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TV-Kritik «Tatort»
Eine junge Frau mit Schlagkraft und ein «Tatort» mit Schmackes

Azra (stark: Mariam Hage) ist eine verdeckte Ermittlerin für die Abteilung Wirtschaftskriminalität, hilft nun aber auch der Mordkommission. 
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Da war sie endlich wieder, diese famose Mischung aus Härte, Komik, Moral und einem Hauch Wehmut! Sie ist eine der Grundrezepturen für «Tatorte», die nachhallen – wie eben «Azra», die neue Episode aus Wien. Das österreichische Team ist seinem guten Ruf rundum gerecht geworden, den es in allen drei «Tatort»-Nationen geniesst.

Auch Nebenfiguren bekommen hier ihre Bühne. So verleiht die allererste Szene der Figur, die in Minute 1:52 zur Leiche wird, mit wenigen, raschen Strichen einen greifbaren Charakter – und ihrer Ermordung bei aller Brutalität eine witzige Spitze. Der schnodderig-schusselige Typ, Mitglied eines mafiösen georgischen Clans, hat just nach seinem Autoschlüssel gewühlt und kann gar nicht glauben, dass er gerade hingerichtet wird. «In den Rücken, echt jetzt, in den Rücken, Bruder?», fragt er noch beleidigt, und schon ist er tot.

Drehbuchautorin Sarah Wassermair punktet mit boshaften Pointen und berührenden Sprachlosigkeiten; quasi im Nebenbei nimmt sie gesellschaftliche Problemzonen aufs Korn wie die latente Fremdenfeindlichkeit überall oder den ubiquitären Sexismus. Spürt etwa ein Clanmitglied einen Verdacht «in den Eiern», grätscht der Clanchef schon mal dazwischen mit dem geradezu feministischen Spruch: «Ich bevorzuge zuverlässigere Quellen.» Besagter Chef stellt denn auch eine sehr schlagkräftige junge Frau als Leibwächterin ein – die titelgebende Azra (in jedem Sinn stark: die 1992 in Wien geborene Mariam Hage) – und realisiert lang nicht, dass sie eine V-Frau ist.

Fellner (Adele Neuhauser, links) und Eisner (Harald Krassnitzer) müssen auf einmal nicht nur einen Mord aufklären, sondern die V-Frau retten. 

Dass Azra ihm so nah auf die Pelle rücken darf, verdankt sie auch Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), der viel von dem ehrgeizigen einstigen Strassenkind hält. Als er später einsieht, dass er «an Fehler» gemacht hat, führt das wiederum zu einem der traulichsten Momente, den es im Wiener «Tatort» je gegeben hat: Eisner und Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser), in Sorge geeint, frühmorgens auf einem Dach in Wien, und sie regt sich auf, dass er sie nicht ins Vertrauen zog. «Ich hab auch das Recht, eine Idiotin zu sein – das ist doch die Basis von … von – » Liebe, darf im Kopf ergänzt werden; oder zumindest «uns».

Ob der Bruder des Clanchefs durch eine rivalisierende Familienbande erschossen wurde oder der Boss selbst womöglich hinter dem Mord steckt, ist schwer herauszubekommen. Darum arbeitet das Ermittlerduo mit der Abteilung für Wirtschaftskriminalität zusammen, obwohl Eisner diese Kooperation durchaus fuchst. «Al Capone hams damals auch wegen Steuerhinterziehung ’kriegt», tröstet die Fellner. «Ja, in Chicago», brummt Eisner, «wen intressiert bei uns schon a Finanzdelikt?»

Wie der Text treibt auch die Kamera ihre Scherze (samt Karaoke-Gag) und baut Spannung durch raffinierte An- und Durchsichten auf – etwa durch die Fernrohrperspektive auf temporär aufleuchtende Fenster. Sie schraffiert das Bild mittels zarter Gitter, begrenzt es durch enge Gänge, erlaubt sich dann aber wieder sentimentales Eintauchen in den weiten Himmel über Wien. Und am Schluss stellt der Film uns allen noch eine Gewissensfrage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Einwandfrei.