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Interview mit Aymo Brunetti
«Die UBS ist nach der Übernahme der Credit Suisse viel zu gross für die Schweiz»

«Die staatliche Rettung einer Bank widerspricht jeglichen marktwirtschaftlichen Regeln und ist total unfair»: Volkswirtschaftsprofessor Aymo Brunetti an der Universität Bern.
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Herr Brunetti, werden wir in ein paar Jahren auch die neue UBS retten müssen?

Es liegt zumindest in der Natur der Sache, dass Banken Geschäftsmodelle haben, die sehr krisenanfällig sind. Krisen sind deshalb nie auszuschliessen. Was aber nicht mehr passieren darf, ist, dass sie gerettet werden müssen. Eine Bank muss in Konkurs gehen können. Die staatliche Rettung einer Bank widerspricht jeglichen marktwirtschaftlichen Regeln und ist total unfair.

Nun musste aber ausgerechnet die Schweiz in den vergangenen 15 Jahren zwei Mal eine globale systemrelevante Bank mit staatlichen Mitteln retten, nicht die USA oder Grossbritannien. Ist die Regulierung zu schwach?

Das glaube ich nicht. Sie entspricht mindestens internationalen Standards. Es ist aber sehr wichtig, dass der Fall Credit Suisse möglichst rasch aufgearbeitet wird. Dazu braucht es sicher so etwas wie eine parlamentarische Untersuchungskommission, welche die politischen Akteure unter die Lupe nimmt. Die Frage nach der Verantwortlichkeit ist für mich allerdings nicht so interessant wie die nach den Lehren, die für die Zukunft daraus gezogen werden. Wie kann eine Grossbank wirklich global in Konkurs gehen?

Genau das sollte das «Too big to fail»-Regime eigentlich bewerkstelligen. Sie waren Präsident der Expertengruppe, die dieses Regime ausgearbeitet hat. Nach dem Notverkauf der Credit Suisse an die UBS wurden Sie kritisiert, weil erneut eine Grossbank mit Staatsgeldern gerettet werden musste und nicht abgewickelt wurde. Wie stehen Sie dazu?

Wir wissen nicht, ob und wie es funktioniert, weil die Bank eben nicht gemäss diesen Regeln abgewickelt wurde. Meiner Ansicht nach hat man diesen letzten Schritt nicht getan, weil mit der Fusion eine weniger disruptive Lösung gefunden wurde. Wir haben nie behauptet, dass die Abwicklung einer globalen Grossbank ein Spaziergang sein würde, ganz im Gegenteil. Entscheidend ist aber, ob sie machbar ist, ohne eine Katastrophe auszulösen. Und ob das gegangen wäre, wissen wir heute nicht. Diese Frage möglichst rasch zu klären, ist matchentscheidend für die zukünftige Regulierung. Diese «Too big to fail»-Regelungen sind zudem keine Schweizer Spezialität. Alle Finanzplätze regulieren ihre Grossbanken so.

Im Abschlussbericht, den Ihre Expertengruppe 2015 veröffentlichte, äusserten Sie bereits Zweifel an dem Regime. Wieso hat man darauf nicht reagiert?

Als wir den Bericht erarbeitet haben, war uns klar, dass die Banken bei weitem noch nicht bereit waren für ein geordnetes «Too big to fail»-Abwicklungsverfahren. Auf höhere Kapitalanforderungen für die Finanzinstitute hat man sich damals ziemlich rasch geeinigt. Es war aber immer klar, dass der zentrale Teil der Regulierung ist: Was passiert, wenn eine Bank in Schieflage gerät und sie saniert werden muss oder wenn sie in Konkurs geht? Seither haben die Banken wegen der Regulierungen mit grossem Aufwand ihre Geschäfte so umgebaut, dass wir heute viel weiter sind und es funktionieren könnte.

Woran hatte es gefehlt?

Die Banken mussten sich zunächst so reorganisieren, dass der Schweizer Teil innerhalb eines Wochenendes herausgelöst werden kann. Und dann war die schwierige Frage zu lösen, wie mit dem Rest der Bank umgegangen wird. Der darf ja nicht einfach ungeordnet in Konkurs gehen. Also wie lässt sich beispielsweise im Krisenfall das Eigenkapital einer Bank so verteilen, dass der Schweizer Teil herausgelöst und der Rest saniert, oder falls das nicht geht, geordnet abgewickelt werden kann?

«Wenn man eine Bank nur in Konkurs gehen lassen kann, wenn absolut schönes Wetter vorherrscht und eine einzelne Bank von einem Blitzschlag getroffen wird, dann bringt ein solches Regime nichts.»

Vor wenigen Wochen hat die Finanzmarktaufsicht der UBS und der Credit Suisse bescheinigt, dass ihre Pläne für die globale Abwicklung funktioniert hätten. Trotzdem ist «Too big to fail» beim Notverkauf der CS grösstenteils in der Schublade geblieben. Irritiert Sie das nicht?

Die Begründung der Behörden und der Politik, dass es zu einer globalen Finanzkrise gekommen wäre, wenn das «Too big to fail»-Regime bei der CS zur Anwendung gekommen wäre, ist für mich zu pauschal und unspezifisch. Es kann sein, dass es stimmt, aber dafür möchte ich mehr Analysen und Belege sehen.

Seitens der Finanzmarktaufsicht heisst es, «Too big to fail» wäre dann anwendbar gewesen, wenn es sich nur um eine einzelne Bank gehandelt hätte, die in Schieflage geraten ist, und sich die Finanzmärkte gleichzeitig positiv entwickeln.  

Wenn man eine Bank nur in Konkurs gehen lassen kann, wenn absolut schönes Wetter vorherrscht und eine einzelne Bank von einem Blitzschlag getroffen wird, dann bringt ein solches Regime nichts. Da muss man die Latte schon höher legen: Eine globale systemrelevante Bank muss in allen plausiblen Krisenszenarien in Konkurs gehen können.

Trotzdem, auch diesmal war erneut Notrecht nötig, um die Credit Suisse zu retten. Um der Bank eine zusätzliche Geldspritze zu verschaffen, wurde die staatliche Liquiditätssicherung für systemrelevante Banken mittels Notrecht ins Leben gerufen. Warum hat es die Politik verpasst, das Instrument rechtzeitig auf regulärem Weg zu verabschieden?

Tatsächlich ist der Reformelan hier in den letzten Jahren stark erlahmt. Dabei war schon länger klar, dass Banken im Krisenfall diese zusätzliche Liquidität brauchen. Um diesen letzten notwendigen Schritt in der «Too big to fail»-Regulierung zu gehen, hat der politische Wille gefehlt. Man war in der Schweiz der Meinung, das Thema sei erledigt, und wollte den Banken nicht noch zusätzliche Auflagen machen.

Lag es letztlich an den beteiligten Akteurinnen und Akteuren, dass «Too big to fail» bei der Credit Suisse nicht eingesetzt wurde? Laut der Finanzmarktaufsicht lag der Plan dafür am besagten Sonntag fertig in der Schublade.

Um das zu verstehen, brauchen wir vertiefte Analysen, unter anderem durch eine parlamentarische Untersuchungskommission. Für mich ist noch nicht bewiesen, dass man die Credit Suisse nicht hätte in Konkurs gehen lassen können. Was am 19. März geschehen ist, will ich aber keinesfalls schönreden. Die Rettung der Credit Suisse war ausserordentlich hässlich und ist für mich mit ziemlich vielen Fragezeichen behaftet.

«Es ist nicht die Aufgabe der Nationalbank, ins Risiko zu gehen und eine Bank vor dem Konkurs zu retten.»

Welche zum Beispiel?

Am meisten stört mich, dass Garantien aus Steuergeldern gesprochen werden mussten, es also eine staatliche Rettung war. Und dass die Nationalbank der Credit Suisse zusätzliche Liquiditätsgarantien gewährt hat, für die es keine erstklassigen Sicherheiten gibt und nur ein Konkursprivileg gilt. Damit übernimmt die Nationalbank einen Teil von dem, was eigentlich ein politischer Entscheid sein und deshalb der Bund garantieren müsste. Das ritzt an ihrer Unabhängigkeit.

Wie meinen Sie das?

Braucht eine Bank zusätzliche Liquidität, so kann die Nationalbank ihr diese gegen erstklassige Sicherheiten zur Verfügung stellen. Das könnten Hypotheken sein, die mit werthaltigen Immobilien unterlegt sind. Es ist aber nicht ihre Aufgabe, ins Risiko zu gehen und eine Bank vor dem Konkurs zu retten. Macht die Nationalbank dies, fängt sie an, Staatsaufgaben zu übernehmen. Wenn das Notrecht aus der CS-Rettung in reguläres Recht überführt wird, müssen diese zusätzlichen Liquiditätsgarantien meines Erachtens unbedingt weg.

Jetzt muss das Notrecht in ordentliches Recht überführt werden. Diese zusätzlichen Liquiditätsgarantien sollen bis 2027 befristet gelten, mit der Begründung, man wolle ein nützliches Instrument nicht wieder abschaffen, bevor es Alternativen dafür gibt. Was sagen Sie dazu?

Ich verstehe das Argument, finde aber, dass diese Liquiditätsgarantien schon deutlich früher abzuschaffen sind. Genau dafür ist ja neu die staatliche Liquiditätssicherung für systemrelevante Banken da. Am Vernehmlassungsbericht stört mich aber vor allem, dass an zumindest einer Stelle ganz direkt gesagt wird, dass ausserordentliche Situationen eine staatliche Beihilfe für Grossbanken erfordern könnten und was dann zu tun sei. Wird diese Möglichkeit offiziell in Betracht gezogen und geregelt, dann verabschieden wir uns vom Ziel der «Too big to fail»-Regulierung und geben unserer Grossbank letztlich eine Staatsgarantie.

«Die Bilanz der UBS ist nach der Übernahme der Credit Suisse gemessen an der Wirtschaftsleistung viel zu gross für die Schweiz», sagt Aymo Brunetti.

Reden wir über die neue UBS: Bankchef Sergio Ermotti weist die Kritik an der Grösse der Bank zurück. Ihm kommt es darauf an, wie risikoreich die Geschäfte sind, die sie betreibt. Stimmt das?

Für mich zählt einzig, ob eine Bank in Konkurs gehen kann oder nicht. Mit Risikominderung können wir zwar die Wahrscheinlichkeit einer Staatsrettung reduzieren, das «Too big to fail»-Problem aber nicht lösen.

Aber lässt sich das überhaupt lösen? Die Reaktion der Behörden beim Notverkauf der CS hat doch gezeigt, dass sie dem «Too big to fail»-Regime für Banken zumindest nicht vertrauen.

Für mich hat das Regime den klaren Vorteil, dass es der bei weitem unbürokratischste Ansatz ist. Der Staat schreibt der Bank nicht prinzipiell vor, welche Geschäfte sie betreiben soll. Sie muss einfach in Konkurs gehen können, ohne eine Krise auszulösen. Das muss auch im Interesse der UBS sein, denn wenn dieser Weg nicht funktioniert, dann bleiben nur direkte Eingriffe in das Geschäftsmodell der Bank.

Aber genau darauf wird es doch hinauslaufen?

Deshalb müssen wir möglichst rasch analysieren, ob ein globaler Konkurs möglich ist und ob es dafür allenfalls nötig und möglich ist, das bisherige Regime zu verbessern. Ist das nicht der Fall, muss die Bank auf anderem Weg dazu gebracht werden, dass sie in Konkurs gehen kann.

Wie denn? Zum Beispiel durch eine Aufteilung der UBS in verschiedene Teile, also ein Trennbankensystem?

Indem sie keine Geschäfte mehr betreibt, die einen globalen Konkurs verunmöglichen. Eine Bank aufzusplitten, ist immer reaktiv nach einer Krise. Und bei jeder Innovation in allen Geschäftsbereichen muss möglicherweise mühsam und detailliert nachreguliert werden. Für mich ist das kein vernünftiger Weg. Ein besserer Ansatz, der das Problem aber auch nicht grundsätzlich löst, wäre, dass die UBS deutlich mehr Eigenkapital aufbaut.

Im Parlament ist zuletzt ein Vorstoss der SP angenommen worden, der eine Rate vom 15 Prozent beim harten Kernkapital vorsieht.

Dass die Banken mehr Eigenkapital aufbauen müssen, wird wohl ziemlich sicher kommen und ist sehr sinnvoll. In welchem Umfang, ist noch unklar. Aber wenn es die zum Teil kolportierten 20 oder 30 Prozent sind, dann wird das im Effekt wie ein Trennbankensystem wirken: Ziehen andere Länder nicht nach, dürfte die UBS ihren Hauptsitz nicht mehr in der Schweiz haben wollen.

«Selbst wenn die UBS die CS Schweiz in die Selbstständigkeit entlässt, ist das ‹Too big to fail›-Problem noch nicht gelöst.»

Warum gehen Sie davon aus?

Wegen der deutlich geäusserten Ambitionen der Bank, ein globaler Player zu sein.

Würden wir die Risiken nicht einfach outsourcen, wenn die UBS die Schweiz verlässt?

Die Bilanz der UBS ist nach der Übernahme der Credit Suisse gemessen an der Wirtschaftsleistung viel zu gross für die Schweiz. Wir hatten in der Vergangenheit zweimal einen Grossunfall mit Grossbanken. Wir können uns das Risiko schlicht nicht noch ein drittes Mal leisten. Führt die Regulierung dazu, dass die Bank ihren Sitz verlegt, ist es an den anderen Finanzplätzen, ebenfalls ähnliche Regulierungen zu erlassen, um die Risiken in den Griff zu bekommen. Aber wie gesagt: Wesentlich besser wäre es, die Bank wäre global konkursfähig und könnte damit weiterhin den Hauptsitz in der Schweiz haben.

Sergio Ermotti hat angekündigt, bis Ende des Sommers eine Lösung für die Credit Suisse Schweiz zu präsentieren. Sollte die UBS die CS Schweiz wieder abspalten?

Von der Sache her wäre die UBS gut beraten, die Credit Suisse Schweiz in die Selbstständigkeit zu entlassen. Entscheidend ist: Das hat wenig mit der Lösung des Problems zu tun. Nach einer Abtrennung der CS Schweiz ist die UBS immer noch global «too big to fail». Das Problem besteht nicht nur in der Schweiz, sondern offensichtlich noch stärker im Ausland. Das war ja die offizielle Begründung für die Rettungsaktion.

Wie lässt sich das Problem eines möglichen Konkurses der neuen UBS lösen? Ist das überhaupt möglich?

Bisher ging die Regulierung in der Schweiz und international davon aus, dass es möglich ist. Käme man in der Analyse zum Schluss, dass es nicht möglich ist, dann müsste man akzeptieren, dass eine Bank für den Krisenfall eine Staatsgarantie hat. Das kann es meines Erachtens aber nicht sein. Einer Besitzerin oder einem Besitzer eines KMU kann man nicht vermitteln, wieso der Staat die UBS retten würde, wenn sie in Schieflage gerät, und das KMU nicht.

Muss man es bei einer Bankenkrise wirklich bis zum Kollaps kommen lassen. Könnte die Aufsicht denn nicht früher eingreifen?

Bis jetzt galt: Verfügte eine Bank über genügend Liquidität und Eigenkapital, konnten die Behörden faktisch nicht einschreiten. Das ist nicht genug. Die Finanzmarktaufsicht sollte auch bei anderen deutlichen Krisenanzeichen eingreifen können, ja sogar müssen – beispielsweise bei einem sehr starken Absturz des Aktienkurses oder einem extremen Anstieg der Kosten für Kreditausfallsversicherungen. Beides war bei der CS in den Wochen vor ihrem Kollaps der Fall. Das sind beides Anzeichen dafür, dass die Finanzmärkte nicht mehr an das Geschäftsmodell einer Bank glauben.