Zinsen, Inflation und FrankenkursWas die Entscheide der Notenbanken für die Schweiz bedeuten
Die stark gestiegenen Preise veranlassen das Fed in den USA zu einer Schubumkehr in der Geldversorgung, nicht so die Europäische Zentralbank und die Schweizerische Nationalbank.
Die Zinswende beginnt. Verlautbarungen der US-Notenbank Fed lassen drei Zinserhöhungen im nächsten Jahr erwarten, die britische Notenbank hat ihren Leitzins am Donnerstag leicht angehoben.
Anders im Euroraum und in der Schweiz. Ein Ende der extrem grosszügigen Geldpolitik ist weder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) noch bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) absehbar. Die Details in sieben Punkten.
Noch für Jahre ein negativer Schweizer Leitzins
In ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung am Donnerstagmorgen hat die SNB deutlich gemacht, dass sie bisher keinen Anlass sieht, an ihrer Geldpolitik etwas zu ändern. Ein Ende des weltrekordtiefen Leitzinses von minus 0,75 Prozent und von weiteren Devisenmarktinterventionen ist nicht absehbar.
Die Lage ist für die SNB allerdings gemütlicher als jene für das Fed oder die EZB. Die Inflation in der Schweiz ist nicht nur sehr viel tiefer als in den USA oder in Europa, sie befindet sich noch immer im Zielband zwischen 0 und 2 Prozent, das die Nationalbank mit Preisstabilität gleichsetzt.
Wenig Inflationsdruck und anhaltendes Wachstum in der Schweiz
Konkret ist das Preisniveau hierzulande im Vergleich zum Vorjahr im November um 1,5 Prozent angestiegen. In den USA waren es 6,8 Prozent und in der Eurozone 4,9 Prozent. Zudem geht die Nationalbank davon aus, dass sich die Teuerung in der Schweiz bis in einem Jahr wieder auf Werte zwischen 0,6 und 0,8 Prozent zurückbildet und dass sich daran bis ins Jahr 2023 nichts ändert.
Diese Prognose macht die SNB unter der Annahme, dass die Zinsen bis dahin unverändert im negativen Bereich verharren. Aus dieser Prognose kann umgekehrt gelesen werden, dass die Nationalbank sich aus heutiger Sicht nicht gezwungen sieht, bis Ende 2023 ihre Geldpolitik in irgendeiner Art zu ändern.
SNB-Präsident Thomas Jordan hat an der Pressekonferenz zur Einschätzung allerdings deutlich gemacht, dass alle Prognosen «grossen Unsicherheiten» unterliegen. Das gilt auch für das weitere Wirtschaftswachstum, das laut SNB für die Schweiz im nächsten Jahr mit 3 Prozent (nach 3,5 Prozent 2021) hoch bleiben soll, was auch die Lage am Arbeitsmarkt weiter verbessern würde. In der Schweiz wie international könnten aber virusbedingte Einschränkungen dieses Bild trüben.
Den Frankenkurs weiter im Fokus
Wie bisher begründet die SNB ihre Geldpolitik weiterhin mit einem «hoch bewerteten» Franken. Wobei Thomas Jordan nie konkretisiert, was «hoch» genau bedeutet.
Die jüngste Verteuerung des Frankens sei durch den Umstand der gleichzeitig stärker steigenden Preise im für die Schweizer Wirtschaft relevanten Ausland praktisch neutralisiert worden, führte Jordan aus.
Die aktuelle Aufwertung des Frankens hält man deshalb bei der SNB für weniger problematisch als früher. Einer weiteren Aufwertung will sie sich aber mit Interventionen an den Devisenmärkte entgegenstemmen. Bereits in den letzten zwei Wochen hat sie gemessen an den Giroguthaben der Banken wieder mit mehr als 3 Milliarden Franken Devisen gekauft.
Nein zu Staatsfonds-Ideen
Die Devisenmarktinterventionen der SNB sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass deren Bilanz bereits die Schwelle von einer Billion Franken überschritten hat und nun das 1,3-Fache der Schweizer Wirtschaftsleistung umfasst. Das zeigt sich in keinem Land der Welt.
Einem diese Woche von drei renommierten Ökonomen detailliert ausgearbeiteten Vorschlag für einen Staatsfonds aus einem Teil dieser Devisenreserven erteilte Thomas Jordan eine deutliche Abfuhr. Wie schon bei früheren Vorstössen sieht er darin eine Gefahr für die geldpolitische Flexibilität der Nationalbank.
Warnungen ohne Folgen zum Immobilienmarkt
Die grösste Gefahr der anhaltend tiefen Zinsen zeigen sich weltweit an den Kapital- und vor allem den Immobilienmärkten. Darauf wies der im nächsten Sommer zurücktretende SNB-Vize Fritz Zurbrügg an der Konferenz der SNB erneut hin.
Weltweit sei die Finanzstabilität durch «Anzeichen einer Überbewertung auf den Aktien- und Immobilienmärkten» und durch eine hohe Verschuldung von Unternehmen und Staaten gefährdet. Ein hoher Zinsanstieg würde daher ein grosses Risiko darstellen. Das gelte besonders auch für die Immobilienmärkte in der Schweiz und für die Banken, die diese Märkte mit Hypotheken befeuerten.
Immerhin würden «die meisten» Institute über ausreichende Kapitalpuffer verfügen, sollten die Immobilienpreise einbrechen.
Wiederholt erklärte Zurbrügg deshalb, dass die SNB regelmässig prüfe, den im Zuge der Corona-Krise ausgesetzten höheren Kapitalpuffer für die Banken wieder vom Bundesrat zu fordern. Warum sie das bisher nicht getan hat, konnte Zurbrügg nicht befriedigend beantworten.
Die Europäische Zentralbank im Nacken
Solange die Europäische Zentralbank sich bei den Zinsen nicht bewegt, wagt die SNB ohnehin kein Vorangehen, weil sie sonst eine erhöhte Attraktivität für den Franken befürchtet.
Wie aber EZB-Chefin Christine Lagarde ebenfalls am Donnerstag deutlich gemacht hat, wird ihr Institut trotz der mit 4,9 höchsten Inflation seit Bestehen der Notenbank die Zinsen mindestens bis 2023 nicht erhöhen. Aktuell liegt ihr tiefster Leitsatz bei minus 0,5 Prozent. Konkret will sie das nicht tun, solange sie weiter Staatsanleihen aufkauft, und diese Käufe plant sie noch im gesamten nächsten Jahr fortzusetzen.
Die EZB geht davon aus, dass die Inflation sich im Laufe des nächsten Jahres wieder auf weiterhin hohe 3,2 Prozent reduzieren wird. Erst 2023 soll sie wieder unter den mittelfristigen EZB-Zielwert von 2 Prozent fallen.
Schubumkehr in den USA und in Grossbritannien
Anders als in Kontinentaleuropa sieht es in angelsächsischen Ländern aus. In den USA ist nach den Verlautbarungen des Fed schon im nächsten Jahr mit drei Erhöhungen des Leitzinses auf 0,9 Prozent zu rechnen und weiteren im Jahr 2023. Zudem will sie ihre Anlagenkäufe statt bis zum Sommer bereits bis zum März beenden.
Ein Grund für das forschere Vorgehen in den USA ist nicht nur die höhere Teuerung von 6,8 Prozent im November, sondern auch eine im Vergleich zu Europa stärker wachsende Wirtschaft. Bereits einen ersten Zinsschritt vollzogen hat am Donnerstag die Notenbank von Grossbritannien. Sie hob ihren Leitzins um 0,15 Prozent auf 0,25 Prozent an.
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