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Janet Yellen im Kreuzfeuer
Die USA streiten über die Inflation – und die Meinung ihrer Finanzministerin

Ungeschickte Äusserungen zur Zinspolitik der Notenbank: Janet Yellen in ihrer neuen Rolle als Finanzministerin.
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Die Inflationsangst ist zurück. Rohstoffpreise von Getreide über Öl und Stahl bis zu Orangensaft sind weltweit massiv gestiegen. Und zwar so stark, dass auch Wallstreet-Banken zur Vorsicht mahnen, nachdem sie die Teuerung lange kleingeredet haben.

Während diese ihre Meinung hierzu frei äussern dürfen und sich viele danach ausrichten, hat jene von Janet Yellen diese Woche mehr für Chaos denn für Orientierung gesorgt. Die frühere Chefin der Notenbank, die 2018 von Präsident Donald Trump abgesetzt worden war, verwirrte die Finanzmärkte am Dienstag kraft ihrer neuen Rolle als Finanzministerin.

Die Notenbank könnte gezwungen sein, die Zinsen anzuheben, um eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern, sagte sie. Die Wirtschaft werde wegen der 4 Billionen Dollar schweren Investitionsprogramme der Regierung Biden stärker wachsen als bisher angenommen.

Notenbankchef sagte das Gegenteil

Das Problem daran ist, dass Yellen eigentlich nichts mehr zur Zinspolitik zu sagen haben sollte. Diese ist einzig die Aufgabe der Notenbank. Und diese hat unabhängig vom Weissen Haus zu entscheiden. Dass Yellen sich trotzdem zu den Zinsen äusserte, wurde von Investoren und Analysten als deplatzierte Einmischung in die Politik der Notenbank gesehen und beeinflusste die Märkte kurzfristig signifikant.

Ihre Äusserungen wurden umso kritischer gesehen, als ihr Nachfolger an der Spitze der Notenbank, Jerome Powell, unlängst eine Zinserhöhung klar abgelehnt hatte. Zuerst müsse die Wirtschaft gesunden, bevor an höhere Zinsen gedacht werden könne, so Powell. Und das werde dieses Jahr nicht der Fall sein.

Und so musste Yellen zurückkrebsen. Selbstverständlich habe sie die Notenbank nicht beeinflussen wollen, erklärte sie. Wenn jemand die Unabhängigkeit der Notenbank anerkenne, dann sie. Sie habe nur sagen wollen, dass die Teuerung «temporär» und derzeit keine Zinserhöhung nötig sei.

Besorgt: Der Inflationsdruck ist nach Warren Buffetts Ansicht «sehr gross».

Doch die Inflationsängste bleiben. Zu viele Wirtschaftsdaten weisen derzeit in Richtung Teuerung. Der Transportpreisindex ist markant gestiegen. Er spiegelt die Nachfrage nach Strassen-, Eisenbahn-, Luftfracht- und Containertransporten und ist ein verlässlicher Indikator für den Zustand der Wirtschaft. Er nimmt die Entwicklung um rund drei Monate vorweg. Und signalisiert einen weiteren Preisanstieg nicht nur in den USA, sondern auch in China.

Von dort werden jährlich Konsumgüter für rund 500 Milliarden Dollar importiert. Als Folge davon hat die Kerninflation – ein wichtiger Gradmesser für die Notenbank – im ersten Quartal um 3,5 Prozent angezogen. Letztmals lag die Teuerung 2011 so hoch.

Diese Wirtschaftsdaten haben die Analysten von JP Morgan, der Bank of America und von Goldman Sachs zum Abweichen von ihrer Inflationslinie gezwungen. Die Unternehmen machen sich mehr denn je wieder Sorgen um die Teuerung. Zum Beispiel tauchte das Stichwort Inflation diesen Frühling ganze 800 Prozent häufiger in den Geschäftsberichten auf als vor einem Jahr, was auf eine mögliche «Hyperinflation» hindeutet.

Notenbank in Sackgasse?

Einen guten Überblick über die Wirtschaft hat auch Warren Buffett. Schliesslich kontrolliert er Dutzende von Unternehmen im Detailhandel, in der Finanz- und Versicherungsindustrie, im Immobilienhandel und in der
Nahrungsmittelbranche. Der Inflationsdruck ist seiner Ansicht nach «sehr gross» und nicht nur temporärer Natur.

Mohamed El-Erian, Chefökonom der Allianz, befürchtet, dass sich die Notenbank in eine Sackgasse manövriert hat. Sie klammere sich an ein veraltetes Prognosemodell, das die Inflation unterschätze und das Ausmass der strukturellen Änderungen in der Wirtschaft vernachlässige. So seien die Arbeitslosenzahlen bereits jetzt besser, als für 2022 erwartet worden sei. Deshalb gebe es keinen Grund mehr, die Zinsen bei null Prozent zu halten. Vielmehr sollten die USA dem Beispiel Kanadas folgen und die Zinsbremse langsam lösen.

Solche Warnungen sind mit Vorsicht zu geniessen. Das Inflationsgespenst tauchte in den letzten zehn Jahren immer wieder auf, ohne Spuren zu hinterlassen. Nobelpreisträger Paul Krugman warnt vor Panikmache. «Notenbanken, die in den letzten Jahrzehnten vorschnell auf Teuerungsschübe reagierten, haben es alle bedauert.»