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Wassermangel in Spanien
Erdbeeren aus dem Schweizer Supermarkt verschärfen Dürre

Ein Arbeiter auf einer Erdbeerenfarm in Moguer in der spanischen Provinz Huelva sortiert Erdbeeren.

Sie sind dunkelrot, im prall gefüllten Körbchen und an fast jeder Ecke zu kaufen: Es herrscht Hochsaison der Schweizer Erdbeeren. Seit vergangener Woche bieten Coop oder Migros ausschliesslich Erdbeeren aus hiesigem Anbau an. Für rund drei Wochen beherrschen sie die Regale. So lange ist gemäss dem Schweizer Obstverband die Vollversorgung des Marktes gesichert. 

Doch die inländischen Beeren können den Schweizer Bedarf längst nicht abdecken. 70 Prozent aller angebotenen Erdbeeren im Markt werden importiert.

Der Grossteil der Erdbeeren, die in der Schweiz verzehrt werden, kommt aus Spanien. Und um genau jene Erdbeeren ist ein politischer Streit entbrannt. Mehr noch: Sie werden unter teils illegalen Bedingungen produziert und verstärken die sonst schon prekäre Dürre im Land.

Tausend illegale Brunnen im Beerengarten Europas

Hauptschauplatz ist die Provinz Huelva im Süden des Landes. Sie gilt als Beerengarten Europas. 98 Prozent aller spanischen Erdbeeren werden in dieser Provinz geerntet. Und sie machen fast 30 Prozent der europäischen Produktion aus.

Die Region ist von regelmässigen Hitzewellen geplagt. Doch so trocken wie jetzt war es noch nie. Spanien leidet unter der schlimmsten Dürreperiode der Geschichte. Das setzt dem südspanischen Andalusien und insbesondere dem berühmten Nationalpark Doñana stark zu, der zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.

Umweltschützerinnen und -schützer warnen seit Jahren, dass die Erdbeerzucht dem Feuchtgebiet das Wasser abgräbt. Letzten Herbst vertrocknete die letzte Lagune im Park. Das Feuchtgebiet versorgte ursprünglich die umliegenden Ortschaften mit Wasser – und mit dem wachsenden Erdbeerengeschäft auch die Züchter und damit letztlich die Schweizer Erdbeerkundschaft.

Harte Arbeit in sengender Hitze: Erdbeerplantage im spanischen Almonte.

Die Bauern dort bewirtschaften riesige Plantagen: Im Gebiet um den Park werden auf 9000 Hektaren fast eine halbe Million Tonnen Erdbeeren und Himbeeren angebaut. Das verschärft den Wassermangel, denn für ein Kilo Erdbeeren sind 300 Liter Wasser nötig. 

Rund 1900 der 9000 Hektaren werden gemäss übereinstimmenden Schätzungen der Beteiligten illegal bewässert. Das entspricht fast der Fläche des Murtensees. Mit rund 1000 illegalen Brunnen zapfen die Bauern Grundwasser an.

Statt das Feuchtgebiet zu retten, will die konservative Regierung Andalusiens nun die illegalen Brunnen legalisieren. Sie sieht die Erdbeerzucht als wichtigen Wirtschaftsfaktor für die Region. Und da Ende Mai Regional- und Kommunalwahlen stattfanden, hatte Andalusiens Regionalpräsident Juan Manuel Moreno seiner wichtigen Wählergruppe dieses Versprechen gemacht.

Da seine Partei Partido Popular im Regionalparlament die absolute Mehrheit hat, ist das Gesetz so gut wie beschlossene Sache. Die Zentralregierung in Madrid hingegen, die sich Ende Juli Neuwahlen stellen muss, ist entsetzt über die Pläne und nutzt sie ebenfalls für den Wahlkampf. Sie will die illegalen Plantagen brach legen und bis 2025 kein Grundwasser mehr von der Doñana abpumpen. 

Die Schweiz vertraut auf Richtlinien

Der Streit schwappt nun über die Landesgrenzen hinaus. Die Europäische Union hat sich mittlerweile eingeschaltet und verurteilt die Pläne der andalusischen Regierung aufs Schärfste. Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius besuchte die Region im April und unterstützte die Zentralregierung in ihrem Widerstand.

In Deutschland hat die Aktivistengruppe Campact eine Onlinepetition lanciert, in der sie von grossen Supermarktketten wie Lidl und Aldi einen «Verkaufsstopp für Dürre-Erdbeeren» fordert.

Auch der Schweizer Detailhandel, der jährlich rund 10’000 Tonnen Erdbeeren aus Spanien importiert, ist sich des Problems bewusst. Doch er vertraut auf Zertifikate, die gewisse Anforderungen unter anderem an die Bewässerung stellen. Coop, Migros, Lidl und Aldi betonen, sie würden nur Erdbeeren aus entsprechend zertifizierten Feldern beziehen.

Jimmy Mariéthoz, Direktor des Schweizer Obstverbandes, sagt: «Wir erwarten, dass die Erdbeerproduktion in dieser Region die gesetzlichen Grundlagen des Landes einhält und mindestens die gleichen Nachhaltigkeitsstandards erfüllt wie die einheimische Produktion, um Zugang zum Schweizer Markt zu haben.»

Nur: Wie garantieren die Detailhändler, keine illegalen Beeren zu beziehen beziehungsweise das Dürreproblem nicht noch mehr zu verschärfen?

«Die Erdbeerproduktion in Südspanien ist nicht nachhaltig.»

Damian Oettli, WWF Schweiz

Coop vertraut dabei auf die Kontrollen «durch eine unabhängige externe Kontrollstelle». Die Migros schickt gemäss eigenen Angaben «mindestens einmal jährlich» eine eigene Delegation nach Spanien, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Sie unterschrieb im vergangenen Jahr ein Schreiben von über zwanzig europäischen Grossunternehmen, die forderten, die geplante Legalisierung der Erdbeerfelder zu stoppen.

Gebracht hat es offensichtlich nichts. Und die Detailhändler beziehen unverändert Erdbeeren aus der zunehmend ausgetrockneten Region. Ein Migros-Sprecher sagt, dass ein kompletter Rückzug das Problem nicht lösen, sondern nur langjährige Partner vor Ort bestrafen würde. «Das Problem in dieser Region sind nicht Mehrwertprojekte wie jenes der Migros, sondern die Plantagen, welche illegal und unverhältnismässig Boden und Wasser beanspruchen.» 

Die Naturschutzorganisaiton WWF unterstützt Detailhändlerinnen wie die Migros dabei, in Spanien eine nachhaltigere Produktion zu fördern. Etwa mit Trainings für die Bauern. Und doch sagt Nachhaltigkeitsexperte Damian Oettli vom WWF Schweiz: «Die Erdbeerproduktion in Südspanien ist nicht nachhaltig. Auch wenn sich viele Farmen an Richtlinien halten, das Problem besteht auf regionaler Ebene.» Die Nachfrage steige weiter, es werde zu viel produziert, und «jetzt will auch noch die Regierung illegale Brunnen legalisieren». 

Es herrsche eine gewisse Ohnmacht, sagt Oettli. Von Boykottforderungen hält er aber nichts. «Das löst das Problem nicht. Vielmehr müssen wir einen Weg finden, Druck auf die Region auszuüben und gleichzeitig Hilfe anzubieten, damit die Region bereit ist für einschneidende Veränderungen.»