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Interview mit Swissmedic-Vizedirektor
«Die Zulassung von AstraZeneca nur für Jüngere ist durchaus eine Option»

In Australien ist er nicht gestoppt: Eine junge Frau erhält diesen Mittwoch eine Injektion mit AstraZeneca. 
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Den Impfstoff von AstraZeneca hat die Europäische Arzneimittelbehörde erneut als sicher erklärt. Geht es jetzt mit der Zulassung in der Schweiz schneller?

Wir schauen uns die Resultate der europäischen Abklärungen zwar an. Aber das allein reicht nicht. Wir haben in den letzten Tagen weitere Daten von AstraZeneca bekommen, die wir prüfen. Wir erwarten auch noch, dass die klinische Studie in Nord- und Südamerika unsere offenen Fragen klärt. Sobald wir aus all diesen Daten nachvollziehen können, dass der Nutzen grösser ist als die möglichen Nebenwirkungen, können wir AstraZeneca zulassen.

Wann rechnen Sie konkret mit der Zulassung?

Das hängt von den Daten ab, die wir bekommen.

Zu viel Vorsicht kann in der Pandemie tödlich sein. Denn es gilt nicht nur die Nebenwirkungen abzuwägen, sondern auch die Gefahr, an Covid zu erkranken. Überwiegt im Moment deswegen nicht auch in der Schweiz der Nutzen?

Das ist ein Dilemma, dem wir uns täglich stellen müssen. Wir beurteilen laufend alle Informationen, und sobald wir sehen, dass die Datenqualität stimmt, lassen wir zu.

Kann es sein, dass Sie bei steigenden Covid-Inzidenzen in der Schweiz einen Impfstoff eher zulassen?

Nein, das ist das grosse Missverständnis. Wenn Sie ein Notfallgesetz haben wie in den USA, können Sie Faktoren wie die epidemiologische Lage direkt einbeziehen. In einem ordentlichen Zulassungsverfahren wie bei uns können Sie das nur am Rande berücksichtigen. Wir brauchen Daten aus Zulassungsstudien mit hoher Evidenz.

Könnte der AstraZeneca-Impfstoff auch nur für unter 65-Jährige genehmigt werden?

Die Zulassung nur für Jüngere von AstraZeneca ist durchaus eine Option. Es kommt aber auf die Daten an, die wir noch bekommen.

Warum warten Sie auf Daten aus Amerika und verwenden nicht aktuelle Informationen aus Grossbritannien?

Das sind Daten aus Beobachtungsstudien. Sie sind wertvoll für eine Impfstrategie oder geben Anhaltspunkte für neue klinische Versuche. Sie liefern aber für unseren Zulassungsentscheid nicht genügend belastbare wissenschaftliche Daten. Es fehlen zum Beispiel Kontrollgruppen oder eine einheitliche Qualitätskontrolle.

«Es soll nicht möglich sein, mit wirtschaftlichem oder politischem Druck zu einer Arzneimittelzulassung in der Schweiz zu kommen. Auch nicht in der Krise.»

Philippe Girard, Swissmedic-Vizedirektor

Demnach richten Sie sich vor allem nach den Daten aus den klinischen Studien?

Genau, wir brauchen kontrollierte klinische Studien, weil sie im Gegensatz zu Anwendungsstudien viele unbekannte Einflussfaktoren ausschliessen. Das ist internationaler Standard.

Gibt es Druck vom Bund, dass gesagt wird, wir brauchen dringend weitere Impfstoffe wie den von AstraZeneca oder Johnson & Johnson?

Nein, wir sind eine unabhängige Behörde. Das ist unsere Entscheidung. Es soll nicht möglich sein, mit wirtschaftlichem oder politischem Druck zu einer Arzneimittelzulassung in der Schweiz zu kommen.

Sollte wie bei der FDA nicht auch hier die Notfallfreigabe möglich sein?

Nein, wir haben einen Rechtsstaat.

Zwei wichtige Behörden sind EMA in Europa und FDA in den USA. Die USA haben AstraZeneca auch noch nicht zugelassen und warten die Daten aus der klinischen Studie in den USA und in Lateinamerika ab. Die Schweiz ist da kein Sonderfall.

Ich bin natürlich der Meinung, dass es uns braucht. Unabhängigkeit und Nähe sind entscheidend, damit die Schweizer Bevölkerung Vertrauen in unsere Entscheidungen hat. Zudem braucht ein starker Standort der Pharmaindustrie auch eine starke Arzneimittelbehörde.

Die Frage, ob man die Zulassungshürden in einer Ausnahmesituation senken will, muss die Politik entscheiden. Ich bin der Meinung, dass wir uns in diesen schwierigen Zeiten auch so durchaus bewährt haben, wie die bisherigen Zulassungen von Covid-19-Impfstoffen zeigen.

Im Moment verwirrt, dass Impfstoffe wie Johnson & Johnson, die die Schweiz gar nicht eingekauft hat, im Zulassungsverfahren bei Ihnen sind und andere wie Curevac und Novavax noch nicht, obwohl sie die Schweiz bestellt hat.

Impfstoffzulassungen und Beschaffungen sind zwei ganz unterschiedliche Dinge.

Johnson & Johnson dürfte als Nächstes zugelassen werden?

Das ist durchaus möglich, aber wir entscheiden bei allen Gesuchen gestützt auf die verfügbaren Daten.

«Es dauert vielleicht noch ein halbes Jahr, bis Studien abgeschlossen sind, um Impfstoffe auch für Kinder zuzulassen.»

Philippe Girard, Vizedirektor Swissmedic

Die Schweiz ist ein kleines Land, reichen Firmen deswegen hier Anträge später ein?

Meines Wissens nicht. Es geht bei einer Vertretung in der Schweiz nicht nur darum, eine Adresse oder einen Briefkasten zu haben. Die Firmen müssen zeigen, dass sie ihre Präparate hierzulande handhaben und überwachen können.

Das ist unterschiedlich. Die Schweiz ist für Firmen attraktiv, weil ein Schweizer Zulassungsentscheid von bis zu 70 Ländern als Referenz beigezogen wird.

Moderna hat Ende Februar eine Studie in den USA mit einem angepassten Impfstoff begonnen, der speziell auf die südafrikanische Variante des Coronavirus zielt. Wie werden angepasste Impfstoffe zugelassen?

Weltweit wird daran gearbeitet, die Verfahren unter den Behörden zu vereinheitlichen. Uns ist bewusst, dass Hersteller und Behörden kaum Zeit haben werden, sich auf vollständige klinische Studien zu stützen, wenn die Bevölkerung rasch einen modifizierten Impfstoff braucht. Man kann diese Anpassungen als Qualitätsänderungen handhaben, vergleichbar mit den jährlichen Aktualisierungen für saisonalen Grippeimpfstoffe.

Wie steht es mit der Impfstoffzulassung für Kinder?

Verschiedene Hersteller haben Studien angekündigt, in der an Kindern der Impfstoff getestet werden soll. Eine Zulassung für Kinder könnte auch für eine künftige Herdenimmunität wichtig sein. Dafür braucht es aber klinische Daten und entsprechende Studien.

Das wird noch etwas dauern?

Es dauert vielleicht noch ein halbes Jahr, bis entsprechende Studien abgeschlossen sind, um Impfstoffe auch für Kinder zuzulassen.

Braucht es für die Kinderstudien die gleichen Zulassungsverfahren wie bisher?

Kinder sind eine besonders vulnerable Gruppe, deshalb müssen klinische Studien besonders sorgfältig gemacht werden. Wir brauchen zuverlässige und aussagekräftige Daten, um Änderungen in der Zulassung auch für Kinder innerhalb von ein paar Wochen zu genehmigen.

Wie geht man bei Kindern vor? Wird nun erst mal die Sicherheit und Wirksamkeit bei 12-Jährigen untersucht und dann bei Jüngeren?

Ich kenne die Studienprotokolle noch nicht. Das Studiendesign legen die Firmen fest.

Ist es nicht so, dass man die Kleinkinder erst am Schluss in den Studien testet?

Das ist normalerweise so. Aber ob man schon am Anfang die ganz Kleinen ausschliesst oder nicht, bleibt den Firmen überlassen.