Entscheid gegen den BundesratSchutzstatus S für Ukrainer soll eingeschränkt werden
Die Migrationspolitiker des Nationalrats sprechen sich für einen Verfall des Schutzstatus S aus, wenn Geflüchtete länger als zwei Wochen in die Ukraine reisen. Einen weiteren Vorstoss hat die Kommission knapp abgelehnt.

- Die Debatte um den Schutzstatus S für Ukrainerinnen wird zunehmend intensiver.
- Ein Kommissionsvorschlag verlangt, den Schutzstatus nach zweiwöchiger Ukraine-Reise zu beenden.
- Bundesrat sowie Asylminister Jans warnen vor weiteren Verschärfungen des Schutzstatus.
- Im Dezember werden die Motionen im Nationalrat behandelt, eine Mehrheit gegen den Bundesrat ist möglich.
Die Willkommenskultur für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer verblasst zusehends. Nach dem Ständerat hat sich nun auch die zuständige Kommission des Nationalrats für eine Einschränkung des Schutzstatus S ausgesprochen.
Die Staatspolitische Kommission hat am Donnerstag einen Vorstoss des St. Galler Ständerats Benedikt Würth (Mitte) angenommen, der verlangt, dass der Schutzstatus S automatisch verfällt, wenn Schutzsuchende länger als zwei Wochen in die Ukraine reisen. Der Entscheid fiel klar mit 15 gegen 8 Stimmen bei einer Enthaltung.

Die Kommissionsmehrheit sieht in der Verschärfung eine notwendige Massnahme zur Verhinderung von Missbrauch und zur Verbesserung der Akzeptanz des Schutzstatus.
Ablehnung nur mit Stichentscheid
Nur ganz knapp abgelehnt hat die Kommission einen noch weitergehenden Vorstoss zum Thema: Ständerätin Esther Friedli (SVP) fordert, den Schutzstatus S nur für Geflüchtete aus besonders gefährdeten Regionen der Ukraine zu gewähren. Die Gegner verwiesen in der Kommission auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung.
Die Abstimmung fiel mit 12 gegen 12 Stimmen unentschieden aus. Dann gab Kommissionspräsidentin Greta Gysin (Grüne) mit dem Stichentscheid den Ausschlag.
Bundesrat will keine Verschärfung
Der Ständerat hatte die beiden Motionen im Juni gegen den Willen des Bundesrats überwiesen. Asylminister Beat Jans warnte in der Debatte speziell vor der Motion Friedli. Den Schutzstatus nur Personen aus Kampfgebieten zu verleihen, werde «der volatilen Kriegssituation in der Ukraine nicht gerecht». Denn auch vermeintlich sichere Regionen könnten jederzeit wieder gefährlich werden.
Dagegen argumentierte Friedli im Ständerat, es gebe immer mehr Fälle von Flüchtlingen, die den Schutzstatus S beantragten, «obwohl sie nicht an Leib und Leben bedroht sind».
Schutzstatus S bereits seit längerem umstritten
Der Schutzstatus S für Ukrainerinnen und Ukrainer ist bereits seit einiger Zeit umstritten. Pierre Alain Schnegg (SVP), Sozialdirektor des Kantons Bern, hatte im Mai in einem Interview mit dieser Redaktion die Aufhebung des Schutzstatus gefordert, weil dieser «zunehmend missbraucht» werde.

Roma-Gruppen aus der Ukraine würden den Schutzstatus für kurzfristige Aufenthalte nutzen und nach Erhalt von Asylsozialhilfe wieder abreisen, so Schnegg. Er sieht darin ein klares Muster von Missbrauch und forderte die Rückkehr zu einem regulären Asylverfahren: «So wie es jetzt mit dem Status S läuft, kann es nicht weitergehen.»
Auch in St. Gallen traten solche Probleme auf: Der Kantonsrat stimmte im Frühling einer Standesinitiative zu, die die Abschaffung des Schutzstatus S auf Bundesebene forderte.
Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) zeigen, dass vermehrt ukrainische Männer im wehrfähigen Alter in der Schweiz Schutz suchen. Diese Entwicklung wird kritisch beobachtet, da viele dieser Männer in der Ukraine zur Landesverteidigung beitragen könnten.
Nicht nur in der Schweiz, auch in der Ukraine selbst wächst der Druck auf Flüchtlinge, in die Heimat zurückzukehren. Ein Berater von Präsident Wolodimir Selenski forderte im Januar in einem Interview, dass ukrainische Flüchtlinge in die Heimat zurückkehren sollten. «Die Rückkehrer könnten der ukrainischen Wirtschaft und Gesellschaft besser dienen als in der Schweiz», sagte der Berater.
Parlamentsmehrheit gegen den Bundesrat?
Die beiden Motionen werden voraussichtlich im Dezember im Nationalrat behandelt. Benedikt Würths Vorstoss hat dabei gute Chancen auf eine Annahme, da sich bereits eine deutliche Mehrheit in der Kommission dafür ausgesprochen hat.
Nach dem knappen Entscheid zur Motion von Esther Friedli ist jedoch denkbar, dass das Parlament ihrer Forderung nach einer Einschränkung des Schutzstatus S auf stark betroffene Regionen ebenfalls zustimmt. Eine Parlamentsmehrheit gegen den Willen des Bundesrats scheint sich damit abzuzeichnen.
Und vor allem: Für die gegen 70’000 hierhin geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer könnte sich einiges ändern.
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