Geschichten rund ums EssenWie selber kochen, aber weniger anstrengend
Diana Henry ist preisgekrönte Food-Autorin. Zum perfekten Zeitpunkt ist von ihr ein neuer Band erschienen. «Von der Kunst, einen Pfirsich zu essen» ist eine gedruckte Versuchung.
Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich muss mich noch daran gewöhnen. Ans Restaurant, meine ich. Da war ich letzte Woche mit Freundinnen, die aus unterschiedlichen Gründen dort essen wollten: Die eine hatte Kopfweh, weil sie ständig Gemüse in ihrem Gemüseabo vorfand, das sie nicht kannte. Die andere träumt seit Wochen von einem Schnitzel, will aber nicht selber frittieren. Die Dritte hatte ein Flüssighefetrauma, und ich, ich hatte das Selberkochen einfach satt.
Also gingen wir zum Essen in eine hipsterige Quartierbeiz, natürlich war das ein Fehler, und ich nervte mich gleich über die überoriginellen Menünamen und fand: Meine Spargel schmecken also besser! Seit jenem Abend verkrieche ich mich dorthin, wo ich immer zu finden bin in kulinarisch unruhigen Zeiten: in Abenteuer von Food-Autorinnen und -Autoren. Vor allem im angelsächsischen Raum ist dieses Untergenre von Kochbüchern weit verbreitet, Kochtagebücher, kulinarische Reisejournale, ja ganze Romane über Restaurants gibt es dort. In der Schweiz ist etwa «Magazin»-Kolumnist Christian Seiler wirklich gut darin, Geschichten vom und übers Essen zu schreiben.
Das Schöne an einer Food-Lektüre ist: Ich muss weder kochen noch essen, sondern einzig: träumen. Und hier kommt die britische Journalistin Diana Henry ins Spiel. Vor wenigen Tagen erschien ihr Buch «How to Eat a Peach» auf Deutsch – dass die Übersetzung wirklich gelungen ist, zeigt schon, dass man beim Titel keine Kompromisse einging: «Von der Kunst, einen Pfirsich zu essen» heisst es. Darin finden sich eine Menge Rezepte, es ist eigentlich ein Kochbuch, aber auch ganz viel Text.
Diana Henry gelingt es auf wundersame Art und Weise, ihre Leserinnen und Leser dort abzuholen, wo sie sich normalerweise befinden (in der Küche) und sie ganz weit weg zu bringen: nach London, wo sie sich an einem regnerischen Nachmittag verkriecht und auf ein Kochbuch stösst, das sie fortan begleiten wird («Chez Panisse Menu Cookbook»). An eine Küste, wo sie Feste feiert – denn Krebse, Sauerteigbrot, eine selbst angerührte Mayonnaise und guter Wein reichen, um unvergessliche Stunden zu verbringen. Nach Istanbul, nach Italien, direkt zu ihrem «spanischen Vorratsschrank». Sie schreibt, wie für sie der Sommer beginnt (mit einer Aprikosentarte), was sie macht, wenn es zu heiss zum Kochen ist (Tomatensalat, Joghurt und Gurken), oder darüber, dass sie sentimental wird bei Van Morrisons Song «Coney Island». Der nicht New York besingt, sondern eine nordirische Insel, die sie aus ihrer Kindheit kennt. Van Morrison, so Henry, erzähle darin von eingemachten Heringen und Muscheln, und das erinnere sie an ihren Vater. Auf den folgenden Seiten ist etwa das Rezept für geräucherten Aal mit Guinness-Brot abgedruckt.
Auch das liest sich wie eine schöne Geschichte.
Food-Literatur zu lesen, ist wie selber kochen, aber ohne Anstrengung. Auswärts essen, aber ohne Unannehmlichkeiten. Reisen, ohne das Haus zu verlassen. Food-Literatur zu lesen, ist die perfekte Beschäftigung nach einem Frühling wie jenem von 2020.
Übrigens: Da kein Schnitzel auf der Karte gestanden hat und es mich so nach Spargeln gelüstet, essen die Freundinnen und ich dieses Wochenende wieder auswärts. Man muss sich ja auch irgendwann wieder daran gewöhnen.
Diana Henry: Von der Kunst, einen Pfirsich zu essen. Rezepte und Geschichten einer kulinarischen Weltenbummlerin. 256 Seiten, Deutsch, Ars Vivendi, ca. 41 Franken.
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