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Wolfsschutz wird gelockert
«Es steht ein extrem schwieriger Sommer bevor»

Wie wird der diesjährige Sommer für die Schafe? Im Bild: Hütte auf der Belalp im Wallis. 
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In Italien ist es derzeit der Bär, der nach einem tödlichen Angriff auf einen Jogger im Trentino die Gemüter erhitzt. In der Schweiz dagegen ist es der Wolf – ohne dass Vergleichbares passiert ist. Seit Ostermontag steht fest: Das Referendum gegen das revidierte Jagdgesetz, welches das Parlament Ende letzten Jahres verabschiedet hat, kommt nicht zustande. Ein Komitee aus kleineren Tierschutzorganisationen hat nach eigenen Angaben nur zwei Drittel der notwendigen 50’000 gültigen Unterschriften sammeln können. 

Damit wird es künftig möglich sein, Wölfe zu schiessen, noch bevor sie Schaden angerichtet haben – ein Paradigmenwechsel, den das Stimmvolk 2020 (knapp) abgelehnt hat. Heute müssen die Raubtiere eine bestimmte Zahl von Nutztieren gerissen haben, bis die Behörden einen Abschuss verfügen können. Dass das Parlament den präventiven Wolfabschuss nun trotzdem erlaubt, begründet es mit der wachsenden Zahl von Nutztieren, die dem Wolf zum Opfer gefallen sind, letztes Jahr wurden bis Anfang November knapp 900 Risse dokumentiert. 

Mittlerweile leben etwa 200 Wölfe und 20 Rudel in der Schweiz, Tendenz steigend. Vor diesem Hintergrund drücken nun die Bergkantone und die Bauern aufs Tempo. «Wir verlangen eine Inkraftsetzung des Jagdgesetzes per 1. Januar 2024», sagt der Glarner Regierungsrat Kaspar Becker (Die Mitte), Präsident der Regierungskonferenz der Gebirgskantone. Zuvor braucht es eine Anpassung der Jagdverordnung, welche die Umsetzung des revidierten Gesetzes regelt. Der Bundesrat müsse nun möglichst rasch die Vernehmlassung dazu eröffnen, sagt Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands (SBV) und Mitte-Nationalrat. «Wir erwarten, dass der Bundesrat die neuen Gesetzesbestimmungen wirkungsvoll umsetzt.»

Das federführende Bundesamt für Umwelt (Bafu) erklärt auf Anfrage, die Vernehmlassung der Verordnung sei noch für dieses Jahr vorgesehen; das neue Jagdgesetz solle dann im Sommer 2024 in Kraft treten. 

«Wir setzen uns dafür ein, dass der Herdenschutz konsequent umgesetzt wird, bevor es zu Abschüssen kommt.»

Sara Wehrli, Pro Natura

Das Referendumskomitee befürchtet Schlimmstes: Es warnt vor einem «regelrechten Massaker an den Wölfen». Anders klingen die grossen Umweltverbände, die das Referendum nicht mitgetragen haben: Sie halten eine Koexistenz von Mensch und Wolf mit dem neuen Gesetz für machbar. «Wir werden uns dafür einsetzen, dass der zumutbare Herdenschutz konsequent umgesetzt wird und auch die positiven Effekte des Wolfes auf den Wald berücksichtigt werden, bevor es zu Abschüssen kommt», sagt Sara Wehrli, bei Pro Natura Projektleiterin Grosse Beutegreifer und Jagdpolitik. 

Bundesrat will handeln

Die Bauern ihrerseits blicken fürs Erste besorgt auf die kommenden Monate. «Es steht ein extrem schwieriger Sommer bevor», sagt Erich von Siebenthal, SVP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands. Die Sömmerung von Nutztieren sei in gewissen Regionen existenziell bedroht, die Situation unhaltbar geworden. Eine Regulation der Wolfsbestände sei deshalb von elementarer Bedeutung. 

Der Bundesrat hat auf die Befürchtungen der Bauern bereits letztes Jahr reagiert und beschlossen, auf diesen Sommer hin Wolfabschüsse zu erleichtern. Die neuen Bestimmungen basieren auf dem geltenden Jagdgesetz, gehen also nicht so weit, wie dies mit dem neuen Jagdgesetz der Fall sein wird. So etwa dürfen die Behörden einen Abschuss neu verfügen, wenn ein Wolf acht Nutztiere gerissen hat, bisher liegt die Schadensschwelle bei zehn. Gezählt werden in diesem Sommer zudem nicht nur von Wölfen getötete, sondern auch schwer verletzte Rinder, Pferde sowie Lamas oder Alpakas. Auch soll es neu möglich sein, einen Wolf eines Rudels unverzüglich zu töten, sollte er plötzlich und unvorhergesehen einen Menschen bedrohen. Ein solcher Abschuss soll – anders als im Normalfall – ohne die Zustimmung des Bundesamts für Umwelt möglich sein. In diesem Sommer dürfen die Behörden auch Rudel regulieren, in denen in diesem Jahr keine Jungtiere auf die Welt gekommen sind. 

Senkt Rösti die Schadensschwelle?

Diese und weitere neue Bestimmungen hatte der Bundesrat im November in die Vernehmlassung geschickt. Das Echo fiel durchzogen aus. Bauern und Gebirgskantone fordern weitergehende Massnahmen. Und scheinen bei Albert Rösti auf offene Ohren zu stossen. Der Umweltminister hat unlängst angekündigt, den Wolfsschutz weiter zu lockern. Vermutet wird, dass er die Schadensschwelle von den geplanten acht auf fünf gerissene Tiere senken wird – genau so, wie es der Bauernverband und die Gebirgskantone verlangen. Das Bafu sagt dazu, der Bundesrat werde diesen Frühsommer entscheiden.