel an guten Alternativen gewählt.
Die Alternative wäre Chaos und eine längere Hängepartie gewesen. Ursula von der Leyen durfte bei ihrer Bewerbung für eine zweite Amtszeit nicht scheitern, weil dies eine Blamage für die EU gewesen wäre, die nur Viktor Orban, Wladimir Putin und Co. gefreut hätte. Die proeuropäische Mehrheit hat noch einmal ihre Vormacht demonstriert. Die Brandmauer hält auch, weil rechtsextreme Abgeordnete mit Pöbeleien im Plenum demonstrieren, was auf dem Spiel steht. Doch wie tragfähig die informelle Koalition sein wird, dürfte sich bald zeigen, wenn es um konkrete Gesetze gehen wird.
«Mehr Europa», Visionen und Mut fehlen
Die Versuchung bei den Konservativen als stärkste Kraft im Europaparlament ist gross, von Fall zu Fall auch alternative Mehrheiten mit dem rechten Rand in Kauf zu nehmen oder sogar aktiv zu suchen. Hier könnte die Migrationspolitik mit Forderungen nach einer weiteren Verschärfung etwa mit Asylverfahren in Drittstaaten zum Testfall werden. Oder etwa Forderungen von rechts, den Green Deal gegen den Klimawandel aufzuweichen.
Ursula von der Leyen hat in ihrer Bewerbungsrede viel versprochen, was sie nicht wird einhalten können – «mehr Europa» insbesondere. Klar, das wäre auch vor dem Hintergrund eines Comebacks von Donald Trump als US-Präsident nötig. Etwa mit Blick auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik oder auf Europas Wettbewerbsfähigkeit. Ohne Mitgliedsstaaten geht allerdings nichts. Dort stehen die Regierungen unter dem Eindruck der Wahlerfolge von Euroskeptikern und offenen EU-Hassern. Nicht nur in Berlin und Paris fehlen Visionen, Mut und Elan für weitere Integrationsschritte. Ernüchterung ist also programmiert.
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