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Krieg in der Ukraine
Die Jagd nach den Superjachten der Oligarchen

Die Superjacht Scheherazade ist eine der grössten der Welt und könnte einem russischen Oligarchen gehören. Momentan versucht die italienische Polizei, den Besitzer zu ermitteln.
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Der Westen hat den russischen Oligarchen den Kampf angesagt. Man wolle ihre Jachten, Luxuswohnungen und Privatjets finden und beschlagnahmen, sagte US-Präsident Joe Biden in seiner Rede zur Lage der Nation. Auch in Europa arbeiten mehrere Länder mit Hochdruck daran, die Sanktionen umzusetzen. Frankreich hat die Luxusjacht Amore Vero von Igor Setschin im Hafen von La Ciotat festgesetzt.

Auch Italien hat bereits Oligarchen-Jachten sichergestellt, unter anderem die Lena mit einem geschätzten Wert von 50 Millionen Franken sowie die Lady M, die etwa 65 Millionen Franken kosten soll. Die Schiffe gehören russischen Vertrauten von Wladimir Putin, die auf der Sanktionsliste der EU stehen.

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Die in Nizza liegende Stella Maris soll dem russischen Milliardär und Ölmagnaten Rashid Sardarov gehört haben und wurde offenbar vor kurzem verkauft.
Die Jacht Amore Vero wurde am 3. März in La Ciotat (Frankreich) im Rahmen der EU-Sanktionen beschlagnahmt. Sie gehört Igor Setschin, einem Putin-Verbündeten, der den russischen Ölgiganten Rosneft leitet.
Ein Auto der italienischen Finanzpolizei parkt am 5. März 2022 im Hafen von San Remo vor der Jacht Lena, die Gennadi Timtschenko gehört, einem Oligarchen, der dem russischen Präsidenten nahesteht.

Und jetzt haben die italienischen Behörden eine der grössten Superjachten der Welt ins Visier genommen, die Scheherazade – ihr Wert wird auf 700 Millionen Franken geschätzt. Der Besitzer ist noch nicht bekannt, doch der Kapitän hat mittlerweile die Schiffspapiere der Polizei übergeben, wie er der «New York Times» sagt. Er selber dürfe den Eigentümer aufgrund einer Schweigeklausel in seinem Vertrag nicht verraten. Es könnte sich beim Besitzer um einen Russen handeln, sogar Wladimir Putin selber kann nicht ausgeschlossen werden.

Unter den Superjachten ist die Scheherazade die einzige, deren Eigentümerschaft nicht öffentlich bekannt ist. Der Kapitän verneint allerdings, dass sein Chef auf einer Sanktionsliste stehe, und beteuert, dass sich die Sache bald aufklären werde. Bis dahin ist über die 140 Meter lange Jacht nur wenig bekannt. Sie wurde 2020 fertiggestellt und liegt seither meistens im Hafen von Carrara, zwischen Genua und Livorno. Die lokale Bevölkerung nenne das Schiff «Putins Jacht», obwohl niemand genau wisse, wem sie gehöre. Das Gerücht hält sich offenbar seit Monaten hartnäckig.

Zwei Ausflüge ins Schwarze Meer

Der Besitzer könnte auch ein Milliardär aus dem arabischen Raum sein, mutmassen Jacht-Fans im Internet. Darauf weist der Name Scheherazade hin, es ist eine der Hauptfiguren in «Tausendundeiner Nacht». Allerdings trägt auch ein Stück des russischen Komponisten Nikolai Rimski-Korsakow diesen Namen. Und 70 Prozent der Crew des Schiffs sind nach Angaben des Kapitäns Russen. Auch die Anwohner in der Toskana bestätigen, dass auf dem Schiff Russisch gesprochen werde.

Wladimir Putin, so viel steht fest, hat eine Vorliebe für Jachten und wurde schon oft auf solchen gesichtet. Zuletzt etwa mit dem weissrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko im Schwarzen Meer vor Sotschi. Auch die Scheherazade tauchte dort gemäss den GPS-Daten des Schiffs zweimal auf, zuletzt im Juli 2021. Ganz in der Nähe von Putins Palast am Schwarzen Meer.

Der «New York Times» hat ein ehemaliger Mitarbeitender anonym Auskunft gegeben. Offen zu reden, sei zu gefährlich, sagte er, aber das Schiff habe eigentlich zwei Crews, eine internationale Besatzung, wenn der «Boss» nicht an Bord sei, und russisches Personal, wenn der Chef anwesend sei. Der Kapitän stellt das anders dar, es gebe nicht zwei verschiedene Crews. Viele der ausländischen Mitarbeitenden seien aber 2020 durch russisches Personal ersetzt worden, da dieses weniger hohe Lohnforderungen stelle. 

Vermögen werden schnell versteckt

Der Fall der Scheherazade zeigt, wie kompliziert die Suche nach dem Vermögen der Oligarchen ist, denn diese wissen ihre Reichtümer gut zu verstecken. Exemplarisch dafür steht Alexei Mordaschow, Grossaktionär beim deutschen Reisekonzern TUI. Am Abend des 28. Februars ahnt der Russe wohl, dass er auf der EU-Sanktionsliste gegen mehrere Oligarchen landen wird. Also verschiebt er sein rund eine Milliarde Franken teures Aktienpaket in letzter Minute in ein Steuerparadies. Wenige Stunden später veröffentlicht die EU ihre Sanktionsliste, auf der sich der Name von Mordaschow tatsächlich befindet.

Wieder mal zu spät dran. Die westliche Welt merkt, dass russische Oligarchen ihre Vermögen schnell verstecken können. Sie merkt aber auch, dass es der Westen selbst ist, der die Schlupflöcher dazu bietet. Bestimmte Fachleute bei Banken, Wirtschaftsprüfern und Anwaltskanzleien – in demokratischen Staaten hervorragend ausgebildet – assistieren Putin-Freunden und Finanzkriminellen bereits seit vielen Jahren, den Rechtsstaat zu karikieren. 

«Die Oligarchen sind vorbereitet auf Sanktionen. Ihre Vermögen werden über unterschiedliche Firmenkonstruktionen gehalten, der Name des Oligarchen steht nicht im Grundbuch», sagt Anti-Geldwäscheexperte Uwe Heim. «Am Ende werden nicht jedes einzelne Kreditinstitut und jede Behörde in der Lage sein, die wirtschaftlichen Eigentümer festzustellen.»

Steueroasen verschleiern Besitzer

Manchmal sind diese bekannt, wie im Falle des Oligarchen Alischer Usmanow. Die EU stuft den 68-jährigen Herrscher über ein Stahl- und Medienimperium als kremlfreundlichen Unternehmer mit besonders engen Verbindungen zum Machthaber Putin ein – deshalb wurde sein Vermögen eingefroren. Das bedeutet, dass er beispielsweise seine drei Immobilien in Deutschland nicht verkaufen darf. Er darf sie aber behalten und Freunde darin wohnen lassen. Auch bereits begonnene Renovationsarbeiten dürfen weitergeführt werden.

Gleiches gilt auch für Usmanows Superjacht Dilbar, die grösste der Welt – 156 Meter lang und zwischen 600 und 750 Millionen Dollar teuer. Sie liegt derzeit in der Hamburger Werft und dürfte dort eine Weile bleiben – die Arbeiten wurden eingestellt, weil der Oligarch das Personal aufgrund der Sanktionen nicht mehr bezahlen kann. Die 80-köpfige Besatzung hat das Schiff mittlerweile verlassen, wie die «Handelszeitung» schreibt.

Die Jacht Dilbar ist momentan die grösste der Welt, ihr Wert: 600 bis 750 Millionen Dollar. Sie gehört dem russischen Oligarchen Alischer Usmanov.

Usmanows Besitztümer waren bekannt, andere sind aber kaum zu finden. «Diese Sanktionen klingen superhart, aber der Teufel steckt im Detail», sagt ein Insider, der damit betraut ist, solche Sachverhalte aufzuklären. Jetzt müsste jedes Grundbuchamt die Sanktionslisten abgleichen, um zu schauen, welche Immobilien den Oligarchen gehören. «Aber das nützt überhaupt nichts, wenn die Immobilie einer Strohfirma in einer Steueroase gehört und man nicht weiss, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist», kritisiert der Insider.

Apropos Steueroasen, diesen Weg nahm wohl auch Mordaschows TUI-Aktienpaket. Er verkaufte diese über Tochtergesellschaften an eine Firma namens Ondero Limited auf den Britischen Jungferninseln. Wer dahintersteht, weiss niemand, auch nicht TUI. Die EU-Sanktion zielte zwar darauf ab, Mordaschow die Verfügungsgewalt über sein Aktienpaket zu nehmen – es ist aber gut möglich, dass er die Kontrolle darüber immer noch hat, mit Sitz in einem britischen Offshore-Gebiet.

Oligarchen profitieren von mangelhaften Datenaustausch

Die Jungferninseln gelten als Steueroase, in der viele Briefkastengesellschaften ihren Sitz haben. Ermittler sagen, dass die britischen Offshore-Gebiete polizeiliche Anfragen und Rechtshilfeersuchen meistens beantworten – doch das Problem ist: Die Fahnder müssen dazu erst wissen, nach welchen Firmen sie fragen sollen. Aber wie viele und welche Firmen die Oligarchen kontrollieren, das weiss man eben nicht, weil die entsprechenden Transparenzregister – so es sie in einem Land überhaupt gibt – im Zweifel keine vollständigen oder schlicht falsche Informationen liefern.

Die russischen Superreichen profitieren bei der Vermögensverschleierung vom mangelhaften internationalen Informationsaustausch. Dazu kommt, dass die Ermittlungsbehörden in Europa bei der Geldwäschebekämpfung unterbesetzt – und die Rechtsstreitigkeiten teuer und langwierig sind. Darüber hinaus könne die Beweislage in diesen Fällen unterschiedlich sein, wenn ein Staat Geheimdienstinformationen besitze, die er nicht mit anderen Staaten teilen dürfe. «So kommt es, dass Sanktionslisten sich unterscheiden können, in der EU von der in den USA oder Grossbritannien.»

Italien will Oligarchen strenger überwachen

In Italien scheint die Staatsgewalt konsequenter vorzugehen. Die dortige Finanzpolizei ist im Kampf gegen die Mafia und die Beschlagnahme von Vermögen bei den Kriminellen sehr erfahren. Jetzt sind die Beamten unterwegs, um das Vermögen von Oligarchen aufzuspüren. 

Ein Auto der italienischen Finanzpolizei parkt am 5. März 2022 vor der Jacht Lady M, die dem russischen Oligarchen Alexei Mordaschow gehört und am Hafen von Imperia angedockt ist.

Ministerpräsident Mario Draghi macht klar, dass ihm derlei noch nicht reicht. Er schlägt vor, die Oligarchen in Zukunft strenger zu überwachen. «Die Idee ist», sagte Draghi, «ein internationales und öffentliches Register jener Oligarchen zu schaffen, die ein Vermögen von mehr als zehn Millionen Euro besitzen.» Nun sind zehn Millionen auf der Oligarchen-Skala noch nicht viel. Entsprechend viele reiche Russen müssten erfasst werden.

Ein solches Register könnte ein schlagkräftiges Instrument sein: Sobald es zwingend den wirtschaftlich Berechtigten einer Firma – sprich den wahren Profiteur – nennen muss, wäre das Briefkastenfirmen-Versteckspiel erschwert. Allerdings nur, wenn diese Informationen effektiv von den Behörden überprüft werden könnten.