Mamablog: Learnings zum 50. GeburtstagDie gechillte Mutter
Mit Gelassenheit und einem Augenzwinkern teilt unsere Autorin ihre Einsichten über das Älterwerden, Selbstakzeptanz und das Loslassen von Ballast.
Jetzt ist es also so weit. Das Kap ist erreicht. Ich bin diesen Monat 50 geworden. Ein halbes Jahrhundert. Mehr als die Hälfte meines Lebens liegt hinter mir, voraussichtlich. Natürlich blieben die Sprüche nicht aus. «Und, wie fühlt man sich?» «Jetzt gehts nur noch bachab.» «Nächste Etappe: Altersheim.» Höhöhö. So ähnlich, aber auch netter werde ich seither begrüsst. Natürlich schmunzle ich dabei. Und ja, es soll Menschen geben – oft sind es Frauen – die damit hadern, ihren Fünfzigsten zu feiern. Ich gehöre mit Sicherheit nicht dazu.
Denn schon seit ein paar Jahren merke ich, wie grossartig es sein kann, älter zu werden. Abgesehen von der nahenden Menopause mit all ihren Nebenwirkungen, auf die ich gerne in einem anderen Beitrag eingehen werde (oder auch nicht), empfinde ich mein Alter als äusserst befreiend. Selten zuvor habe ich mich so wohl in meiner Haut und in meinem Kopf gefühlt. Ich bin endlich, wer ich sein will, sein kann und schon immer war. Falls Ihnen das zu esoterisch erscheint, erkläre ich Ihnen gerne in meiner kleinen Hitparade, was ich damit meine:
Als harmoniesüchtiger Mensch versuchte ich früher immer, es allen recht zu machen – meinen Eltern, meinem Ehemann, der Schwiegerfamilie, meinen Kindern, meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen. Und heute? Versuche ich vor allem, es mir selbst recht zu machen. Mir gerecht zu werden und mich nicht zu verleugnen. Bin ich jetzt egoistisch? Mag sein. Aber ich bin viel zufriedener und davon profitiert mein Umfeld sicherlich auch. (Und wenn nicht, ist es nicht mein Problem.)
Ich sage meine Meinung, wenn es nötig ist, oder ich lasse es ganz bleiben. Nämlich dann, wenn es mir zu blöd ist. Manchmal lohnt sich der Ärger nicht, besonders, wenn Meinungen sowieso festgefahren sind. Meine Zeit ist mir dafür zu schade.
Obwohl meine Geduld für Dummheit und Intoleranz geringer geworden ist, bin ich im Allgemeinen ruhiger geworden. Ich nehme nicht mehr alles so ernst. Das gilt auch für doofe Kommentare, Schwurbler und Mansplainer. Sollen sie doch reden.
Ich akzeptiere mich selbst mit all meinen Macken und Schwächen, sowohl intellektuell als auch visuell. Was habe ich früher im Spiegel an mir rumgemäkelt, ohne zu realisieren, dass ich damals gar nicht schlecht aussah. Und diese Momente, in denen ich mich wegen meiner Zerstreutheit geschämt habe! Heute bin ich dick und älter, meine Haare glänzen weniger, die Oberarme winken mit. Mein Hirn läuft manchmal auf Hochtouren, manchmal habe ich ein Brett vor dem Kopf. Aber all das stört mich weniger, ich habe es akzeptiert (obwohl die Bikinisaison zugegeben noch immer nicht zu meiner liebsten Jahreszeit gehört). Oder wie Gloria Gaynor einst sang: «I am what I am.»
Heute weiss ich, was ich kann. Und nach 50 Jahren ist das auf jeden Fall nicht wenig. Darauf kann ich mich berufen, in vielen Situationen. Ausserdem schäme ich mich nicht mehr dafür, zuzugeben, wenn ich etwas nicht kann. Ich nenne das jetzt Outsourcing.
Bequem geht über trendy. High Heels sind Vergangenheit. Noch vor zehn Jahren habe ich ihnen nachgetrauert, denn ich hatte mir Jahre lang eingebildet, dass ich darin besser aussehe (was wohl auch stimmte). Aber die Schmerzen, die Blasen und die zusammen gestauchten Zehen sind es einfach nicht (mehr) wert. Dasselbe gilt auch für Bügel-BHs und enge Oberteile. Zum Teufel damit, ich will mich nicht fühlen wie eine Presswurst, aus der die letzte Luft rausgedrückt wird. Ich will nach dem Essen lange sitzen und mit Freunden quatschen, ohne dass mir dabei übel wird.
Auch mit 50 ist meine Zeit begrenzt, mein Tag hat immer noch nur 24 Stunden. Aber ich nehme mir mehr Zeit. Für mich selbst. Für meine Familie. Für meine Freundinnen. Meine Eltern. Denn mit 50 habe ich endlich begriffen, was wirklich wichtig ist: Menschen, die mir am liebsten sind, und meine Gesundheit. Alles andere ist nebensächlich.
Loslassen ist mein neues Mantra. Es gibt etliche Situationen im Leben einer 50-jährigen Mutter/Unternehmerin/Autorin, in denen Loslassen überlebenswichtig ist. Ob es nun unzufriedene Kunden sind, schwierige Teenager oder der Zeitdruck, mein Buch fertig zu schreiben. «Let it goooo!», wie es die Eisprinzessin sang.
Ich lasse auch bei mir selbst vermehrt los. Will heissen, ich verzeihe mir heute schneller. Denn ja, ich bin immer noch dieselbe. Chaotisch, rechthaberisch, zerstreut und verpeilt. Aber ich kenne mich gut genug, um mir zu verzeihen. Weil ich weiss, dass es in den letzten 50 Jahren gar nicht so schlecht rausgekommen ist.
Ich klinke mich aus. «Not my circus, not my monkeys» hat irgendein schlauer Mensch mal gesagt. Meist ist es auch gar nicht unser Zirkus und schon gar nicht sind es unsere Affen.
Und was haben Sie mit zunehmendem Alter gelernt, liebe Leserinnen und Leser?
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