Lockdown in Shanghai«Dieses System ist eine Schande»
Ein deutscher Expat entlädt seine Frustration am Telefon, weil man ihn in eines der berüchtigten Quarantänecamps schicken will.
Er ist Deutscher, heisst mit Vorname Ralph, wohnt mit seiner Familie in Shanghai – und hat in den sozialen Medien in China für Furore gesorgt. Grund: Der Expat hat seiner Wut über die Covid-Massnahmen in der Metropole in einem Telefongespräch mit einer chinesischen Übersetzerin freien Lauf gelassen.
Rund 25 Millionen Menschen sind seit drei Wochen vom Corona-Lockdown betroffen. Die Zustände sind teils chaotisch, es fehlt an Lebensmitteln, positiv getestete Menschen werden in Quarantänecamps mit prekären hygienischen Massnahmen verfrachtet, Kinder von ihren Eltern getrennt.
Roboterhunde verkünden Verhaltensregeln
Durch die gespenstisch leeren Strassenzüge laufen vierbeinige Roboterhunde und verkünden über einen umgeschnallten Lautsprecher die Anti-Corona-Massnahmen. Gleichzeitig wird deren Einhaltung durch Drohnen überwacht, die in den Häuserschluchten umherschwirren.
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Und so lief das auf Englisch geführte Gespräch zwischen Ralph und einer Übersetzerin ab, wie ein mehrminütiger Mitschnitt zeigt, der in China viralging: Die Frau teilte ihm mit, dass er sich in eines der gefürchteten Quarantänecamps begeben müsse. Zwölf Tage zuvor war er positiv getestet worden. Ralph weigert sich. Das Center of Disease Control (CDC) habe ihm zwei Tage zuvor einen Test versprochen. Doch sei niemand vorbeigekommen.
Und solange ihn niemand teste, werde er nirgendwo hingehen. «Get the CDC, get them the fuck over here and take a test, and then we can talk.» (Auf Deutsch: «Das CDC soll verdammt noch mal herkommen und einen Test machen, und dann sehen wir weiter.») Er sei schon einmal im Quarantänecamp gewesen. Man habe ihn aber wieder nach Hause geschickt. Und dann brechen die Dämme bei Ralph: «Das alles ist lächerlich. Das ist eine Schande für euch, für die Regierung, für Shanghai, für China. Das alles ist ein einziger Witz.»
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Die Übersetzerin, die ihn zu Beginn noch ermahnte, dass er den Anordnungen der Stadtverwaltung zu gehorchen habe, kommt kaum noch zu Wort. Ralph ist nicht mehr zu bremsen: «Euer System ist das lächerlichste, das ich je in meinem Leben gesehen habe. Meine Kinder im Kindergarten sind besser organisiert als das hier. Diese Regierung ist scheisse.» Und er fügte an, dass er die deutsche Botschaft informiert habe.
«Viele scheinen auf seiner Seite zu stehen»
Die Reaktionen auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo waren bemerkenswert. Ein chinesischer Teilnehmer, der das Gespräch mitverfolgt hatte, kommentierte auf Englisch: «Normalerweise wäre dieses Verhalten eines Ausländers im chinesischen Netz schwer kritisiert worden. Doch jetzt scheinen viele Nutzer auf seiner Seite zu stehen.»
In den Kommentaren heisst es, dass dieser Wutausbruch so guttue. «Das ganze System ist wirklich scheisse.» Ein anderer Nutzer schrieb, dass der Deutsche sich nur deshalb so explizit äussern könne, weil sein Land und seine Medien hinter ihm stünden. Das sei nicht der Fall, wenn einem chinesischen Bewohner in Shanghai das Gleiche passiere.
Gab es doch Kritik, dann deshalb, weil er seine Wut an einer Übersetzerin ausgelassen habe. «Es ist eben das Privileg eines Ausländers, dass man ihm neun Minuten lang zuhört.»
Weibo hat das Telefongespräch in China mittlerweile gelöscht.
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