Cedric Schild und Viktor Giacobbo im Interview«Das erste Treffen mit Viktor Giacobbo war verhängnisvoll»
Schild ist der Überflieger in der Schweizer Komik. Nun geht er auf die Bühne. Regie führt Comedy-Doyen Viktor Giacobbo. Ein Gespräch über Sexgrüsel, Grössenwahn und Kleingedrucktes.
Die meisten werden Sie beide auf Anhieb nicht zusammenbringen. Wo haben Sie sich kennen gelernt?
Viktor Giacobbo: Bei den Swiss Comedy Awards vor fünf Jahren. Da hat Cedi einen Preis als bestgekleideter Mann erhalten, obwohl ich besser angezogen war.
Cedric Schild: Den Stil-Preis habe ich von der «Schweizer Illustrierten erhalten». Beim Swiss Comedy Award habe ich einen Preis für meine Videos verliehen bekommen.
Giacobbo: Damals habe ich Cedi – ehrlich gesagt – noch nicht so gut gekannt.
Schild: Es war auch ein Online-Award, den ich da gewonnen habe. Und Viktor war halt noch nicht im Internet.
Giacobbo: Damals war ich auf Fax!
Schild: Aber dann hat Viktor Instagram heruntergeladen und ist mir in die DMs geslidet.
Giacobbo: Was habe ich gemacht?
Schild: Du hast mir auf Instagram eine Direktnachricht geschrieben – und dann haben wir uns auf einen Kaffee getroffen. Für mich als jungen, unerfahrenen Künstler war das erste Treffen mit dem Schwergewicht Viktor Giacobbo ein verhängnisvoller Tag.
Warum?
Schild: Weil Viktor mir eine Falle gestellt hat. Er hat gesagt: «Wenn du eines Tages auf die Bühne gehst, dann musst du die Premiere bei uns im Casinotheater in Winterthur spielen.» In meinem jugendlichen Leichtsinn habe ich gedacht, ich geh doch niemals auf eine Bühne – und habe die Altherrenhand geschüttelt. Somit war das besiegelt.
Giacobbo: Es floss noch Geld, aber das erzählt er nicht so gern.
Und nun müssen Sie das machen?
Schild: Ja, als ich vor etwas mehr als einem Jahr die Idee eines Bühnenprogramms hatte, rief ich ihn an und sagte: Es ist so weit. Viktor reservierte dann sofort ein Premierendatum und weitere Vorstellungstermine im Casinotheater.
So machen Sie das, Herr Giacobbo?
Giacobbo: Ja, als Digital Native wusste er natürlich nicht, was Kleingedrucktes bedeutet.
Schild: So hat er zumindest mich um den Finger gewickelt. Nun führt er auch noch Regie bei meinem Bühnenprogramm. Als Viktor die Auftritte im Casinotheater einplante, hatte ich noch keine Zeile meines Bühnenprogramms geschrieben. Entsprechend viele schlaflose Nächte hatte ich.
Giacobbo: Du hast etwas vergessen: Ich habe dich schon bei unserem ersten Kennenlernen gefragt, ob du schon mal auf der Bühne warst, was damals noch nicht der Fall war. Aber ich habe dir schon damals gesagt, dass du für die Bühne fällig bist. Denn bei Cedis Spontaneität wäre es schade, wenn sie nicht live stattfinden könnte.
Viktor Giacobbo kommt von der Bühne. Aber Sie, Cedric Schild, sind mit Internetvideos gross geworden. Wenn Sie beispielsweise als schwerhöriger Herr Aebersold bei einem Hörgerätladen anrufen, erreichen Sie damit auf Youtube Hunderttausende Klicks. Was hat Sie gereizt, in Theatern aufzutreten, die teils nur 250 Plätze haben?
Schild: Die Internetvideos mache ich nun seit fünf Jahren. Es ist lustig und natürlich super, dass ich mit meinem Team Videos produzieren kann, die ein grosses Publikum erreichen, die eine Debatte auslösen und idealerweise auch noch einen Missstand aufdecken können. Aber nachdem wir anfangs viel lernen konnten, hat sich eine gewisse Routine eingeschlichen. Daher wollte ich mal wieder meine Komfortzone verlassen und mich aus dem Fenster lehnen.
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Das überrascht, denn ausgerechnet nächste Woche bringen Sie einen 80-minütigen Film heraus, in dem Sie echte Enkeltrickbetrüger überführen. Wenn Sie die Betrüger darin zu sich locken, entsteht nie der Eindruck, Sie würden sich dabei in der Komfortzone bewegen. Es wirkt vielmehr riskant, was Sie da machen.
Schild: Das stimmt. Am Enkeltrickbetrüger-Film haben wir ein Jahr lang gearbeitet. Und der ist mir natürlich auch sehr wichtig. Aber mir geht es um die Machart: In einem Video oder einem Film kann man tausendmal umschneiden oder nochmals neu drehen, wenn etwas schiefläuft. Aber auf der Bühne ist das nicht möglich.
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Ist der Bühnenauftritt mit Stand-up-Elementen für Sie die Königsklasse der Komik?
Schild: Ich empfinde das so: Wenn du auf die Bühne gehst, muss es sitzen.
Giacobbo: Das ist auch meine Meinung. Beim Swiss Comedy Award habe ich schon Leute gesehen, die mit ihren Internetvideos sehr erfolgreich sind. Aber wenn sie dann auf die Bühne geholt werden, um ihren Preis abzuholen, können sie noch nicht mal ihre Dankesrede richtig performen. Und sie wissen schon gar nicht, wie man vor Publikum einen Joke macht. Bei Cedi ist das anders. Wahrscheinlich, weil in ihm mehr Boomer steckt, als er vielleicht glaubt.
Also bitte!
Giacobbo: Im Ernst: Cedi spielt Figuren. Das macht heute in der Komik ja eigentlich niemand mehr. Ausser meine Generation, die Boomer. Die ganz Jungen fangen jetzt wieder damit an, was mich freut. Cedi hat bereits ein ganzes Figurenkabinett, mit dem er nun auf die Bühne gehen kann.
In Ihrem Bühnenstück wird man Figuren aus Ihren Videos sehen?
Schild: Ja, das ist halt das, was ich auch gern von anderen Künstlern sehe, die meine Vorbilder sind, etwa Emil oder Divertimento: Ich mag es, wenn jemand eine Perücke und einen Hut aufsetzt und dann eine Figur spielt. Ich mag aber auch im echten Leben Originale. Darum sitze ich im Restaurant gern so nah wie möglich beim Stammtisch, damit ich hören kann, wie dort gesprochen wird.
Was interessiert Sie daran?
Schild: Ich höre diesen Charakteren gern zu, wenn sie erzählen, was alles schiefgelaufen ist, wo es in ihrem Leben gerade eine Baustelle gibt.
Giacobbo: Neben den Figuren wird es im Bühnenstück auch Cedric Schild ganz privat zu erleben geben. Also auf was er so alles steht. Allerdings muss er auch so eine Figur spielen – die er im Alltag selber ist.
Schild: Es wird Stand-up-Elemente geben, in denen ich – wie andere Comedians auch – erzähle, was in meinem Alltag passiert, von meinen Frauengeschichten oder was ich mit der Polizei erlebe. Und dazwischen trete ich in den Rollen meiner Figuren auf.
Und diese Figuren haben eine Botschaft?
Giacobbo: Ja klar: Weltfrieden. Damit sollte es nun endlich klappen, wenn Cedi auf die Bühne geht.
Schild: Teils hat es schon eine Message in meinem Programm. Aber wie in unseren Videos ist sie manchmal etwas versteckt, sodass man selbst darauf kommen muss. Das Programm soll für einen 13-Jährigen genauso funktionieren wie für Ältere, die dann vielleicht auch mal eine gewisse Doppelbödigkeit in einem Witz erkennen können. Aber wenn ich als Major Schild in Uniform auftrete, werden alle verstehen, dass ich nicht gerade der grösste Freund der Armee bin, also dass mein Bühnenprogramm kein Anwerbungskurs fürs Militär ist.
Giacobbo: Es gibt immer Leute, die in der Komik Künstler und Bühnenfigur nicht unterscheiden können. Die sollten sich eher von Komik und Satire fernhalten, denn sie werden es nicht verstehen.
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Das ist ja schon eine Tendenz der letzten Jahre: dass alles, was in der Komik gemacht oder gesagt wird, deckungsgleich sein muss mit der persönlichen Meinung und den politischen Ansichten der Künstler, insbesondere in der Satire.
Giacobbo: Ja…
Schild: … denkst du ans Gleiche wie ich?
Giacobbo: Das weiss ich nicht. Aber ich denke gerade an Ricky Gervais, der in seiner jüngsten Netflix-Show auf verblüffende Weise schildert, wie er manchmal absurde, geradezu grauenhafte Gedanken hat. Aber dann spricht er sie auch noch aus und macht Witze, beispielsweise über Behinderte.
Da würden nun einige sagen, mit solchen Witzen sei schon eine Grenze überschritten, wenn sie ein Nichtbehinderter macht.
Giacobbo: Es geht auch um die Grenzüberschreitung, das Publikum erschrickt erst über das eigene Lachen und über Gervais als Person, von dem das Publikum ja weiss, wer er ist und wo er steht. Die Erlösung kommt erst dann, wenn Gervais erklärt, dass er damit eine hässliche Person mit hässlichen Gedanken spielt. Er findet, man lacht gerade deshalb, weil es unter aller Sau ist und sich somit dagegen stellt.
Komik verhindert, dass es zum Zivilisationsbruch und anderen Übergriffen kommt?
Giacobbo: Das ist zumindest das, was Ricky Gervais mit seinem radikalen Programm meiner Meinung nach versucht.
Ist in den letzten Jahren etwas verloren gegangen, weil zwischen Meinung und Humor immer weniger unterschieden wird?
Giacobbo: Ja. Nicht zuletzt, weil es in vielen Comedy-Programmen keine Figuren – und schon gar keine negativen Charaktere – mehr gibt. Die meisten spielen nur noch für ihre eigene Bubble. Das finde ich langweilig. Aber das macht Cedi eben genau nicht.
Schild: Ich weiss nicht, was meine Bubble ist. Aber ich glaube, jemand muss es immer schlecht oder zu weit unter der Gürtellinie finden, damit es andere umso besser finden können.
Comedy muss polarisieren?
Schild: Ich zumindest kann gut damit leben, wenn jemand sagt, da sei ich nun zu weit gegangen, das hätte er oder sie nicht gemacht. Auf Leute, die etwas nicht verstehen oder nicht kapieren wollen, kann man keine Rücksicht nehmen.
Muss Comedy wehtun?
Schild: Es muss immer etwas wehtun. Einfach nicht uns.
Giacobbo: Das ist unser Running Gag.
Schild: Im Ernst: In meinem Bühnenprogramm gibt es sicher Nummern, die etwas gewagt sind. Ich hoffe, dass dies auch das ist, was man von mir erwartet. Wenn ich in meinem Programm einen älteren Mann spiele, der mit dem Flugzeug aus Thailand in die Schweiz zurückkehrt, wo er eine «Freundin» besucht hat, dann drücke ich damit alle Knöpfe: Er ist offenbar ein Sextourist. Und als solcher ist er sehr weit weg von meinen ethisch-moralischen Vorstellungen.
Aber dennoch spielen Sie ihn?
Schild: Ja, weil es solche Leute in unserer Welt gibt. Diese Typen glauben, ihnen stehe es zu, ein Sexgrüsel zu sein. Da muss man dem Publikum schon die Mündigkeit zusprechen, dass es versteht, dass ich nun Witze dazu mache. Und nicht, dass ich Sextouristen gut finde.
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Aber viele verlangen von der Komik, dass sie entschieden Position bezieht und für Gerechtigkeit sorgt. Sie, Cedric Schild, haben das immer wieder gemacht, wenn Sie zum Beispiel in einem Video einen Vermieter gestellt haben, der Wohnungen gegen Sex anbot. Oder eben nun die Enkeltrickbetrüger, die Sie der Polizei überstellen.
Schild: Ich persönlich finde es natürlich immer schön, wenn ein Inhalt eine Message hat. Aber ehrlich gesagt habe ich auch nichts gegen einen flachen Witz.
Man hat das Gefühl, Ihnen gelingt alles: die SRF-Serie «Tschugger», in der Sie sich als Polizeipraktikant Smetterling in die Herzen des Publikums gespielt haben, in den eigenständigen Youtube-Formaten – und nun noch die Bühne. Ist es Ihr Ziel, der Schweizer Überkomiker zu werden, der Film, Bühne und Youtube beherrscht wie kein Zweiter?
Schild: Nein, alles steht und fällt mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeiten darf.
Neben Viktor Giacobbo als Regisseur gibt es noch weitere Leute um Sie herum, die Ihnen bei Ihrem Bühnenstück helfen?
Schild: Ja, allein ist das gar nicht möglich. Auch wenn es am Ende einer ist, der die Idee nach aussen transportiert, sie erzählt und ihr Gesicht ist, steht dahinter immer ein ganzes Team. So ist das bei meinen Onlineformaten. So war es bei «Tschugger». Und so ist das nun auch bei meinem Bühnenprogramm: Da gibt es viele Leute, die Zeit investieren, die mit mir zusammen geschrieben haben, die Technik machen, Animationen, die Tourplanung oder – wie Viktor – nun die Regie.
Da kann ja eigentlich gar nichts mehr schieflaufen: Die Vorstellungen Ihres Bühnenprogramms waren schon nach kürzester Zeit ausverkauft.
Schild: Trotzdem habe ich natürlich die Hosen voll.
Giacobbo: Das zeichnet Cedi auch aus. Mit seinen Hunderttausenden Followerinnen und Followern könnte er ja sagen: «Ich weiss, wie es funktioniert, ich werde so oder so Erfolg haben, wenn mir nichts einfällt, improvisiere ich halt.» Aber Cedi ist da anders. Eine der ersten Fragen, die er mir gestellt hat, war: «Hast du auch Lampenfieber?»
Und?
Giacobbo: Selbstverständlich habe ich das – und zwar noch vor jeder Premiere. Das hält sich bei allen, die professionell auf die Bühne gehen. Ein bisschen Adrenalin ist immer nötig für die innere Spannung, wenn man auf die Bühne geht.
Schild: Ich habe immer noch Respekt.
Giacobbo: Du bist aber auch gopfertami fleissig: Ich habe noch mit niemandem gearbeitet, der den Text schon bei der ersten Probe so drin gehabt hat wie Cedi und immer noch flexibel für Änderungsvorschläge ist. Das macht Spass, so zu arbeiten.
Die Arbeit am Bühnenprogramm als empfehlenswerte Übung in Sachen Bescheidenheit?
Schild: Mich interessiert vor allem die Interaktion mit dem Publikum. Ich will erleben, wie die Zuschauerinnen und Zuschauer reagieren, wenn ich sie als Figur anspreche. Das interessiert mich auch, wenn wir den Enkeltrickbetrüger-Film erstmals in einem Kino zeigen: Ich will die Reaktionen des Publikums erleben, wenn es unseren Film das erste Mal sieht. Online ist das nicht möglich. Und schon gar nicht mit Hunderttausenden Menschen. Man muss also runterskalieren. Darum Säle, in denen nur ein paar Hundert Menschen Platz haben.
Hatten Sie mal Probleme mit Grössenwahn, Herr Giacobbo?
Giacobbo: Nein, aber ich kenne das mit dem Runterskalieren. Da bin ich wahnsinnig gut darin. Eigentlich bin ich schon seit sehr vielen Jahren damit beschäftigt.
Wie meinen Sie das?
Giacobbo: Runterskalieren ist einfach der schönere Ausdruck dafür, dass man alt wird. Ich wusste gar nicht, dass Cedi dieses Wort kennt.
Schild: Ich kenne noch viel mehr Wörter – und einige neue habe ich bei der Arbeit am Bühnenstück von dir gelernt. Zum Beispiel das Wort «Edeldirne».
Giacobbo: Das ist ein Prä-Boomer-Fachausdruck. Ich frage mich gerade, warum ich das mit diesem Wahnsinnigen hier überhaupt mache.
Schild: Du hast es ja am Anfang unseres Gesprächs selbst gesagt: Das hat finanzielle Gründe.
Giacobbo: Ja, aber ich habe ja noch gar nichts bezahlt bekommen.
Schild: Warum bist du dann heute überhaupt gekommen?
Giacobbo: Das wüsstest du, wenn du das Kleingedruckte gelesen hättest.
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