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Schuhhersteller lässt aufschrecken
Doc Martens hat ein Problem mit seinen Aktien

Very british, auch wenn sie ursprünglich vom Starnberger See in Bayern kommen: Doc-Martens-Schuhe mit der sehr besonderen Sohle.
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Es gab eine Zeit, da musste man nur auf die Schuhe achten, die jemand trägt, und schon wusste man, mit wem man es zu tun hatte. Wer zum Beispiel im London der 1960er-Jahre Doc Martens trug, gehörte ziemlich sicher zur Arbeiterklasse. Die klobigen Schnürstiefel mit der dicken Sohle waren ein Erkennungsmerkmal der britischen Working Class. Fabrikarbeiter hatten sie genauso an wie Postboten und Polizisten. Lange her. Wer heute mit Doc Martens unterwegs ist, kann alles oder nichts sein. Die Punks im Hyde Park tragen mitunter die gleichen Boots wie die Kardashians.

Mal abgesehen von Chucks, den einst legendären Basketballschuhen von Converse, gibt es wohl kaum Schuhe, die so viele Revivals erlebt haben wie Doc Martens. Davon wird noch die Rede sein, aber zunächst ein paar Worte zum aktuellen Zustand der Firma Dr. Martens aus Wollaston in der englischen Grafschaft Northamptonshire. Das Unternehmen hat in dieser Woche Zahlen vorgelegt, die auf den ersten Blick nur das Beste vermuten lassen. So lag der Jahresumsatz erstmals bei mehr als einer Milliarde Pfund. Dennoch sahen die Analysten rot: Der Gewinn ist nämlich so massiv eingebrochen, dass der Aktienkurs um mehr als 10 Prozent abgeschmiert ist. Vor Steuern sank der Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr um 26 Prozent auf 159 Millionen Pfund.

Das Problem ist der amerikanische Markt

Kenny Wilson, der Chef von Dr. Martens, war sichtlich um Schadenbegrenzung bemüht. Das Ziel sei es, den Umsatz auf zwei Milliarden Pfund zu verdoppeln. Um das zu erreichen, werde weiter investiert, was kurzfristig natürlich Geld koste, sich aber langfristig auszahlen werde. Das Hauptproblem für das Unternehmen ist zurzeit der Markt in den USA, dort laufen die Geschäfte bei weitem nicht so gut wie geplant. Vor allem die klassischen Stiefel verkaufen sich schlecht, unter dem Strich waren es 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Immer stärker gefragt sind hingegen Sandalen, die eher an die Konkurrenz von Birkenstock erinnern als an klassische Docs.

Laufen: Sandalen von Doc Martens sind gefragt.

Seit zehn Jahren gehört Dr. Martens mehrheitlich der Londoner Private-Equity-Gesellschaft Permira. Und damit einem Finanzinvestor, der nicht dafür bekannt ist, die Geschäfte einfach so laufen zu lassen. Nachdem die Nachrichten von Dr. Martens an der Börse überhaupt nicht gut ankamen, dürfte es Gesprächsbedarf geben. Chef Wilson räumte jedenfalls ein, dass die Lagerbestände vor allem in den USA zu hoch seien, aber er wehrte sich gegen Spekulationen, die Schuhe mit Rabatt zu verkaufen. Auf keinen Fall werde er den Preis des «ikonischen Kernprodukts» herabsetzen.

Eine Ikone unter den Schuhen, das ist Doc Martens zweifellos. Davon lebt die Marke bis heute. Die Geschichte des Unternehmens begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings nicht in England, sondern in Bayern. Dort, in Seeshaupt am Starnberger See, lebte damals der Arzt und Tüftler Klaus Maertens. Der Firmenlegende nach brach er sich 1945 beim Skifahren ein Bein, fand aber keinen Schuh, der die Schmerzen beim Auftreten linderte. Also fing er selbst an zu basteln. Aus alten Reifen entstand eine Schuhsohle mit Luftpolstern. Maertens liess sich seine Erfindung patentieren. 1949 gründete er die Firma Dr. Maertens Luftpolster-Schuhe.

Pete Townshend von The Who, Kurt Cobain von Nirvana: Rockmusiker machten die Stiefel zum Popstar. 

So richtig bekannt wurden die Schuhe aber erst, als Maertens dem britischen Schuhfabrikanten Bill Griggs 1959 eine Lizenz für seine Erfindung erteilte. 1960 begann Griggs mit der Massenproduktion in Wollaston. Wie gesagt, zunächst waren die Stiefel vor allem ein beliebter, weil bequemer, Arbeitsschuh der Working Class. Doch dann passierte etwas, womit niemand in der Firma rechnen konnte: Pete Townshend, der Gitarrist der Rockband The Who, trug die Stiefel auf der Bühne. Und so wurden Doc Martens zum Symbol einer Protestkultur, ja einer Rebellion junger Menschen gegen das Establishment. Plötzlich trugen Bürgerkinder Arbeiterstiefel.

Es folgten Jahrzehnte, da entdeckten Punks und Skinheads ihre Liebe zu Doc Martens. Die Schuhe waren Teil der britischen Jugendkultur. Und nicht nur dort. Spätestens als US-Bands in Grossbritannien auftraten, sich dort mit Docs eindeckten und sie zu Hause auf der Bühne trugen, wurden die Schuhe aus England ein weltweiter Erfolg. Unvergessen bleibt natürlich Nirvana-Sänger Kurt Cobain, der in den 1990ern mit Vorliebe Docs trug. Und mit ihm viele andere Grunge-Rocker.

Wer die Boots schon mal anprobiert hat, weiss, dass es ein wenig dauert, bis das doch recht steife Leder weicher wird. Wenn es allerdings so weit ist, kann man problemlos ein dreitägiges Musikfestival im Schlamm durchstehen. Die einzige Alternative wären in diesem Fall Gummistiefel. Aber selbst die gibt es mittlerweile von Dr. Martens.