Cedric Schild stellt KriminelleTelefonbetrüger erbeuten 11,5 Millionen Franken – nun macht ein Komiker Jagd auf sie
Die Zahl der Enkeltrickbetrüge hat sich 2023 verdreifacht. Das zeigen Fedpol-Zahlen, die dieser Redaktion exklusiv vorliegen. In einem neuen Film lässt Cedric Schild die Täter in die Falle tappen.
Auf dem Weg zum Zürcher Hauptbahnhof verfolgen sie den Mann, der sich an eine zusammengeklebte Tasche klammert. Mit dem Mikrofon und vorgehaltenen Kameras versuchen sie ihn immer wieder zur Rede zu stellen. Ob er auf diese Weise alte Menschen über den Tisch ziehe, fragt ihn der Schauspieler und Komiker Cedric Schild.
Als Polizeipraktikant Smetterling spielte sich Schild in der SRF-Erfolgsserie «Tschugger» in die Herzen des TV-Publikums. In seinem jüngsten Projekt – einem 80-minütigen Dok-Film – macht Schild nun Jagd auf echte Enkeltrickbetrüger. Also auf jene Kriminellen, die meist aus dem Ausland vornehmlich ältere Leute mit Telefonanrufen dazu zu bewegen versuchen, Geld und andere Wertsachen an ihre Komplizen in der Schweiz zu übergeben.
Einer dieser Geldabholer ist der etwas bullige Mann, den Cedric Schild zusammen mit seinem Team auf dem Weg mit Kameras und Mikrofon zum Hauptbahnhof verfolgt. Und der ist sichtlich nervös: Irgendwann fällt ihm das Handy zu Boden. «Kolleg, du bist komplett am Arsch», sagt Schild zu ihm. Kurz darauf kommt die Polizei, um den Geldabholer zu verhaften. Szenenapplaus im Zürcher UTO-Kino, wo Schilds Enkeltrickbetrug-Film vor ein paar Tagen Vorpremiere hatte.
29 Festnahmen, 5 gehen auf das Konto von Cedric Schild
«Jetzt haben sie aber gerade einen Moment gebraucht», sagt Schild im Film zu den Polizisten, als sie eintreffen, um den Komplizen der Enkeltrickbetrüger festzunehmen. Gelächter bei der Vorpremiere.
Der Hintergrund von Schilds Film über Enkeltrickbetrüger ist beunruhigend ernst: 2023 kam es in der Schweiz zu einer starken Zunahme beim Telefonbetrug. Die Schadenssumme verdoppelte sich gegenüber dem Vorjahr – von 5,7 auf 11,5 Millionen Franken. Auch die Zahl der Betrugsversuche schnellten in diesem Zeitraum stark nach oben: Sie verdreifachten sich, wie das Fedpol auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt, auf über 3000.
Die Polizei ist im Kampf gegen die Telefonbetrüger nur bedingt erfolgreich: 2023 kam es gemäss Fedpol schweizweit zu 29 Festnahmen. Das ist zwar mehr als eine Vervierfachung gegenüber dem Vorjahr. Aber nur ein Kleinsterfolg – angesichts von 250 Enkeltrickbetrugsfällen im gleichen Zeitraum. Noch 2022 registrierte das Fedpol erst 84 Enkeltrickbetrüge.
Der Film von Cedric Schild und seinem Team führte – gemäss eigenen Angaben – zu 5 Festnahmen. Das wäre ein grosser Teil der 29 Festnahmen. Ein Strafbefehl, der dieser Redaktion vorliegt, zeigt, dass Betrüger sich in einem dieser Fälle als Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft ausgaben und einem Geschädigten mehrere Tausend Franken mithilfe einer Abholerin abnehmen konnten – bevor diese Geldbotin einen Monat später bei einem weiteren Betrugsversuch von Cedric Schild der Polizei überstellt werden konnte.
Der Film mit dem wortspielenden Titel «Die Enkeltrick Betrüger» ist ein Projekt von Izzy, der jungen Medienmarke von Ringier. Der Film ist ein Coup: weil er unterhält und zugleich aufklärt, weil er lustig und rasant geschnitten ist, weil er – von den Tätern über die Ermittler bis zu den Opfern – ein umfassendes Bild des Enkeltrickbetrugs zeigt. Und weil die dokumentarische Actionreportage dem Klischee entgegentritt, dass es ja nur die Dummen oder sonst wie Eingeschränkten sein können, die den Telefonbetrügern auf den Leim gehen: Im Film wird gezeigt, wie perfide die Strategien der Betrüger sind – und wie aufwendig es ist, wenn man die Täter überführen will.
Schockanruf ist heute die erfolgreichste Taktik
Hunderte Adressen und Nummern registrierte Schilds Team im Telefonbuch, sodass die Swisscom glaubte, sie seien Betrüger. Doch das reichte nicht: Sie mussten noch mehr Einträge schalten, bis schliesslich nach drei Monaten Warten – endlich, endlich! – ein Enkeltrickbetrüger anrief und es mit einem sogenannten Schockanruf versuchte: Die Tochter des Angerufenen habe einen Verkehrsunfall verursacht, heisst es dann. Eine Person sei tot. Die Eltern sollen eine Kaution bezahlen, damit die Tochter die Untersuchungshaft verlassen könne. «Melinda?» krächzt Cedric Schild da in der Rolle eines älteren Herrn ins Telefon.
Der Schockanruf ist heute gemäss Fedpol die erfolgreichste Strategie der Telefonbetrüger – und hat die meisten anderen Formen des Enkeltricks abgelöst: Die Angerufenen werden unter Vortäuschung einer Notlage emotional so stark unter Druck gesetzt, dass sie den Anweisungen der Telefonbetrüger folgen. Im Film von Cedric Schild werden aber auch andere Maschen gezeigt, zum Beispiel jene des falschen Polizisten, der um Hilfe bei verdeckten Ermittlungen gegen eine Bankbeamtin bittet, die ihren Kundinnen und Kunden Falschgeld aushändigen soll.
«Sie sind gut, aber ich war besser»
Wie trickreich die Betrüger vorgehen, zeigt Cedric Schilds Film immer wieder sehr anschaulich. Und zwar vor allem dann, wenn Schild – der mit Telefonstreichen berühmt wurde und mit Fake-Anrufen schon der Armee Geheimdokumente abluchsen konnte – an den Betrügern scheitert, die sich durch das Abfragen von Geburtsdaten, Kontonummern und anderen Angaben abzusichern versuchen, damit sie selbst nicht in eine Falle treten: Einmal verrechnet er sich, als er angibt, er sei 1956 geboren – und ihn einer der Anrufer darauf fragt, wie alt er denn gerade sei. In solchen Momenten zeigt sich, wie rhetorisch geschickt die Anrufer teils sind, die im Fachjargon Keiler genannt werden. «Sie sind gut, aber ich war besser», sagt einer, als Schild ihm eine fiktive Kontonummer anzugeben versucht.
Seine humoristischen Höhepunkte hat der Film immer dann, wenn Cedric Schild die Ernsthaftigkeit der Täter und des Themas mit Frechheit durchbricht. Wenn er zum Beispiel einen Keiler zusammenstaucht, der beim Notieren an den vielen Nullen und Einsen einer Kontonummer wiederholt scheitert. Oder wenn er es mit dem «Esel» aufnimmt: einem Keiler, der ihm mal vorwirft, er sei «dumm», Schild müsse noch viel lernen, wenn er sie schnappen wolle. Kurze Zeit später kann Schild Geldboten des «Esels» zu sich locken – und sie der Polizei überstellen.
In solchen Momenten triumphiert die Gerechtigkeit über die Dreistigkeit der Täter, die sich schamlos bereichern und – wie im Film gezeigt wird – in Polen, im türkischen Izmir und im Libanon in Saus und Braus leben. Zu fassen bekommt man oft nur die Geldabholer, die über hiesige Kleinanzeigen angeheuert oder für ein paar Tage in die Schweiz geschickt werden.
Aber mit Cedric Schilds Film über Enkeltrickbetrug gelingt, was der Film insgesamt leisten will: für ein Thema zu sensibilisieren, bei dem es nach Jahren der Berichterstattung zu einem Abstumpfungseffekt kommt – obwohl die neuen Zahlen zum Telefonbetrug uns beunruhigen sollten.
«Die Enkeltrick Betrüger» auf der Seite www.enkeltrickbetrueger.ch sowie Blick.ch (kostenpflichtig).
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