Corona-Session in BernDividendenverbot bei Kurzarbeit ist vom Tisch
Der Ständerat lehnte eine Motion der Grossen Kammer für ein solches Verbot ab. Wir berichteten laufend von der ausserordentlichen Session.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Schweizer Parlament tagte ausserhalb des Bundeshauses in einer Sondersession.
- Diese war ausschliesslich der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet.
- Die Sondersession fand in den Hallen der Berner Messe statt.
- Die Frühlingssession war am 15. März kurz vor der Ausrufung der «ausserordentlichen Lage» abgebrochen worden.
- National- und Ständerat bereinigten am dritten Tag der Session die letzten Differenzen zu den Milliardenkrediten zur Bewältigung der Krise.
- Das Parlament fand keinen Kompromiss beim Umgang mit Geschäftsmieten gefunden.
- Der Ständerat lehnte am Mittwoch eine Motion des Nationalrats für ein Dividendenverbot bei Firmen, die Kurzarbeitsentschädigung beziehen, klar ab.
Ständerat will Bundeshilfe für Kitas
Kitas sollen mit Geld aus der Bundeskasse unterstützt werden. Das verlangt der Ständerat. Er hat eine Motion seiner Bildungskommission angenommen. Der Nationalrat hat bereits einen Kredit von 100 Millionen Franken bewilligt.
Die gesetzliche Grundlage dazu hat die grosse Kammer noch nicht verabschiedet. Das soll am Dienstag erfolgen. Die vorberatende Kommission will dafür die bereits bewilligten 100 Millionen Franken einsetzen. Die Kantone sollen sich mit dem gleichen Betrag beteiligen.
Der Ständerat fordert mit seiner Motion, dass sich der Bund mit 33 Prozent an den Unterstützungsmassnahmen der Kantone für die familienergänzende Kinderbetreuung beteiligt. Seine Finanzkommission beantragt Kredite in Höhe von 65 Millionen Franken. Das Geschäft ist für Dienstag traktandiert.
Der Bundesrat hat zwar über Corona-Nothilfe für Kitas diskutiert, eine Mehrheit fand sich dafür im Gremium aber nicht. Kantone und Gemeinden seien zuständig, argumentierte Finanzminister Ueli Maurer.
Ständerat will keine Dunkelkammer sein
Anders als im Bundeshaus ist das Stimmverhalten im Ständerat während der ausserordentlichen Session auf dem Bernexpo-Gelände namentlich nicht ersichtlich. Der Grund: Es fehlt eine elektronische Anzeigetafel.
Damit die Parlamentarier auch in der Bernexpo per Knopfdruck abstimmen können, hat das Parlament mobile Anlagen gemietet. Aber diese haben ein grosses Manko: Es gibt keine Anzeigetafeln, auf denen – wie im Bundeshaus – grüne und rote Punkte anzeigen, wer wie stimmt. Weil im Geschäftsreglement des Ständerats aber eine solche Anzeigetafel vorgeschrieben ist, wollte das Ratsbüro den entsprechenden Paragrafen kurzerhand streichen.
Aufgeschreckt durch einen Artikel in den Tamedia-Titeln standen gestern zwei Korrektur-Vorschläge im Raum: Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann plädierte dafür, die Namenslisten bei allen Abstimmungen zu veröffentlichen. Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch wollte auf ein ähnliches Abstimmungsprozedere zurückgreifen, wie es der Ständerat bis 2014 praktizierte: Per Aufstehen sollen die Mitglieder der Kleinen Kammer ihre Meinung kundtun. Lediglich wenn 10 Ständeräte dies explizit verlangen, sollen solche Abstimmungen unter Namensaufruf erfolgen.Das Büro des Ständerates war sich offensichtlich bewusst, dass sie mit der Streichung einen Fehler gemacht hatten. Alex Kuprecht (SVP) zog im Namen des Büros den Antrag zurück.
Das Rad der Zeit zurückgedreht
Nach einer kurzen Debatte entschied sich der Rat, das Rad der Zeit zumindest für die Dauer der ausserordentlichen Lage zurückzudrehen. Der Vorschlag von Jositsch, per Aufstehen sein Stimmverhalten zu dokumentieren, wurde von 25 Ratsmitgliedern gutgeheissen. Die Publikation sämtlicher Namenslisten fand 20 Unterstützer.
Bereits im Vorfeld des Entscheids hatte sich abgezeichnet, dass der Ständerat den Vorschlag seines Büros korrigieren würde. So nahm Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP) in seiner Eintrittsrede Bezug auf das Abstimmungsverhalten, wenn auch verklausuliert: «Der Ständerat ist die Kleine Kammer und keine Dunkelkammer.» SP-Präsident Christian Levrat wurde schon deutlicher und sprach am Montagmorgen von einem «Patzer» und CVP-Ständerätin Andrea Gmür twitterte, dass sie nicht davon ausgehe, dass jemand gegen eine Korrektur opponiere. (gr)
Medien sollen Unterstützung erhalten
Der Ständerat will in der Corona-Krise die Medien unterstützen. Er fordert mit zwei Motionen unentgeltliche Agenturmeldungen, kostenlose oder vergünstigte Zeitungszustellung und Nothilfe von 30 Millionen Franken für regionale Radio- und TV-Stationen.
Der Ständerat unterstützte dazu zwei Motionen seiner Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF). Die Medien übernähmen in der Krise eine unersetzbare Funktion, hatte diese argumentiert. Wegen Covid-19 sei die Nachfrage nach Medien-Angeboten gestiegen. Gleichzeitig seien aber die Werbeerlöse um 60 bis 95 Prozent eingebrochen.
Gelungener Einsatz der Armee
Der Ständerat stellt sich oppositionslos hinter den Armeeeinsatz während der Corona-Pandemie. Er hat am Montag den Assistenzdienst für bis zu 8000 Armeeangehörige bis höchstens Ende Juni nachträglich gutgeheissen.
Der Armeeeinsatz ist vom Bundesrat im März angeordnet worden, muss jedoch nachträglich vom Parlament genehmigt werden. Die Zustimmung der Räte ist nötig, wenn mehr als 2000 Armeeangehörige aufgeboten werden und der Einsatz über drei Wochen dauert. Der Ständerat gab als Erstrat mit 42 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung grünes Licht.
Nicht umstritten
In der vorberatenden Kommission war der Einsatz nicht umstritten. Die sicherheitspolitische Kommission (SiK) unterstützte auch den Vorschlag des Bundesrates, den Dienstleistenden bis zu zwei Wiederholungskurse als Dienstzeit anzurechnen und ihnen für die ganze Einsatzzeit den Lohn vollständig abzugelten.
Als «grösste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg» hatte Verteidigungsministerin Viola Amherd den Armeeeinsatz für den Kampf gegen Covid-19 angekündigt. Vorgesehen waren die Armeeangehörigen für subsidiäre Einsätze, auf Ersuchen der Kantone.
Bis Mitte April waren 5000 Armeeangehörige aufgeboten worden, die meisten von ihnen sind im Sanitätsdienst, weitere auch beim Grenzwachtkorps im Einsatz. Aktuell träfen keine neuen Gesuche mehr ein, berichtete Bundesrätin Viola Amherd im Ständerat. 1800 Armeeangehörige seien mittlerweile wieder entlassen worden.
Die Entlassenen müssten aber innerhalb von 24 bis 48 Stunden wieder einrücken können, sagte Amherd. Das sei eine Vorsichtsmassnahme für eine allfällige zweite Covid-19-Welle. Die Armee sei vorsorglich aufgeboten worden, um Situationen, wie man sie beispielsweise in Italien gesehen habe, zu verhindern.
Maurer: «Das wird uns noch etwas kosten»
Um Stellen zu retten, hat der Bundesrat den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgeweitet. Inzwischen wurde für über ein Drittel der Beschäftigten ein Gesuch eingereicht. Die vom Bundesrat beantragten 6 Milliarden Franken dürften nicht reichen.
Das Geld geht an den Fonds der Arbeitslosenversicherung (ALV). Das sei eine Sofortmassnahme, damit die ALV liquide bleibe, sagte Finanzminister Ueli Maurer am Montag im Nationalrat. Der Bundesrat habe zudem beschlossen, dass sich die Versicherung mit 8 Milliarden Franken verschulden könne.
Die Gesuche steigen weiter
Laut Maurer genügt das nicht. Er schätzt, dass weitere 15 Milliarden bis 18 Milliarden Franken nötig sein werden. Die Zahl der Kurzarbeitsgesuche steige weiter. «Das wird uns noch etwas kosten», sagte Maurer.
Die vom Bundesrat beantragten 6 Milliarden Franken blieben unbestritten. Eine Erhöhung lehnte der Nationalrat mit 124 zu 54 Stimmen bei 16 Enthaltungen ab. Die Grüne Stefania Prezioso Batou (GE) hatte beantragt, den Betrag um 5 Milliarden Franken auf 11 Milliarden aufzustocken.
Damit sollte der volle Lohn bezahlt werden können. Viele Arbeitnehmende lebten schon damit in prekären Verhältnissen, argumentierte Prezioso Batou. Als Kurzarbeitsentschädigung oder Taggeld werden in der Regel lediglich 80 Prozent ausgezahlt.
Der Bundesrat hatte den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung per Notrecht ausgeweitet, um möglichst viele Stellen über den Lockdown hinweg zu retten. Unter anderem wurde die Karenzfrist aufgehoben. Zudem haben auch Arbeitnehmende in befristeten Arbeitsverhältnissen oder in Temporärarbeit, Lehrlinge sowie Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung Anspruch.
Ja zu Überbrückungskrediten
Keinen Widerstand gab es im Nationalrat auch gegen die 40 Milliarden Franken, die der Bundesrat für Überbrückungskredite beantragt hatte. Der Bund verbürgt Kredite bis 500'000 Franken zu 100 Prozent, solche bis 20 Millionen Franken zu 85 Prozent. 30 Milliarden davon hat die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (FinDel) als Vorschuss bewilligt.
Die ausserordentliche Session, die am Montagmorgen in der Berner Messe Bernexpo begonnen hat, ist ausschliesslich der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet. Es geht um Kredite von über 57 Milliarden Franken.
Bisher hat der Nationalrat allen Anträgen des Bundesrats zugestimmt. Zusätzlich bewilligte er 100 Millionen Franken zur Unterstützung von Kitas. Die Session findet in der Berner Messe Bernexpo statt, weil im Parlamentsgebäude die Distanzregeln nicht eingehalten werden könnten.
Keinen Zusammenhang mit der Corona-Krise hat ein Kredit von 28,45 Millionen Franken, den der Nationalrat ebenfalls genehmigte. Damit werden Bürgschaften für Schweizer Hochseeschiffe gedeckt. Die SVP beantragte vergebens, den Betrag zu streichen, um ein Zeichen zusetzen.
Selbstkritische kleine Kammer
Wie im Nationalrat hat auch der Ständerat den Bundesrat gelobt für die bisherige Politik in der Corona-Krise, und er hat Selbstkritik geübt. In der Krisenzeit sei das Parlament zu lange nicht handlungsfähig gewesen, kritisierten mehrere Votanten.
Den Corona-bedingten Abbruch der März-Session bedauerten mehrere Redner. «Der Hals-über-Kopf-Abbruch war keine Sternstunde der Parlamentsgeschichte», monierte Paul Rechsteiner (SP/SG). «Der Abbruch war ein Irrtum», doppelte Christian Levrat (SP/FR) nach.
«In unseren Rechten beschnitten»
«Das Parlament hat sich selbst aus dem Spiel genommen und wir uns in unseren Rechten beschnitten», fügte Beat Rieder (CVP/VS) hinzu. Ein Parlament sollte in Krisenzeiten nahtlos funktionieren. Beim Ausstieg müsse das Parlament seine Verantwortung voll tragen, auch wenn der Bundesrat seine Entscheide in guten Treuen getroffen habe.
Gelobt wurde dabei der Bundesrat. «In der Krise will jeder, dass jemand anders die Probleme löst. Sie sind hingestanden, haben die Verantwortung übernommen und durch die Krise geführt», wandte sich Daniel Jositsch (SP/ZH) an die im Rat anwesende Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga.
Lob kam auch von Hannes Germann (SVP/SH). Die 26 Notverordnungen und 13 Revisionen zeigten, dass der Staat in der Krise funktioniert habe. Die 39 Kommissionsvorstösse machten aber deutlich, wie gross der Handlungsbedarf nach wie vor sei, sagte er.
Mit dem Antrag auf eine ausserordentliche Session hätten 32 Ratsmitglieder die Möglichkeit schaffen wollen, eigenes Notrecht zu schaffen, führte Pirmin Bischof (CVP/SO) aus. Die Kommissionen hätten nun einen Mittelweg gewählt, in dem sie mit Briefen an den Bundesrat Einfluss genommen und Kommissionsmotionen eingereicht hätten.
Verhältnismässigkeit im Fokus
Doch auch die Verhältnismässigkeit der Massnahmen gegen das Virus wurde angesprochen. Ruedi Noser (FDP/ZH) gab zu bedenken, ein gutes Leben in Freiheit und Würde schliesse zwar die Gesundheit ein. Doch Gesundheit dürfe nicht einziges Ziel staatlichen Handelns sein.
Das Einschränken der persönlichen Freiheit, der Wirtschaftsfreiheit oder der Versammlungsfreiheit müsse sich immer an der Frage messen lassen, ob sie geeignet und erforderlich sei, das gewünschte Ziel zu erreichen, sagte Stefan Engler (CVP/GR). Peter Hegglin (CVP/ZG) forderte, mit weiteren Lockerungen nicht bis Juni zuzuwarten, etwa für die Bergbahnen.
Heidi Z'graggen (CVP/UR) fragte: «Ist das geltende Epidemiengesetz überhaupt geeignet, um künftigen Gefahren zu begegnen?» Den Kantonen kämen in ausserordentlichen Lagen nur Vollzugsaufgaben zu, was nicht immer befriedigend sei. Zudem solle der Bundesrat offenlegen, wie er bei einem weiteren Anstieg der Corona-Fälle zu handeln gedenke.
«Wir können uns einen weiteren Lockdown nicht mehr leisten», konstatierte Martin Schmid (FDP/GR). Gefragt seien alternative Lösungsansätze. Es stelle sich die Frage, ob Bund und Kantone die richtigen Schlüsse aus der Pandemieübung in den Jahren 2008 und 2014 gezogen hätten.
«Beleidigende Bemerkungen»
Lisa Mazzone (Grüne/GE) berichtete von Bemerkungen in der Öffentlichkeit, die «für die lateinische Schweiz beleidigend waren». Nicht alle hätten begriffen, dass die Westschweiz und das Tessin ungleich stärker vom Virus betroffen seien, sagte sie. Um den besonders Betroffenen zu helfen, brauche es die Solidarität aller.
Für die Zukunft stellte auch Marina Carobbio Guscetti (SP/TI) die Solidarität ins Zentrum. Sie forderte ein Programm gegen Armut. Dem Bundesrat dankte sie für das Krisenfenster für das Tessin. Damit habe es der Bundesrat ihrem stark betroffenen Kanton ermöglicht, mit strengeren Massnahmen die Ansteckungszahlen zu senken.
Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU) forderte ein Umdenken in der Gesellschaft: mehr Eigenverantwortung, Bescheidenheit, Rücksicht auf andere und Bereitschaft zum Sparen. Es gelte nun, den zweiten Sturm zu verhindern und gleichzeitig aufzuräumen.
Schnelle Lösungen gefordert
Für die Sozialwerke und die Klimapolitik müssten nun schnelle Lösungen her, verlangte Damian Müller (FDP/LU). «Immer schneller, höher und weiter kann nicht das Rezept der Zukunft sein.» – «Die Auswirkungen der Klimakrise sind x-fach grösser und haben langfristig x-fach massivere Auswirkungen» als das Coronavirus, sagte auch Daniel Jositsch.
Germann und sein Fraktionskollege Alex Kuprecht (SZ) mahnten, bei den Ausgaben Mass zu halten. Die Schweiz habe in den nächsten Jahren genug Schulden abzuzahlen, deshalb müssten weitere Mehrausgaben genau angeschaut werden, sagte Germann. Kuprecht fürchtete, dass Spar- und Entlastungsprogramme unausweichlich sein würden.
Nationalrat lehnt Kürzung von Corona-Krediten ab
Der Nationalrat ist dagegen, das Budget für den Einkauf von Sanitätsmaterial zu kürzen. Er hat einen Antrag der SVP mit dieser Forderung am Montag mit 136 zu 57 Stimmen abgelehnt.
Insgesamt beantragt der Bundesrat zur Bewältigung der Corona-Krise mehr als 57 Milliarden Franken. Für die Beschaffung von Masken, Beatmungsgeräten, Medikamenten, Impfstoff und weiterem Sanitätsmaterial budgetiert er total 2,590 Milliarden Franken
Die SVP wollte diesen Kredit um rund 600 Millionen Franken kürzen, dafür aber gleich grosse Stückzahlen beschaffen. Die Berechnungen seien mit massiv überhöhten Preisen angestellt worden, sagte Fraktionssprecher Franz Grüter (LU). Für die Hygienemasken zum Beispiel rechne die Armeeapotheke mit 1,30 Franken pro Maske. Das sei mindestens das Doppelte des Marktpreises – sogar für Schweizer Produkte. «Wir können das Geld für anderes brauchen», sagte Grüter.
Bestmöglicher Preis
Die übrigen Fraktionen sprachen sich allesamt für einen wirtschaftlichen Einsatz der Mittel aus. Von einer Kürzung wollten sie aber nichts wissen. Das Material koste so viel, wie es im Moment der Beschaffung eben koste, sagte SP-Sprecherin Barbara Gysi (SG). Mitte-Sprecher Alois Gmür (CVP/SZ) zeigte sich überzeugt, dass die Armeeapotheke das Material zu den bestmöglichen Preisen einkauft.
Finanzminister Ueli Maurer erinnerte daran, dass der Bund an das Beschaffungsrecht gebunden sei. Die Preise liessen sich nicht vergleichen. Zudem gebe es wahrscheinlich Unterschiede in der Qualität. Maurer kündigte aber an, die Preisunterschiede unter die Lupe zu nehmen.
Sport benötigt wohl mehr Hilfe
Die SVP ist bereits mit Anträgen gescheitert, die Nothilfe im Kulturbereich zu kürzen. Auch beim Budget für die ausserordentliche Session will der Nationalrat keine Abstriche machen.
Die Nothilfe für den Sport im Umfang von 100 Millionen Franken blieb unbestritten. Maurer kündigte an, dass möglicherweise weitere Mittel nötig sind, weil im Sommer alle Grossveranstaltungen ausfallen. Stillschweigend genehmigte der Nationalrat zudem 23,4 Millionen für den Einsatz des Zivilschutzes.
Die ausserordentliche Session, die am Montagmorgen in der Berner Messe Bernexpo begonnen hat, ist ausschliesslich der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet. Es geht um Kredite von über 57 Milliarden Franken. Die Session findet in der Berner Messe Bernexpo statt, weil im Parlamentsgebäude die Distanzregeln nicht eingehalten werden könnten.
100 Millionen für die Kitas
Im Gegensatz zum Bundesrat will der Nationalrat die Kitas in der Krise unterstützen. Er hat am Montag 100 Millionen Franken dafür bewilligt.
Der Bundesrat hat zwar über Corona-Nothilfe für Kitas diskutiert, eine Mehrheit fand sich dafür im Gremium aber nicht. Kantone und Gemeinden seien zuständig, argumentierte Finanzminister Ueli Maurer. Die Bildungskommissionen beider Räte sehen das anders. Beide reichten Motionen ein, die Bundeshilfe für die familienergänzende Kinderbetreuung verlangen.
Die Räte habe noch nicht über die Vorstösse entschieden, die Finanzkommissionen beider Räte haben aber bereits entsprechende Kreditanträge gestellt. Der Nationalrat sprach sich mit 130 zu 60 Stimmen für die Unterstützung über 100 Millionen Franken aus.
Die Aufbauarbeit der vergangenen Jahre in der familienergänzenden Kinderbetreuung dürfe nicht zunichte gemacht werden, sagten die Sprecher von SP- und FDP-Fraktion übereinstimmend. Mitte-Sprecher Jean-Paul Gschwind (JU) erinnerte daran, dass Kitas den Betrieb hätten aufrechterhalten müssen, obwohl die meisten Kinder zu Hause geblieben seien.
SVP gegen Kita-Gelder
Gegen die Unterstützung für Kitas sprach sich die SVP aus. Für die Kinderbetreuung seien die Kantone zuständig, sagte Fraktionssprecher Lars Guggisberg (BE). Der Bund leiste seit Jahren Anschubfinanzierung, auch die Kantone unterstützten Kitas mit Millionen. Diese profitierten in der Krise zudem von Kurzarbeitsentschädigungen und Überbrückungskrediten. Eine weitergehende Beteiligung des Bundes sei nicht angemessen.
Der Ständerat entscheidet noch am Montag über die Motion seiner Bildungskommission. Der von seiner Finanzkommission beantragte Kredit von 65 Millionen Franken ist für Dienstag traktandiert.
Nationalrat unterstützt Nothilfe
Der Nationalrat hat am Nachmittag die Debatte über die Kredite zur Bewältigung der Corona-Krise aufgenommen. Es geht um mehr als 57 Milliarden Franken. In der grossen Kammer wird die vom Bundesrat beschlossene Nothilfe breit unterstützt.
Noch nie habe das Parlament so hohe Kredite gesprochen wie nun der Nationalrat, sagte Kommissionssprecherin Céline Widmer (SP/ZH), an der ausserordentlichen Session in Bern. «Wir tragen eine grosse Verantwortung», sagte sie.
Ein Programm wie dieses habe es noch nie gegeben, sagte Finanzminister Ueli Maurer. Und doch sei es erst ein erster Schritt, wahrscheinlich würden weitere Massnahmen nötig. So könnte die Arbeitslosenversicherung bis zu 18 Milliarden Franken zusätzlich benötigen. Das Defizit könnte 30 bis 50 Milliarden Franken betragen.
«Die Krise wird uns noch lange beschäftigen»
Es stelle sich die Frage, wie das bezahlt werde. Laut Maurer würden unter dem heutigen Finanzhaushalts-Regime bis zu 10 Milliarden Franken pro Jahr fehlen. «Die Krise wird das Parlament noch lange beschäftigen», sagte der Finanzminister.
Der Bundesrat beantragt dem Parlament 40 Milliarden Franken, um Überbrückungskredite für KMU in Liquiditätsschwierigkeiten abzusichern. 6 Milliarden Franken sind für Kurzarbeitsentschädigung, 5,3 Milliarden Franken für Erwerbsersatz und knapp 2,6 Milliarden Franken für die Beschaffung von Sanitätsmaterial vorgesehen. Mit 1,875 Milliarden soll die Luftfahrt unterstützt werden, daneben ist Nothilfe für Sport und Kultur vorgesehen.
«Historische Dimensionen»
Franz Grüter (SVP/LU) sprach von «historischen Dimensionen». Es sei gelungen, die gröbsten wirtschaftlichen Verwerfungen zu verhindern. Die langfristigen Folgen bekomme die Schweiz aber erst später zu spüren. Grüter befürchtet ein Defizit von bis zu 50 Milliarden Franken und hohe Steuerausfälle.
In dieser speziellen Lage bleibe eine zurückhaltende Finanzpolitik wichtig. Nur deshalb könne die Schweiz so rasch so viel Geld ausgeben. Die SVP will bei der Kultur und dem Sanitätsmaterial kürzen, Bundeshilfe für Kitas lehnt sie ab. «Steuergeld ausgeben ist beliebt – vor allem, weil es nicht das eigene ist», sagte Lars Guggisberg (SVP/BE). Überbordende Kreditanträge müssten gestoppt werden.
Hier sehen Sie den Live-Stream aus dem Nationalrat:
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Es gebe keinen Widerspruch zwischen Gesundheit und Wirtschaft, sagte FDP-Sprecher Jacques Bourgeois (FR). Die gesundheitspolitischen Massnahmen hätten aber schwere wirtschaftliche Folgen verursacht. «Der Wirtschaftsmotor der Schweiz muss nun wieder anlaufen.» Bourgeois warnte, dass der Bund in den nächsten Jahren mit erheblichen Defiziten rechnen müsse. Die Schuldenbremse dürfe aber auf keinen Fall in Frage gestellt werden.
Dividendenverbot bei Kurzarbeit
Die Mitte-Fraktion begrüsst die vom Bundesrat ergriffenen Massnahmen, sieht aber Handlungsbedarf bei den Überbrückungskrediten für KMU. Die Ausfälle müssten unter einer Milliarde Franken gehalten werden, forderte Alois Gmür (CVP/SZ). Staatsgelder dürften aber nicht dafür verwendet werden, überholte Strukturen am Leben zu erhalten, sagte Heinz Siegenthaler (BDP/BE). Die Mitte plädiert auch dafür, die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung mit einem Dividendenverbot zu verknüpfen.
GLP-Sprecher Roland Fischer (LU) stellte sich hinter die Intervention des Bundesrats. «Die Staatsausgaben, die wir heute nicht tätigen, werden uns morgen bei den Steuereinnahmen fehlen», sagte er. Die Schweiz könne sich das dank der tiefen Verschuldung leisten. Ob sich die Schuldenbremse auch in der Krise bewährt, muss sich laut Fischer erst noch zeigen.
Wirtschaft in der Pflicht
Die SP sieht die Wirtschaft in der Pflicht: Unternehmen, die von Bundesgarantien profitierten, hätten eine Verantwortung für ihre Angestellten, sagte Ursula Schneider Schüttel (FR). «Wir dürfen nicht einerseits Milliarden in die Wirtschaft stecken und andererseits jene vergessen, die in der Corona-Krise am meisten leisten und riskieren.» Schneider Schüttel warnte auch davor, auf die hohen Kosten und zu erwartenden Mindereinnahmen mit Sparpaketen zu reagieren.
Auch die Grünen wollen sich laut Gerhard Andrey (FR) für eine «Schuldenbremse mit Augenmass» einsetzen. Sonst würden drastische Kürzungen in vielen Bereichen nötig. Um das zu verhindern, wollen die Grünen auch auf Reserven der Nationalbank zurückgreifen. Zudem gelte es, die Wirtschaft nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen, um für die nächste Krise gewappnet zu sein. Andrey erinnerte zudem daran, dass es neben der Corona-Krise weiterhin auch die Umweltkrise zu bewältigen gelte.
Vorschüsse genehmigt
Einen grossen Teil der beantragten Kredite hat die Finanzdelegation auf Antrag des Bundesrats bereits als Vorschuss genehmigt. Das Gesetz schreibt vor, dass das Parlament die Kredite nachträglich genehmigen muss.
Die ausserordentliche Session, die am Montagmorgen in der Berner Messe Bernexpo begonnen hat, ist ausschliesslich der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet. Neben den Krediten muss das Parlament den Armeeeinsatz genehmigen und rund 40 Vorstösse behandeln. Die Session findet in der Berner Messe Bernexpo statt, weil im Parlamentsgebäude die Distanzregeln nicht eingehalten werden könnten.
Kürzung der Nothilfe für Kultur abgelehnt
Der Nationalrat will die Corona-Nothilfe für die Kultur nicht kürzen. Er hat Anträge der SVP mit der Forderung am Montag klar abgelehnt.
Es handelte sich um einen der ersten Entscheide der ausserordentlichen Session in Bern. Insgesamt geht es um Kredite im Umfang von mehr als 57 Milliarden Franken. 280 Millionen Franken davon hat der Bundesrat für den Kulturbereich beantragt.
100 Millionen Franken sind als Soforthilfe für Kulturunternehmen vorgesehen, 25 Millionen für Kulturschaffende. 145 Millionen Franken will der Bundesrat für Ausfallentschädigungen einsetzen, 10 Millionen Franken für Musik- und Theatervereine im Laienbereich.
SVP fordert Gleichbehandlung
Die SVP beantragte, die Soforthilfe für Kulturschaffende zu streichen und die Ausfallentschädigung um 45 Millionen Franken zu kürzen. Kulturunternehmen und Kulturschaffende müssten in gewissem Ausmass unterstützt werden, sagte Lars Guggisberg SVP/BE). Kulturschaffende müssten aber gleich behandelt werden wie andere Selbständige.
Gegen die Ausfallentschädigung für Kulturunternehmen führte Guggisberg die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen ins Feld. Kulturunternehmen profitierten zudem in vielen Fällen von anderen Unterstützungen. Der Betrag von 145 Millionen sei klar überhöht und stehe zudem in einem klaren Missverhältnis zum Sport.
Ständerat applaudiert Bundesrat für bisherige Arbeit
Der Ständerat hat zu Beginn der ausserordentlichen Session dem Bundesrat für seine Arbeit in den vergangenen Wochen mit einem kurzen Applaus gedankt. «Die per Notrecht ergriffenen Massnahmen haben gegriffen», sagte Ratspräsident Hans Stöckli (SP/BE).
Er zeigte sich erfreut, dass alle 46 Mitglieder des Ständerats den Weg in die Berner Messehallen gefunden haben. Das sei wichtig: «Vor uns liegt eine wahrhaft historische Session», sagte Stöckli. Das Virus habe das Leben aller auf den Kopf gestellt, zuweilen auch etwas lahmgelegt.
Der Berner SP-Ständerat dankte der Bevölkerung, die sich vorbildlich verhalten, sowie dem Personal im Gesundheitswesen, das dem immensen Druck standgehalten habe. «Mein grösster Dank gilt aber dem Bundesrat und der Verwaltung», sagte Stöckli. Die Institutionen hätten Verantwortung übernommen und unter Zeitdruck wichtige Entscheide gefällt.
Nun sei es am Parlament, seinen Auftrag wahrzunehmen, sagte Stöckli. «Bei unserer Arbeit müssen wir die Gesamtinteressen im Auge behalten.» Auch wenn physisch Abstand gehalten werden müsse, geistig arbeite der Ständerat eng zusammen.
Stöckli machte keinen Hehl daraus, dass ihn die Atmosphäre in der Bernexpo nicht aus dem Hocker haut. «Wir werden uns freuen, wenn wir in unser Paradies ins Bundeshaus zurückkehren können.» Das wird aber frühestens im Herbst so weit sein.
Wohl doch keine geheime Abstimmung im Ständerat
SP-Präsident und -Ständerat Christian Levrat (FR) geht davon aus, dass auch der Ständerat an der ausserordentlichen Session auf dem Bernexpo-Gelände offen abstimmen und den «Patzer» korrigieren wird. Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann reichte am Montagvormittag einen Antrag zur Veröffentlichung von Namenslisten bei allen Abstimmungen ein.
Anders als im Bundeshaus ist das Stimmverhalten im Ständerat während der Sondersession auf dem Bernexpo-Gelände namentlich nicht ersichtlich. Der Grund: Es fehlt eine elektronische Anzeigetafel. Der Salzmann reichte allerdings am Montagvormittag einen Antrag zur Veröffentlichung von Namenslisten bei allen Abstimmungen ein.
Das bestätigte Ständeratssekretärin Martina Buol der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Aus technischen Gründen würde sonst bei den Abstimmungen über Milliardenkredite, die der Bundesrat zur Bewältigung der Corona-Krise bereitstellen will, keine Transparenz herrschen.
Zurück zum Handaufheben?
Auch Levrat erklärte im Gespräch mit Keystone-SDA vor Ort, er gehe davon aus, dass der Entscheid zu den Abstimmungen im Ständerat am frühen Nachmittag korrigiert werde. Das sei ein «Patzer» gewesen. Man habe zu spät realisiert, was das bedeute.
Weil es keine elektronische Anzeigetafel gebe, sehe er zwei Möglichkeiten: entweder durch Handaufheben, wie dies jahrzehntelang Usus gewesen sei in der Kleinen Kammer. Man könne dann im Videomitschnitt der Verhandlungen nachschauen, wer wie gestimmt habe; oder durch eine Veröffentlichung der Namenslisten, wie es Salzmann vorschlägt. Das werde allerdings einen oder mehrere Tage dauern.
«Fasch gäbiger» – Räte schildern Eindrücke
Nach rund einer Stunde in der neuen Umgebung schildern drei Nationalräte ihre ersten Eindrücke in der Aussenstation der Eidgenössischen Räte in der Bernexpo. Sie sind sich weitgehend einig: es geht disziplinierter, aber auch distanzierter zu und her.
«Im Bundeshaus ist es oft so laut, dass man am Abend Kopfweh hat», erinnert sich der Basler SP-Nationalrat Beat Jans vor der Tür zur «Riesenhalle» im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Hier sei es viel ruhiger, die Akustik jedoch sei gewöhnungsbedürftig.
Und er spricht ein Paradox an. Man habe zwar sehr viel mehr Platz auf den Pulten, den brauche man jedoch gar nicht, weil praktisch alles online laufe. Der Kontrast zum Bundeshaus mit all den Papierbergen auf den einzelnen viel kleineren Pulten ist offensichtlich. Auch deshalb sei dort die Betriebsamkeit viel grösser, weil ständig Dokumente verteilt würden, so Jans.
Weiter äusserte Jans Befürchtungen, dass die grossen Distanzen dazu führen könnten, dass die Überwindung grösser werde, mit dem politischen Gegner das Gespräch zu suchen.
«Weniger es Glöif»
«Fasch gäbiger» sei es in der Bernexpo, sagt der Berner SVP-Nationalrat Heinz Siegenthaler. Auch er schätzt die grosszügigen Platzverhältnisse. Alles scheine ihm disziplinierter und es gebe weniger «es Glöif». Das Raumklima habe aber noch Luft nach oben, es sei etwas zu warm.
Der Grüne Berner Nationalrat Kilian Baumann hat den Saal kurz verlassen mit dem Smartphone am Ohr, weil ihn die Kita sucht, die sein jüngster Spross seit Montag wieder besuchen darf. Die neuen Umstände seien «sehr gewöhnungsbedürftig», stellt er nach gut einer Stunde im Saal fest. Auch er spricht zuerst von den grösseren Distanzen und den grosszügigeren Platzverhältnissen auf dem Pult.
Es seien insgesamt merkwürdige Umstände, in denen er sich befinde und organisieren müsse. Kommende Woche beginne wieder die Schule. Er und seine Frau haben drei Kinder zu betreuen respektive die Betreuung für die Kinder zu organisieren. «Die Organisation von Mandat, Beruf und Familie ist schwieriger geworden, alles ist zusammengebrochen in den letzten Wochen.»
1 – Ja, 2 – Nein, 3 – Enthaltung
Die Abstimmungen in der Halle finden nicht mit dem gewohnten System im Bundeshaus statt. Deshalb müssen die Parlamentarier ihre Stimmabgabe üben. Dies findet mit einem Abstimmungstest statt. «Das Kästchen hat neun Knöpfe», sagt Nationalratspräsidentin Moret. «Sie brauchen aber nur drei». Die Zahlen stehen für: Ja (1), Nein (2) und Enthaltung (3).
Sommaruga beantwortet Fragen
Nachdem sich alle Fraktionen geäussert haben, stellen Parlamentarier Fragen an Bundespräsidentin Sommaruga. Die erste Frage betrifft die Gottesdienste im Land – in den Kirchen sei ja oft genug Platz vorhanden. Sommaruga entscheidet sich darauf hin, Fragen zu sammeln.
Die Palette der Fragen ist vielseitig: Ob es denn der Ernst der Regierung sei, in der jetzigen Wirtschaftskrise den Firmen mit dem CO2-Gesetz noch mehr Kosten aufzubürden.
Das CO2-Gesetz konnte in der Frühlingssession nicht mehr beraten werden, die im März nach Ausbruch der Pandemie abgebrochen wurde. Sommaruga lädt die Parlamentarier dazu ein, dies nun nachzuholen. Dies, obschon die Sondersession ausschliesslich der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet ist.
Die Emotionen scheinen hochzugehen ob dem Thema. «Die Klimakrise ist auch in der Coronakrise nicht verschwunden», sagt Sommaruga. Es sei kein Widerspruch mit den Bestrebungen, die Wirtschaft aus der Krise zu führen, antwortet sie auf Kritik. Denn gerade Investitionen in nachhaltige Technologien kämen der Wirtschaft zu gute.
Zusammenfassung
Mit einer Erklärung des Bundesrates hat sich Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zum Beginn der ausserordentlichen Session an den Nationalrat gewandt. «Heute sind Sie wieder voll in der Verantwortung», sagte sie.
Die Pandemie habe das Parlament auf die Zuschauerränge verdrängt, und der Bundesrat habe gezwungenermassen per Notrecht regiert. Er habe sich die Entscheide nicht leicht gemacht.
Die starke Schweizer Demokratie könne und dürfe das Coronavirus nicht beschädigen, sagte Sommaruga. Es sei das Recht und die Pflicht des Parlaments, die Entscheide des Bundesrats zu hinterfragen, sagte die Bundespräsidentin den Mitgliedern des Nationalrates. «Der Bundesrat stellt sich dieser Überprüfung.»
Positive Zwischenbilanz
Sommaruga lud die Ratsmitglieder zum Dialog ein, um gemeinsam Lösungen zu finden, «die heute von der Bevölkerung mitgetragen werden können und auch morgen noch als sinnvoll und gerecht angesehen werden». Damit könne den Menschen im Land Zuversicht geschenkt werden. «Sie haben es verdient.»
Der Bundesrat habe zur Bewältigung der Krise verschiedene Grundrechte beschneiden müssen, fuhr Sommaruga fort. Seine Entscheide habe er sich nicht leicht gemacht. Eine erste vorsichtige Bilanz für die Massnahmen gegen die Pandemie sei positiv und das gleiche gelte für die erste provisorische Bilanz über die kurzfristigen Hilfestellungen für Unternehmen.
Schnelle Umsetzung von Parlamentsbeschlüssen
Die Bundespräsidentin sicherte dem Rat zu, dass die Landesregierung breit abgestützte Anliegen aus den Kommissionen soweit möglich übernehmen wolle. Überwiesene Kommissionsmotionen werde der Bundesrat so schnell wie möglich umsetzen.
Vor allenfalls neuen und wichtigen notrechtlichen Bestimmungen würden die Präsidien der zuständigen Kommissionen konsultiert oder mindestens informiert. Zu Motionen, die die Kommissionen zu den notrechtlichen Verordnungen bis zu zwei Wochen vor einer Session einreichten, werde der Bundesrat rechtzeitig Stellung nehmen, damit die Räte sie behandeln könnten.
Überprüfung bis am 11. September
Spätestens am 11. September wird der Bundesrat laut Sommaruga dem Parlament eine Botschaft zur Überprüfung der Notverordnungen vorlegen, wo dies noch nötig sei. Die Verordnung, in der der Bundesrat seit März die Massnahmen zur Bekämpfung des Virus geregelt hat, ist bis zum 13. September gültig.
Sommaruga gedachte zum Schluss ihrer Erklärung jener Menschen, die durch Covid-19 Angehörige verloren haben. Und sie dankte allen, die in der Krise das Land stützten, mithelfen und mitzögen. «Ihnen allen gehört unser Dank.»
Die ausserordentliche Session, die am Montag in der Berner Messe Bernexpo begonnen hat, ist ausschliesslich der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet. Es geht um Kredite über fast 58 Milliarden Franken. Beantragt hatten die ausserordentliche Session der Bundesrat und auch eine Mehrheit des Ständerats.
Grünliberale wollen mehr Dialog zwischen Wissenschaft und Politik
GLP-Nationalrätin Tiana Angelina Moser sagt, der Wert der Freiheit und der Normalität sei allen bewusster geworden. So seien nun auch «Freiheit und Solidarität zentrale Werte, die uns leiten müssen.» Es sei «genauso inakzeptabel, wie die Überwälzung von Kosten auf die Allgemeinheit, um sich wirtschaftliche Vorteile trotz der Krise zu sichern».
Jürg Grossen ergänzt: «Man kann Details kritisieren, aber es ist wichtig, das grosse Ganze im Auge zu behalten.» Auch er sagt: Für die GLP komme es nicht infrage, die Flugbranche ohne Bedingungen auch hinsichtlich Klima zu retten. Die Schweiz müsse sich der Klimafrage annehmen. Die GLP erwarte einen engeren Dialog zwischen der Wissenschaft und den Parteien.
FDP: Sind auch aufs Ausland angewiesen
FDP-Nationalrat Beat Walti erinnert an die Unternehmen, die am Abgrund stehen. Die Schweiz sei stark vom Ausland abhängig. «Auch wenn alle mit dem Velo fahren, das Metall für den Rahmen kommt vom Ausland. Auch wenn alle im Quartierladen einkaufen, die Hälfte der Lebensmittel kommt aus dem Ausland», sagt Walti.
Ohne Eigenverantwortung gelinge der Aufbau nach der Krise nicht. Dass sich so viele Menschen neu organisieren mussten, etwa mit Home Office, verdiene Anerkennung.
Glättli will Menschen retten, nicht Flugzeuge
«Lernen wir aus der Krise, oder geben wir uns der trügerischen Hoffnung hin, sie so rasch wie möglich hinter uns zu lassen?», fragt Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli. Der Bund habe mit dem Notrecht verschiedene Grundrechte einschränken müssen. Darum fordert er, dass eine unabhängige Instanz künftig entscheidet, ob ein Notrecht tatsächlich nötig sei.
Er fordert, nicht «Milliarden in die Wirtschaft von gestern» zu investieren, sondern aus Erfahrungen der Krise zu lernen – wie etwa aus dem Bereich Home Office. «Wir sind nicht bereit, Flugzeuge zu retten», so lange es Menschen zu retten gebe, sagt Glättli weiter. «Vergessen wir nicht, dass die Schweiz unglaubliche Mittel zur Bewältigung der Krise hatte – vielleicht sogar unvergleichliche Mittel im internationalen Vergleich.»
CVP, EVP und BDP weiter hinter Bundesrat
Auch CVP-Nationalrat Marco Romano, Marianne Streiff von der EVP und BDP-Präsident Martin Landolt stellen sich hinter die Entscheide des Bundesrats. «Dem Bundesrat ist ein gutes Zeugnis auszustellen», sagt Landolt. Die Krise sei in vielerlei Hinsicht auch aufschlussreich – «auch für unsere Rolle als Parlamentarier und Parlamentarierinnen». Gerade in solchen Zeiten müsse eine Regierung regieren. Wer darin eine Gefahr für die Demokratie sehe, «hat unser System nicht verstanden.»
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