Schäden an der Infrastruktur Energie, Internet, Verkehr – was in der Ukraine zerstört ist und was noch funktioniert
Neben dem Kachowka-Staudamm sind weitere Teile der ukrainischen zivilen Infrastruktur ausser Betrieb. Insgesamt hat sich das Land aber als relativ widerstandsfähig erwiesen.
Das russische Militär versucht, nicht nur die ukrainischen Streitkräfte mit Bomben und Raketen zu bezwingen. Vor allem im Winter wurde immer wieder auch die zivile Infrastruktur zum Ziel von Luftangriffen. Laut der ukrainischen Regierung sind seit Oktober 2022 mehr als 1500 Raketen und Drohnen auf Kraftwerke, Umspannwerke und andere wichtige Einrichtungen für die Energieversorgung abgefeuert worden, mehr als 100 davon konnten nicht abgefangen werden. Besonders in der Frühphase des Krieges sind zudem auch Gleise und Bahnhöfe angegriffen worden. Die Ukraine hat sich gegenüber diesen Attacken stets als resilient erwiesen, die Schäden und Ausfälle in allen Bereichen der Infrastruktur sind dennoch beträchtlich. (Alle News zum zerstörten Staudamm im News-Ticker.)
Strom
Laut einem Bericht der Vereinten Nationen und der Weltbank von März 2023 ist die Stromproduktion in der Ukraine um 61 Prozent zurückgegangen – als Resultat der Angriffe. Von 36 Gigawatt fiel sie auf knapp 14. Strom, der in den von Russland besetzten Gebieten produziert wird, würde auch nicht mehr in das nationale Netz der Ukraine eingespeist werden. Ausserdem sollen 41 von 94 Transformatorstationen zerstört oder beschädigt sein, was auch die Stromverteilung zwischen dem Osten und dem Westen der Ukraine erschwere.
Die Versorgung ist deshalb insgesamt stark beeinträchtigt, im Winter wurde der Strom in manchen Regionen immer wieder kontrolliert abgeschaltet. Teilweise ist deshalb auch die Wasserversorgung unterbrochen gewesen. Viele Ukrainer versorgten sich selbst über Generatoren mit Strom. Inzwischen scheint das Energienetz wieder relativ stabil zu sein. Um die Stromversorgung für den kommenden Winter fitzumachen, sollen aber Investitionen von einer Milliarde US-Dollar nötig sein. Mittelfristig soll eine effizientere Energienutzung gefördert und langfristig die Infrastruktur auf erneuerbare Energien umgestellt sowie dezentralisiert werden. Das würde dann auch mögliche Angriffe erschweren.
Gas, Heizung, Benzin
Auch die Gas- und Wärmeversorgung ist von den russischen Angriffen stark beeinträchtigt worden. Von 16 Heizkraftwerken sollen im Frühjahr 11 beschädigt und nicht einsatzbereit gewesen sein. Manche Kraftwerke produzieren sowohl Strom als auch Wärme. Die Schäden sollen auch hier mehrere Milliarden US-Dollar betragen. Gaspipelines wurden ebenfalls getroffen, aber wohl bereits teilweise wieder repariert. Auch die Gasverteilerstationen sollen grösstenteils noch einsatzbereit und in Betrieb sein. Für den kommenden Winter wird es aber wahrscheinlich nötig sein, einen Überschuss an Produktionskapazitäten bereitzuhalten, um mögliche Angriffe auf die Infrastruktur kompensieren zu können. Obwohl auch Tankstellen und Treibstoffdepots getroffen wurden, konnte ein im vergangenen Jahr drohender Benzinmangel bislang abgewendet werden.
Internet
Wegen der Stromausfälle ist auch das Internet in Teilen der Ukraine immer wieder ausgefallen. Anders als erwartet erweisen sich die Telekommunikationskanäle trotz des Krieges aber insgesamt als relativ stabil, was wohl auch damit zu tun hat, dass die russische Armee ebenfalls teilweise auf das Telefonnetz angewiesen ist. Die oft nicht ganz verlässliche Internetverbindung hat aber wahrscheinlich weiter zur Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte beigetragen und laut dem Bericht der Weltbank durch verzögerte Banktransfers zu wirtschaftlichem Stillstand geführt. Viele Ukrainer halfen sich aber auch beim Thema Internet selbst: Der satellitengestützte Internetzugang Starlink, den Elon Musks Firma Spacex anbietet, wird in der Ukraine von Unternehmen und von der Armee genutzt.
Verkehr
Der Verkehr in der Ukraine ist in Teilen ebenfalls stark beeinträchtigt. Flugreisen aus und in das Land sind nach wie vor nicht möglich, einerseits wegen der anhaltenden russischen Luftangriffe, andererseits weil einige der Flughäfen bei Kämpfen beschädigt wurden. Exporte über das Meer finden praktisch nur noch wegen des Getreideabkommens statt, das die Ausfuhr von Lebensmitteln über das Schwarze Meer mit Kontrollen in Istanbul gewährleistet.
Das Strassennetz ist dafür grösstenteils benutzbar, in den ehemals besetzten Gebieten kam es in der Vergangenheit aber vereinzelt zu Unfällen mit Minen. Gemäss Schätzungen könnte es Jahrzehnte dauern, die von den Kriegsparteien ausgelegten Minen zu entschärfen. Trotz Angriffen auf das Schienennetz gilt der Zugverkehr in der Ukraine als sehr verlässlich. Auch die Armee nutzt das weitverzweigte Schienennetz intensiv. Nach wie vor verkehren oft mehrmals täglich Züge zwischen ukrainischen Städten und auch ins Ausland, wie nach Polen, von wo aus es direkte Verbindungen nach Kiew gibt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.