Erdbeben in MyanmarDer Boden verschob sich ruckartig auf einer Länge von 165 Kilometern
Das Erdbeben mit Magnitude 7,7 in Myanmar dürfte Zehntausende Menschenleben gekostet haben. Wie kam dieses Beben zustande? Und warum war es so zerstörerisch?

- Im Erdbebengebiet von Myanmar werden Zehntausende Todesopfer befürchtet.
- Die Sagaing-Verwerfung verschiebt sich jährlich um etwa zwei Zentimeter.
- Das Flachbeben ereignete sich in nur zehn bis zwanzig Kilometern Tiefe und entfaltete deshalb ungebremste Zerstörungskraft.
Ein Erdbeben mit der Magnitude 7,7 hat in der Nacht auf Freitag das südostasiatische Land Myanmar erschüttert. Das Epizentrum des Bebens lag in zehn bis 20 Kilometer Tiefe unterhalb der Stadt Sagaing. Diese liegt am Rand der Millionenstadt Mandalay, also mitten in der dicht bevölkerten Schwemmlandebene des Irrawaddy-Flusses.
Nur wenige Minuten später erschütterte ein Nachbeben mit Magnitude 6,4 dieselbe Region. Die Beben richteten selbst in der fast 1000 Kilometer weit vom Epizentrum entfernten thailändischen Hauptstadt Bangkok noch beträchtliche Schäden an. Bis zum Freitagnachmittag kam es zu mehreren weiteren Nachbeben, die jedoch nicht mehr dieselbe Intensität erreichten.
Wegen der verworrenen politischen Lage in Myanmar ist es schwierig, an verlässliche Informationen zu kommen. Soweit bisher aber bekannt ist, richteten die Erdbeben enorme Verwüstungen an.
Gemäss einer vorläufigen Einschätzung des United States Geological Survey (USGS), die auf der Stärke des Erdbebens und dem Zustand von Gebäuden und Infrastruktur im hauptbetroffenen Gebiet beruht, muss von sehr hohen Opferzahlen ausgegangen werden. Befürchtet werden Zehntausende, vielleicht sogar mehr als hunderttausend Tote.
Myanmar wird immer wieder von Erdbeben erschüttert
Auch wenn die Auswirkungen dramatisch sind: Geologisch und Seismologisch betrachtet ist es nicht überraschend, dass in dieser Region derart starke Erdbeben auftreten.
Wie Xavier Borgeat vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED) auf Anfrage erklärt, liegt das Epizentrum des Bebens direkt auf der sogenannten Sagaing-Verwerfung. Dabei handelt es sich um eine aktive tektonische Störung, die Myanmar von Süden nach Norden durchläuft und regelrecht in zwei Teile trennt.
Die Erdbebenaktivität in Myanmar steht also im Zusammenhang mit der grossflächigen Verschiebung der tektonischen Platten, welche die Erde wie ein Mosaik überziehen. Die Sagaing-Verwerfung kommt zustande, weil sich die im Westen gelegene Burmaplatte – die gewissermassen der grösseren indischen Platte vorgelagert ist – in nördlicher Richtung an der Sundaplatte im Osten vorbeischiebt.
Durch diese sogenannte Transformstörung entstehen starke Spannungen tief im Erdreich. Wenn sich diese Spannungen lösen, kommt es zu einer ruckartigen Verschiebung der tektonischen Platten, was sich in Form von Erdbeben bemerkbar macht.
Die Spannungen an der tektonischen Grenzlinie zwischen der Indischen Platte und der Sundaplatte waren übrigens auch verantwortlich für das verheerende Seebeben im Indischen Ozean am 26. Dezember 2004. Durch dieses Beben wurde eine Reihe von Tsunamis – also Flutwellen – ausgelöst. Fast 230’000 Menschen kamen ums Leben.
Verschiebung mit enormen Dimensionen
Nach Einschätzung von Xavier Borgeat dürfte dieser als Blattverschiebung bezeichnete Vorgang beim Erdbeben am Freitagmorgen entlang eines Bereichs stattgefunden haben, der etwa 165 Kilometer lang und 20 Kilometer tief ist. Die Sagaing-Verwerfung verschiebt sich mit einer relativen Geschwindigkeit von etwa zwei Zentimetern pro Jahr. Zum Vergleich: Die Verschiebungsgeschwindigkeit der wesentlich bekannteren San-Andreas-Verwerfung in Kalifornien beträgt etwa vier Zentimeter pro Jahr.

Das Erdbeben vom Freitagmorgen war mit einer Magnitude von 7,7 zwar sehr stark. Allerdings sind Beben dieser Grössenordnung im Bereich der Sagaing-Verwerfung nicht aussergewöhnlich. Gemäss Xavier Borgeat ereignete sich 1912 sogar ein Erdbeben mit Magnitude 7,9. «In den letzten 100 Jahren gab es in dieser Region zehn Erdbeben mit einer Magnitude von 6,8 und höher», ergänzt der Seismologe.

Dass das Erdbeben vom Freitagmorgen eine derartige Zerstörungskraft entfaltete, hat gemäss dem Experten auch damit zu tun, dass es in einer relativ geringen Tiefe von zehn bis 20 Kilometern auftrat. Die Schätzungen bezüglich der Tiefe gehen derzeit je nach Erdbebendienst noch auseinander.
Die Seismologen klassifizieren es allerdings auf jeden Fall als sogenanntes Flachbeben. In diese Kategorien fallen Erdbeben, die in einer Tiefe bis etwa 70 Kilometer auftreten. «Flache Erdbeben führen zu stärkeren Erschütterungen an der Oberfläche, da die seismischen Wellen nur eine kurze Strecke zurücklegen müssen und dadurch weniger Energie verlieren», erklärt Borgeat.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Die im Untergrund bei der Verschiebung des Erdreichs freigesetzte Energie wurde also mehr oder weniger ungebremst an die Oberfläche übertragen. Starke Flachbeben zeigen deshalb oft ein fast schon charakteristisches Schadensbild mit komplett zerstörten Gebäuden, Erdrutschen und grossen Rissen im Boden.
Zusätzlich verstärkend dürfte auch die Beschaffenheit des Untergrundes gewirkt haben. Der Boden unter der Irrawaddy-Schwemmlandebene ist reichlich mit «weichen» Sedimenten gefüllt. Eine solche Beschaffenheit kann die Bodenbewegungen und damit auch die Schadenswirkung gemäss Xavier Borgeat noch zusätzlich verstärken.
Fehler gefunden?Jetzt melden.