Generationen-BarometerDie Erbschaft kommt oft zu spät
Viele können sich Wohneigentum nur leisten, wenn sie erben. Doch darauf müssen sie oft bis ins Pensionsalter warten. Warum ist das so? Eine Befragung liefert Antworten.

- Erbschaften gewinnen in der Schweiz an Bedeutung.
- Aufgrund der hohen Lebenserwartung erfolgen sie aber oft in einer späten Lebensphase.
- Deshalb können sich vergleichsweise wenige Familien mit jungen Kindern eine Immobilie leisten.
- Junge Menschen sind zunehmend pessimistisch hinsichtlich ihrer Zukunftsperspektiven.
Erbschaften spielen eine immer wichtigere Rolle. Rund die Hälfte des Vermögens der Schweizerinnen und Schweizer ist geerbt.
Gleichzeitig sind die Haus- und Wohnungspreise derart stark gestiegen, dass der Traum von den eigenen vier Wänden für viele unerschwinglich geworden ist. Ohne grösseres Erbe könne man sich in der Schweiz Wohneigentum nicht mehr leisten, konstatieren gut zwei Drittel im neusten Generationenbarometer. Die repräsentative Umfrage wurde vom Institut Sotomo im Auftrag des Berner Generationenhauses durchgeführt.
Diese Abhängigkeit vom Erbe sehen 58 Prozent als Problem. Dahinter steht die Sorge, dass sich die Schweiz in eine Gesellschaft verwandelt, in der die Vermögensübertragung über Generationen entscheidend ist – und dadurch die soziale Chancengleichheit untergraben wird.
Entscheidend ist nicht nur, ob und wie viel man erbt. Sondern auch, wann man erbt. Am hilfreichsten wäre der Geldsegen in jener Lebensphase, in der das Gründen einer Familie ansteht und gleichzeitig der Wunsch nach Wohneigentum laut wird. In dieser Zeit sind die Finanzen oft besonders knapp.
Doch in der Schweiz erben die meisten erst im Pensionsalter oder kurz davor. Ein frühzeitiges Übertragen von Vermögen ist für die Mehrheit der Erblasser dagegen kein Thema, wie das Generationenbarometer ebenfalls zeigt. Nur 17 Prozent planen, einen Teil ihres Vermögens vorzeitig an die nächste Generation zu vererben. 50 Prozent lehnen dies ab, und weitere 33 Prozent haben noch keinen Plan.
Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass ein vorzeitiges Vererben für die Erblasser ein Risiko darstellen kann. Ist doch der eigene künftige Finanzbedarf schwierig zu prognostizieren – zumal er unter anderem davon abhängt, wie lange man lebt. Will man ganz sichergehen, dass das Geld bis zum Lebensende gut reicht, behält man es für sich selbst.
Hinzu kommt: Viele befassen sich nur ungern mit dem Vererben und damit mit dem eigenen Tod. Lieber schieben sie das Thema auf. Zwei Drittel der 2754 Befragten haben denn auch noch kein Testament oder keinen Erbvertrag verfasst.
Selbst wenn jemand ein solches Dokument erstellt hat, wird es in der Familie oft nicht thematisiert. Lediglich 24 Prozent wissen, dass ihre Eltern ein Testament oder einen Erbvertrag verfasst haben, und kennen dessen Inhalt.
Erbschaftssteuer stösst auf Widerstand
Das Generationenbarometer hat auch ergründet, wie die Befragten zu einer Erbschaftssteuer stehen. Dabei zeigt sich eine grosse Skepsis. Insbesondere kleinere Vermögen möchte eine Mehrheit nicht antasten. Für eine Erbschaftssteuer ohne jeglichen Freibetrag plädieren nur 11 Prozent. Chancen hätte allenfalls eine Abgabe, bei der die Vermögen bis zu einer Million Franken ausgenommen würden.
Ein hoher Freibetrag allein reicht aber nicht, damit eine nationale Erbschaftssteuer mehrheitsfähig wird. Dies zeigt sich bei der gegenwärtig hängigen Juso-Initiative. Sie sieht zwar einen sehr hohen Freibetrag von 50 Millionen Franken vor. Doch die darüberliegenden Vermögen möchten die Jungsozialisten gleich zur Hälfte an den Staat fliessen lassen – «zur sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise».
Dies kommt beim Volk schlecht an, wie eine Tamedia-Umfrage bereits im vergangenen Sommer gezeigt hat. Zumal keineswegs sichergestellt wäre, dass dies zu mehr Steuereinnahmen führen würde. Wahrscheinlicher ist, dass die Vermögenden durch eine solch drastische Steuer vertrieben würden, wodurch am Ende weniger Geld als heute in die Staatskasse flösse.
Zukunftspessimismus vor allem bei den Jungen
Neben dem diesjährigen Schwerpunkt zum Erben hat das Generationenbarometer auch erhoben, wie optimistisch oder pessimistisch die Bevölkerung in die Zukunft blickt. Dabei zeigt sich, dass vor allem Junge sich zunehmend machtlos fühlen.
Gemäss der vom 18. September bis zum 7. Oktober online durchgeführten Umfrage sehen insgesamt 71 Prozent der Befragten mit Sorge in die Zukunft – noch mehr als in den Jahren zuvor. Lediglich 4 Prozent sind optimistisch mit Blick aufs Jahr 2055. Weitere 25 Prozent geben an, sie seien «eher optimistisch».
Bei den Jungen sind gar 79 Prozent (eher) pessimistisch. Daraus folgern die Verfasser des Berichts: «Das Generationenversprechen, gemäss dem es jeder neuen Generation etwas besser gehen soll, bekommt Brüche – zumindest in immaterieller Hinsicht. Immer mehr junge Menschen haben das Gefühl, die Zukunft nicht gestalten und verbessern zu können.» 88 Prozent der unter 35-Jährigen glauben, nur wenig Einfluss auf die Zukunft der Gesellschaft zu haben.
37 Prozent aller Befragten halten gar einen Angriff auf ein EU-Land für wahrscheinlich. Und zwei Drittel konstatieren ein Auseinanderdriften von links und rechts sowie zwischen reich und arm. Rund die Hälfte der unter 26-Jährigen ist auch der Ansicht, dass sich jung und alt hierzulande entfremden. Unter den über 75-Jährigen finden dies nur 15 Prozent.
Über alle Altersklassen hinweg sprechen sich fast 70 Prozent für ein Tiktok-Verbot und über 80 Prozent für ein Handyverbot an den Schulen aus. Beides wird auch von einer Mehrheit der Jungen befürwortet.
Der weitverbreitete Zukunftspessimismus kontrastiert mit einer hohen Lebenszufriedenheit im Hier und Jetzt: 87 Prozent sind gemäss dem Generationenbarometer mit ihrem derzeitigen Leben eher oder sehr zufrieden.
Im Berner Generationenhaus ist bis Ende Oktober auch eine Ausstellung zum Thema Erben zu sehen.
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