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Papablog: Meine Corona-Erkenntnis
Und plötzlich ist Altwerden ok

Würdevoll altern? Kein Problem! Wenn wir uns über das freuen, was wir haben – und zusammen sind.
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Der Brecht hat Ende April Geburtstag, meine Frau Anfang Mai, Beebers und ich feierten im Oktober. Wobei, was heisst feiern? Im Jahr 2020 bedeuten diese Geburtsdaten: «Ja sorry, hähä, ihr könnt schon eine Party machen, aber halt ohne Menschen.»

Immerhin ersparte uns das ein aufwändiges Fest für den Brecht, der inzwischen doch zu viele Freunde angesammelt hat, um seinen Geburtstag nur im kleinen Rahmen zu zelebrieren. Aber wir Erwachsenen müssen halt auch ohne die grosse The-Great-Gatsby-Party auskommen. Ausgerechnet dieses Jahr, wo wir beide «einen Runden haben» und ein neues originalverpacktes Jahrzehnt anbrechen. Halb so schlimm. Mir kommt das ganz gelegen, da Feste zu meiner Ehren rasch einmal im stressbedingten Juckreiz enden. Dann doch lieber ein Kindergeburtstag im Zoo. Sobald die überzuckerten Gäste anfangen mit Fäkalien zu werfen, lasse ich sie einfach im Affenhaus zurück.

Andächtig sinnieren statt übermütig feiern

Ein eher einsamer Coronageburtstag bietet die Möglichkeit, über das Altern nachzudenken. Am Tag selbst, wenn die Gäste ausbleiben – aber auch davor, wenn man nicht noch eine Band organisieren, Einladungen kaligraphieren und Ballons aufpusten muss, sowie danach, wenn die Tatortreinigung entfällt.

Ich gebe zu, ich habe lange mit dem Altern gehadert. Fand den Gedanken beinahe unerträglich, dass sich der Fortschrittsbalken aufs Ende zubewegt. Die verlebte Zeit für immer verloren. Dabei könnte ich mir ganz gut vorstellen, meine Existenz noch ein paar hundert Jahre in die Länge zu ziehen.

Aber so eine lebenslange Midlifecrisis geht bös ins Geld, wenn man sich jedes Jahr wieder einen Porsche oder eine Harley zulegen muss. Nach einem kurzen Blick ins Onlinebanking beschloss ich, stattdessen an meiner Einstellung zu arbeiten: mich an dem zu erfreuen, was ich habe. Das ist einfach gesagt … und auch getan. Ganz ehrlich, ich dachte, es sei schwerer.

Ein Virus enthüllt das Glück der Zufriedenheit

Nun arbeite ich seit März fast ausschliesslich im Homeoffice – genau wie meine Frau. Auch Beebers und der Brecht kleben mir ständig am Hals. Beebers aufgrund von Bananenresten oftmals im wörtlichen Sinne. Und ich stelle fest: mein Leben hat mehr Qualität als je zuvor. Die jugendliche Freiheit ist kaum noch erstrebenswert und ich möchte auch nicht die Zeit anhalten. Vielmehr will ich mit diesen drei Nasen mein restliches Leben verbringen und freue mich auf das, was kommt. Auch wenn es bedeutet, dass ich dabei alt werde.

Mein Leben ist überhaupt nicht perfekt, aber gut genug.

Doch genug der salbungsvollen Worte. Jetzt will ich doch noch rasch eine Lanze für die gepflegte Midlifecrisis brechen: Wer das Leben in einem Porsche, auf einem Töff oder in wilden sexuellen Eskapaden so richtig spüren will, soll das unbedingt tun. Auf dass alle ihr persönliches Glück finden. Mich persönlich haben diese stereotypen Auswüchse noch nicht gelockt: Ich bin ganz zufrieden mit unserem Auto und zu faul für libidöse Abenteuer. Aber irgendeine zweifelhafte Idee wird mir auch noch einfallen. Und ich möchte nicht wissen, zu welchen Schandtaten ich ohne Familie fähig wäre.

Im Moment bin ich jedoch froh, mich nicht neu erfinden zu müssen. Mein Leben ist überhaupt nicht perfekt, aber gut genug. Das mag ambitionslos klingen, aber es ist die wichtigste Erkenntnis, die mich diese Pandemie bisher gelehrt hat. Grundsätzliche Zufriedenheit macht nämlich viel glücklicher als das ambitionierte Ziel eines potenziell perfekten Lebens.

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