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Einschränkungen für Naturschutzverbände
«Erfolg gefährdet»: Energie­direktoren warnen vor den Plänen der SVP und FDP

Arbeiter giessen bis spaet in die Nacht Beton, um den neuen Spitallamm-Staudamm am Grimsel im Berner Oberland zu bauen, aufgenommen am Donnerstag, den 27. Juli 2023. Die Kraftwerke Oberhasli, KWO, ersetzen die bestehende Staumauer Spitallamm durch eine neue Staumauer. Die alte Mauer ist renovierungsbeduerftig, wird aber erhalten und geflutet. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Mehr Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft: Das will Energieminister Albert Rösti, das will auch das Parlament. Es hat sich für einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien ausgesprochen. 

Faktisch dauert es oft aber jahrelang, bis eine Anlage gebaut werden kann. Am Donnerstag berät der Nationalrat über Gesetzesänderungen mit dem Ziel, die Verfahren zu straffen. So soll es künftig etwa nicht mehr möglich sein, ein Projekt in mehrere Etappen aufzuteilen und jeden einzelnen Entscheid bis vor Bundesgericht anzufechten. 

Beschwerderecht als Hindernis

Einem Teil des Nationalrats gehen die geplanten Massnahmen aber nicht weit genug. Die FDP und die SVP beantragen, das Verbandsbeschwerderecht einzuschränken – das Recht von Naturschutzorganisationen, als Anwältinnen der Natur zu agieren und mittels Beschwerde prüfen zu lassen, ob ein Projekt gegen geltendes Recht verstösst.

Die Ratsrechte sieht darin ein grosses Hindernis für den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien. FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher erinnert an den runden Tisch zur Wasserkraft. «Es war ein fast schon historischer Kompromiss, und am Ende hat doch eine kleine Organisation Beschwerde eingereicht.» Wegen solcher Einsprachen würden Projekte oft um Jahre verzögert, sagt Vincenz-Stauffacher. 

Konkret schlagen FDP und SVP vor, dass das Beschwerderecht bei Projekten von nationalem Interesse nur noch Organisationen zusteht, die mehr als 50’000 Mitglieder haben. Möglich blieben auch Beschwerden von drei kleineren Organisationen, die sich zusammenschliessen. 

Referendum «unvermeidbar»

Umweltverbände sind besorgt. Zwar wären grosse Organisationen wie der WWF und Pro Natura von der Einschränkung nicht betroffen. Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz dagegen schon, da sie als Stiftung keine Einzelmitglieder hat. 

Kurt Fluri, Stiftungspräsident und ehemaliger FDP-Nationalrat, sagt: «Wenn diese willkürliche Begrenzung durchkommt, ist ein Referendum unvermeidbar, und wir werden es unterstützen.» Es habe immer wieder Bestrebungen gegeben, das Verbandsbeschwerderecht einzuschränken. «Nun wollen sie es unter dem Deckmantel der Energieproduktion tun.» 

Kurt Fluri, Nationalrat FDP-SO, spricht waehrend einer Medienkonferenz ueber ein Nein zum revidierten Jagdgesetz am Montag, 17. August 2020 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Vincenz-Stauffacher versichert, die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz habe man nicht im Visier. Dafür liesse sich eine Lösung finden. Fluri ärgert sich aber generell darüber, dass die Naturschutzverbände als «Verhinderer» dargestellt werden. Sie würden nichts anderes tun, als dafür zu sorgen, dass das Recht eingehalten werde. Erfolgreich seien Beschwerden nur dann, wenn ein Projekt geltendes Recht verletze. Die Erfolgsbilanz zeige, dass die Organisationen nicht grundlos zu diesem Mittel griffen.

Auf jeden Fall betroffen wäre die kleine Organisation Aqua Viva. Geschäftsleiterin Salome Steiner sagt: «Das Verbandsbeschwerderecht von der Zahl der Mitglieder abhängig zu machen, wäre absurd.» Innerhalb der Verbände gebe es eine gewisse Spezialisierung. So vertrete Aqua Viva die Interessen der Bäche, Flüsse und Seen. «Einzigartige Naturräume wie die Greinaebene oder das Val Curciusa wären heute zerstört, hätten Organisationen wie Aqua Viva nicht die Möglichkeit gehabt, sich auf dem Rechtsweg dafür einzusetzen.» 

Kantone warnen

Unterstützung erhalten die Umweltorganisationen nun von der Konferenz der kantonalen Energiedirektorinnen und -direktoren (EnDK) sowie der Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz. In einem Brief, der dieser Redaktion vorliegt, bitten die beiden Konferenzen die Nationalratsmitglieder darum, die «massive Einschränkung» des Verbandsbeschwerderechts abzulehnen. Unterzeichnet hat unter anderen EnDK-Präsident Roberto Schmidt.

Der Walliser Staatsrat Roberto Schmidt, Praesident der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK), am Montag, 14. November 2022 im Haus der Kantone in Bern. Schmidt, CSPO/CVP, jetzt die Mitte, war zwischen 2007 und 2011, sowie zwischen 2015 und 2017 Mitglied des Nationalrats. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Die Vorlage sei für die Energieversorgung wichtig, schreiben die Direktoren. «Es ist deshalb nicht Zeit, zusätzliche politisch umstrittene Anliegen einzubringen, welche den Erfolg der Vorlage gefährden könnten.» Das gelte auch für den Antrag, das Verbot des Baus neuer Atomkraftwerke zu kippen. Stimme der Nationalrat diesen Anträgen zu, führe das «mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit» dazu, dass das Referendum ergriffen werde, heisst es im Brief. Die Folge: eine grosse Verzögerung – und am Ende möglicherweise gar keine Beschleunigung der Verfahren. 

Die SVP dagegen sieht ohne Atomkraft keinen Sinn in den geplanten Massnahmen. Sie beantragt dem Nationalrat, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen.