Waffen für die UkraineUSA schliessen Lieferung von Kampfflugzeugen nicht aus
Kiew denkt an westliche Jets der vierten Generation. Die USA wollen das Anliegen «sehr sorgfältig» diskutieren. Fliegen bald auch westliche Kampfflugzeuge für die Ukraine?
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat im Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Bitte aufgegriffen, die andere Mitglieder seiner Regierung zuvor schon öffentlich vorgetragen hatten: Nach der Zusage für die Lieferung von Kampfpanzern westlicher Bauart durch die USA, Grossbritannien, Deutschland und weitere Staaten brauche sein Land nebst weitreichenden Raketen auch Kampfflugzeuge. Ein Berater von Verteidigungsminister Oleksi Resnikow machte deutlich, dass Kiew dabei an westliche Jets der vierten Generation denkt, also etwa F-16 aus amerikanischer Produktion oder deren europäische Pendants.
In Deutschland hat Bundeskanzler Olaf Scholz solcherlei Lieferungen ausgeschlossen. «Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich sehr früh klargestellt und mache das auch hier», sagte Scholz bereits am Mittwoch bei einer Befragung im Bundestag. Das hätten er und US-Präsident Joe Biden schon in der Debatte um eine Flugverbotszone klargemacht, die kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine aufgekommen war.
Schlagkraft erhöhen
Vorsichtiger äussern sich dagegen Verbündete, nicht zuletzt die USA. Der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von Präsident Joe Biden, Jon Finer, sagte dem Fernsehsender MSNBC am Donnerstag, die Vereinigten Staaten würden die Idee der Lieferung von Kampfjets «sehr sorgfältig» mit der Ukraine und den Alliierten diskutieren. Der niederländische Aussenminister Wopke Hoekstra hatte vergangene Woche bereits gesagt, es gebe keine Tabus bei der militärischen Unterstützung; sein Land stehe etwaigen Anfragen aufgeschlossen gegenüber. Für die US-Regierung erläuterte Finer, man habe «keine bestimmten Waffensysteme von vornherein ausgeschlossen oder zugesagt», sondern immer versucht, «unsere Unterstützung masszuschneidern auf die Phase der Kämpfe, in der sich die Ukraine gerade befindet».
Militärisch würde die Lieferung von Kampfjets die Schlagkraft der ukrainischen Streitkräfte zweifellos erhöhen, sowohl bei der Abwehr russischer Luftangriffe als auch bei der Unterstützung der Bodentruppen. Die ukrainische Luftwaffe hatte in den ersten Wochen des Kriegs zwar einen erheblichen Teil ihrer Flugzeuge verloren, es gelang ihr aber, die unbeschädigten Maschinen weiter in die Luft zu bringen, oft von Behelfsflugplätzen aus. Die russischen Streitkräfte haben dagegen nie eine unangefochtene Lufthoheit über der Ukraine errungen. Nach der Lieferung westlicher Flugabwehrsysteme hat Russland die Einsätze von Kampfjets sogar deutlich reduziert.
Sowjetische Jets
Sollte sich unter den westlichen Staaten ein Konsens bilden, Kiew auch mit Flugzeugen zu unterstützen, kämen dafür aufgrund der hohen Kosten, der Komplexität der Systeme und der nötigen Ausbildung womöglich zunächst nicht die gewünschten westlichen Maschinen infrage. Ähnlich wie bei den frühen Panzerlieferungen könnte die Ukraine aber Jets sowjetischer Bauart erhalten, vor allem des Typs MiG-29, ein zweistrahliger Jäger, der auch für andere Rollen Verwendung findet und das Rückgrat der ukrainischen Luftwaffe bildet. Die Slowakei hat im Oktober des vergangenen Jahres ihre Flotte von 13 Maschinen endgültig ausser Dienst gestellt. Die Regierung in Bratislava hat mehrfach ihre Bereitschaft erklärt, die Flugzeuge an die Ukraine zu verkaufen. Aussenminister Rastislav Kacer hatte schon im Dezember gesagt, sein Land werde mit den Alliierten sprechen, wie die Flugzeuge an die Ukraine übergeben werden könnten.
Vorwürfe aus Moskau
Polen hatte im Frühjahr 2022 angeboten, seine Flotte von 22 MiG-29 der Ukraine zu überlassen. Die USA hatten das damals zurückgewiesen und mit der Gefahr einer direkten Beteiligung der Nato an dem Krieg begründet. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte diesbezüglich am Donnerstag, es kämen ständig Erklärungen aus europäischen Hauptstädten und Washington, dass die Entsendung verschiedener Waffensysteme in die Ukraine, einschliesslich Panzern, in keiner Weise eine Mitwirkung dieser Länder oder des Bündnisses an Feindseligkeiten in der Ukraine bedeute. «Dem stimmen wir kategorisch nicht zu.» In Moskau werde alles, was das Bündnis und die von Peskow erwähnten Hauptstädte tun, «als direkte Mitwirkung an dem Konflikt angesehen».
Sollte Polen sein Angebot erneuern und diesmal nicht von den USA gebremst werden, käme vermutlich auch die deutsche Regierung wieder ins Spiel: Die von der polnischen Luftwaffe noch betriebenen Maschinen stammen dem Vernehmen nach ursprünglich aus Beständen der Nationalen Volksarmee und waren im Jahr 2003 von Deutschland für den symbolischen Preis von einem Euro pro Flugzeug an Polen abgegeben worden.
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