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Eruption auf Island
Das Klangbild des Vulkans verrät, ob er bald ausbricht

This handout picture released by the Icelandic Coast Guard on March 16, 2024 shows billowing smoke and flowing lava pouring out of a new fissure during a new volcanic eruption on the outskirts of the evacuated town of Grindavik, western Iceland. A volcanic eruption started on the Reykjanes peninsula in southwestern Iceland on Thursday, the third to hit the area since December, authorities said. (Photo by HANDOUT / Icelandic Coast Guard / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO /HANDOUT/ICELANDIC COAST GUARD " - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS
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Erneut ist der Vulkan auf der isländischen Halbinsel Reykjanes ausgebrochen – zum siebten Mal seit März 2021. Der letzte Ausbruch war Anfang Februar 2024. Und einmal mehr zeigt sich das zerstörerische Potenzial von Vulkaneruptionen. 

Die zuverlässige Voraussage von solchen verheerenden Ausbrüchen bereitet Fachleuten allerdings grosse Schwierigkeiten. Seit vielen Jahren versucht die vulkanologische Forschung, Zeitpunkt, Stärke und Verlauf von Eruptionen zu prognostizieren. Das wäre ein wichtiger Schritt für die Frühwarnung und somit für den Schutz der Bevölkerung sowie von Infrastrukturen. Vielfalt und Komplexität der Phänomene, die im Vorfeld und während des Ausbruchs ablaufen, etwa wenn Gesteine aufbrechen oder Magma aufsteigt, erschweren allerdings eine Prognose.  

Ein bedeutender Schritt in diese Richtung gelang nun einem internationalen Team um Zahra Zali vom Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) und der Universität Potsdam. Entscheidend dafür war eine geschickte Kombination von Musikwissenschaft und maschinellem Lernen, einem Teilgebiet der künstlichen Intelligenz. Wie die Forschenden in der Fachzeitschrift «Communications Earth & Environment» berichten, konnten sie im unterirdischen Rumoren des Vulkans auf Reykjanes charakteristische Merkmale für eine herannahende Eruption nachweisen.

Magmastrom führt zu «harmonischer» Erschütterung

Demnach haben der Klang eines Orchesters aus vielen Instrumenten und die Vibrationen eines Vulkans vor einer herannahenden Eruption etwas gemeinsam: die Überlagerung verschiedenartiger Schwingungen. So setzt sich der Sound eines Orchesters aus harmonischen Instrumenten wie einer Geige und aus Schlaginstrumenten wie einer Trommel zusammen. Bei einem Vulkan sind es erstens «harmonische» Erschütterungen des Vulkans, ausgelöst durch Magmaströme, und zweitens die Störsignale, verursacht durch Erdbeben.

Diese seismischen Signale hatten die Forschenden vor und während des ersten Vulkanausbruchs der ganzen Serie auf der Halbinsel Reykjanes im Jahr 2021 analysiert. In den Daten erkannten sie charakteristische Bewegungen, die von Magma ausgelöst wurden – die Vulkanologen sprechen von einer charakteristischen Tremorfrequenz.

Verborgene Muster vor dem Ausbruch

Um die vulkanischen Signale von anderen seismischen Signalen zu unterscheiden, setzten die Forschenden auf eine Methode der Signalverarbeitung aus der Musikwissenschaft und kombinierten sie mit einer speziellen Methode des maschinellen Lernens, dem sogenannten «Deep Embedded Clustering». Damit gelingt es, aus dem Sound eines Orchesters den Klang von Instrumentengruppen herauszufiltern. Entsprechend nutzen sie eine Weiterentwicklung dieser Methode, um in den seismischen Daten des Ausbruchs von 2021 quasi die zugrunde liegenden Instrumente zu isolieren, sprich: seismische Signale in Gruppen ähnlicher Struktur zu bündeln. So konnten sie vier verborgene Muster in den Daten von 2021 erkennen, von denen eines bisher unbekannt war: eine Tremorfrequenz drei Tage vor dem Ausbruch, die auf bevorstehende eruptive Aktivitäten hinweisen könnte.

«Unsere Beobachtung des vulkanischen Tremors ab dem 16. März, also drei Tage vor dem Ausbruch, könnte darauf hindeuten, dass Magma die oberflächennahe Kruste erreicht hat», sagt Zali, leitende Autorin der Studie. «Denn solche voreruptiven Erschütterungen sind hauptsächlich auf Magmabewegungen und deren Wechselwirkungen mit Gas und angrenzendem Gestein zurückzuführen.» Auch den Übergang von kontinuierlichem Magmafluss zu Lavafontänen konnten die Forschenden identifizieren.

Ergebnisse mit erheblichem praktischem Nutzen

«Entscheidend ist, dass unsere Methode eine erhöhte Sensibilität für subtile Veränderungen aufweist und Muster in den Daten aufdeckt, die zuvor unbemerkt geblieben waren», sagt Zali. Diese Muster seien zwar schwach und würden oft von anderen Signalen verdeckt, sie stünden aber in engem Zusammenhang mit den zugrunde liegenden Prozessen im Vulkansystem. 

Ein Vorteil der Studie ist laut Zali, dass sie eine schnelle und automatische Analyse seismischer Daten ermöglicht. In einer Krisensituation sei das von grösster Bedeutung. Die Ergebnisse hätten somit erhebliche praktische Auswirkungen.

Laut Luca Caricchi, Professor für Petrologie und Vulkanologie an der Universität Genf, ist die angewandte Methode des maschinellen Lernens «ein hervorragendes Instrument, um Muster zu erkennen, die für den Menschen aufgrund der hohen Dimensionalität der Daten nur schwer zu erkennen wären». Der in der Studie präsentierte Ansatz sei «für Ereignisse wie jene auf der Reykjanes-Halbinsel, wo sich ähnliche eruptive Dynamiken in den kommenden Jahren wahrscheinlich wiederholen werden, sehr hilfreich».

Viele Daten nötig

Der Ansatz benötigt allerdings kontinuierliche Daten von Seismometern, die sich in der Nähe des Ausbruchortes befinden müssen. Der Bedarf an vielen Daten mache eine Anwendung auf schlafende Vulkane sehr schwierig, sagt Caricchi, «da unklar ist, wo genau ein zukünftiger Ausbruch eines bestimmten Vulkans stattfinden wird». Die Übertragbarkeit auf beliebige Eruptionen in verschiedenen Vulkansystemen sei daher aktuell nicht möglich. 

Zali sagt, sie habe aktiv das Gespräch mit lokalen isländischen Behörden gesucht, um ihnen die neue Methode vorzustellen. «Die ersten Gespräche waren vielversprechend und haben gezeigt, dass ein grosses Interesse an dem innovativen  Ansatz und an seiner Anwendbarkeit auf ihre Bedürfnisse besteht.»

In einem nächsten Schritt möchte das Team um Zali die neue Methode auf gut dokumentierte Vulkanausbrüche anwenden. «In dieser Phase wollen wir unser Verständnis für die Stärken und Grenzen des von uns vorgeschlagenen Ansatzes vertiefen.» In weiteren Studien möchte Zali sich auf die Bewältigung der festgestellten Probleme und die Verfeinerung des Modells konzentrieren, «um seine Wirksamkeit in verschiedenen vulkanischen Systemen zu gewährleisten».

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