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Postpräsident Christian Levrat
«Diskussion um Einkäufe der Post nimmt merkwürdige Züge an»

Christian Levrat hat am 1. Dezember 2021 das Verwaltungsratspräsidium der Post übernommen.
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Herr Levrat, der Einmischungsgrad der Politik ist gerade hoch. Im Parlament kam diese Woche eine Motion durch, welche die Post bei ihren Einkaufstouren im Inland einschränkt. Bisher reagierte die Post auf solche Versuche gelassen. Müssen Sie nun über die Bücher?

Seien wir präzise: Auslöser dieser Debatte waren Zukäufe der Bernischen Kraftwerke (BKW) von Elektroinstallateurbetrieben. Es ist völlig legitim, dass die Politik diese Diskussion führt. Allerdings finde ich, dass sich die Post mitnichten auf einer Einkaufstour befindet. Vielmehr beschaffen wir uns gezielt Kompetenzen, die wir brauchen, um unsere Kernaufträge in den Bereichen Logistik und Kommunikation zu erfüllen. Es gibt keine planlosen Einkäufe, nur um Rendite zu erwirtschaften.

Komisch nur, dass in der Debatte im Nationalrat die BKW mit keinem Wort erwähnt wurde, die Post hingegen 16-mal.

Vermutlich muss ich mit meinen früheren Parlamentskollegen noch einmal reden. Diese Diskussion nimmt langsam merkwürdige Züge an. Nehmen wir die auf Buchhaltungssoftware spezialisierte Firma Klara, die wir übernommen haben. «Seit wann gehört Buchhaltung zum Service public?», fragen die Kritiker immer wieder. Wenn Klara tatsächlich nur Buchhaltung anbieten würde, würde ich ihnen sogar zustimmen. Nur ist das einfach nicht der Fall.

Sondern?

Klara ermöglicht es kleinen Unternehmen wie zum Beispiel meiner Coiffeuse, ihren Kunden auf elektronischem Weg Rechnungen zu stellen, ihre Post zu verwalten und Shampoo zu bestellen. Kurz: Klara verarbeitet alle Arten von Post digital, sowohl was reinkommt als auch was das Unternehmen verschicken will. Das alles gehört doch eindeutig zum Grundauftrag der Post, vor allem im Zeitalter der Digitalisierung.

Der Eindruck, der entstanden ist, ist aber ein anderer: Die Post geht den bequemen Weg, fehlendes Know-how für die Digitalisierung zuzukaufen, und nutzt dazu als Staatsbetrieb die pralle Kriegskasse.

Gegen gleich lange Spiesse für Staatsbetriebe und mittelständische Unternehmen ist nichts einzuwenden. Der grösste Teil unserer Investitionen fliesst nicht in Übernahmen, sondern ins Unternehmen selbst – etwa in die Paketzentren. Vereinzelt kaufen wir Firmen, um bei der Digitalisierung mithalten zu können. Das ist durchaus im Sinne des Eigners und der Bevölkerung. Denn in Zukunft werden wir die Grundversorgung nicht mehr nur physisch, sondern auch digital erbringen müssen. Es wäre fahrlässig, sich nicht jetzt auf diese Entwicklung vorzubereiten. Entweder wir kaufen das Know-how ein, was schneller geht, oder wir verpassen den Anschluss, im Versuch es selbst zu entwickeln.

Digitales Wissen beeinflusst ein weiteres politisches Geschäft. Es geht um die Grundversorgung im digitalen Zeitalter. Die Expertenkommission bleibt da in ihren aktuellen Vorstellungen vage. Was schwebt Ihnen konkret vor?

Neben digitalen Dienstleistungen für Unternehmen fokussiert die Post auf zwei Bereiche: elektronische Schnittstellen für Bürger zu den Behörden und das Gesundheitswesen. Schon jetzt verschickt die Post das Stimmmaterial und sammelt es wieder ein, um es an die Stimmbüros weiterzuleiten. Wir spielen da für das Funktionieren der Demokratie eine wichtige Rolle. In Zukunft wollen wir es ermöglichen, dass die Stimmbürger elektronisch abstimmen können, falls es von der Politik so gewünscht ist.

Was ist mit dem Gesundheitswesen?

Die Post kann hier als sichere Übermittlerin von vertraulichen digitalen Informationen zwischen Patienten und Ärzten oder Spitälern sowie zwischen medizinischen Einrichtungen untereinander dienen. Natürlich geht es nicht darum, selber im Gesundheitswesen aktiv zu werden. Auch hier ist es jetzt die Aufgabe der Politik, zu bestimmen, wie ein digitaler Service public auszusehen hat.

Ein drittes hochpolitisches Thema ist die Privatisierung von Postfinance. Wie engagiert werden Sie sich dafür einsetzen?

Die Privatisierung von Postfinance ist eine Frage für die Politik. Im Vordergrund steht für mich allerdings vielmehr das Geschäftsmodell der Bank. Die Nationalbank hat seit dem Jahr 2015 Negativzinsen eingeführt, seitdem ist das Zinsdifferenzgeschäft unter Druck. Hinzu kommt, dass Postfinance als systemrelevant eingestuft wurde und deshalb strengere Auflagen beim Eigenkapital erfüllen muss. Schliesslich schränkt das Kreditverbot unseren Handlungsspielraum ein. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Postfinance einen 100-Meter-Lauf auf einem Bein bestreiten muss. Es braucht also neue Rahmenbedingungen, um das Geschäftsmodell nachhaltig aufzustellen. Diese Diskussion würde ich gerne führen.

Gibt es Anzeichen dafür, dass in der Schweiz wohnhafte Russen ihre Vermögen wegen des Kriegs in der Ukraine zu Postfinance verschieben?

Wir haben keine Hinweise, nein. Wie alle anderen grossen Banken in der Schweiz ist auch Postfinance darin geübt, Sanktionen anzuwenden, und das tut sie. Es ist ja nicht das erste Mal, dass solche verhängt werden.

Inwiefern können Sie überhaupt Einfluss nehmen auf die Strategie der Post? Diese ist bis zum Jahr 2024 von Ihrem Vorgänger bereits festgelegt worden.

Die Strategie sieht vor, dass sich die Post weiterentwickeln und in gewissen Bereichen wachsen muss. Es braucht einen ausgewogenen Mix von physischen und digitalen Dienstleistungen, um die künftigen Bedürfnisse der Gesellschaft befriedigen zu können. Ich habe deshalb zugesagt, weil diese Strategie meinen Vorstellungen entspricht und ich überzeugt bin, dass dies der richtige Weg ist. Eine Strategie festzulegen, ist 20 Prozent der Arbeit. Die restlichen 80 Prozent bestehen darin, die Strategie umzusetzen. Das tun wir jetzt.

«Meine Parteifarbe ist jetzt Gelb.»

Bei Ihrer Wahl wurde die parteipolitische Nähe zu SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga kritisiert. Welchen Einfluss hatte die Parteifarbe?

Meine Parteifarbe ist jetzt Gelb. Ich war der Post seit Jahrzehnten als Gewerkschafter verbunden und kenne das Unternehmen deshalb gut. Vielleicht hat das im Bundesrat den Ausschlag gegeben, mich zu nominieren. Das müssen Sie aber die Landesregierung fragen.

Dann sind Sie politisch also in die Mitte gerückt?

(lacht) Wenn Sie auf die Farbe der Evangelischen Volkspartei anspielen, so lautet die Antwort Nein. Das Gelb der Post kann von keiner Partei angeeignet werden; es ist urheberrechtlich geschützt.

Sie waren Parteipräsident der SP: Reicht das, um einen der grössten Arbeitgeber des Landes mit Tausenden Mitarbeitern strategisch zu führen?

Die Post ist beides: Unternehmen und Institution. Ich kenne mich aus mit der öffentlichen Perspektive sowie den Erwartungen von Politik und Behörden. Postchef Roberto Cirillo ist ein erfahrener Manager, der sich um das operative Tagesgeschäft kümmert. Wir ergänzen uns also sehr gut.