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Sanktionen gegen Russland
Die EU will eine härtere Gangart gegenüber Putin

Unbeugsam: Alexei Nawalny während der Gerichtsverhandlung in Moskau. 
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Josep Borrell fasst sich kurz. «Die russischen Gerichte ignorieren weiter das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall von Alexei Nawalny», schreibt der EU-Aussenbeauftragte am Sonntag auf Twitter. Vor einem Moskauer Gericht war der Kremlkritiker mit seiner Berufung gescheitert: Er muss zweieinhalb Jahre in Haft.

Der EGMR hatte das 2014 ergangene Urteil als «willkürlich» bezeichnet, doch Russland ignoriert dies, obwohl es als Mitglied des Europarats dem EGMR folgen müsste. Borrell, der Anfang Februar vom russischen Aussenminister Sergei Lawrow gedemütigt worden war, wird am Montag mit den Aussenministern der 27 Mitgliedstaaten über die Massnahmen der EU beraten.

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In Brüssel gilt es als sicher, dass die Minister grünes Licht geben, um erstmals das Sanktionsregime der EU für Menschenrechte anzuwenden. In den nächsten Tagen werden Fachleute eine Liste mit Personen aus Russland erstellen, deren Konten in der EU gesperrt werden und die auch nicht mehr in die EU einreisen dürfen. Diese Liste müsse «politisch smart und rechtlich wasserdicht» sein, sagt Österreichs Aussenminister Alexander Schallenberg und spricht damit wohl seine Kollegen aus Polen und dem Baltikum an, die Oligarchen aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin ins Visier nehmen wollen.

Der Kreml warnt

Auch Diplomaten aus anderen EU-Ländern betonen aber, dass nur Personen bestraft werden können, bei denen durch öffentlich zugängliche Quellen nachweisbar sei, dass sie etwas mit der Verhaftung Nawalnys zu tun hätten. Dies wäre etwa bei Angehörigen des russischen Justizapparats der Fall. Seit längerem warnt Moskau vor Sanktionen. Die EU solle vorsichtig sein mit weiteren «leichtsinnigen Schritten», sagt die Sprecherin des Aussenministeriums, Marija Sacharowa, und droht mit «einer prompten und angemessenen Antwort».

Die frostigen Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel haben 2021 einen neuen Tiefpunkt erreicht. Russland und die EU «driften immer weiter auseinander, politisch, ideologisch und wirtschaftlich», schreibt etwa Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie Center.

Blamables Treffen für die EU: Josep Borrell (links) und der russische Aussenminister Sergei Lawrow in Moskau. 

Borrells Besuch hat offengelegt, wie tief der Graben ist. Der Spanier war mit dem festen Vorsatz nach Moskau gereist, nicht nur die Inhaftierung Nawalnys sowie die Gewalt gegen protestierende Unterstützer zu verurteilen, sondern für eine mögliche Zusammenarbeit zu werben. Dass die Staats- und Regierungschefs im März beim EU-Gipfel über Russland beraten werden, weiss man auch in Moskau. Dennoch empfing Lawrow den EU-Chefdiplomaten mit dem festen Vorsatz, ihn blosszustellen und die EU als «unzuverlässigen Partner» zu kritisieren.

Unverständliche Taktik

Aus europäischer Sicht erscheint diese Taktik unverständlich, der Eklat unnötig. Dem Kreml drohen neue Sanktionen, und die ohnehin kontroverse Gas-Pipeline Nord Stream 2 wird noch umstrittener diskutiert. Der bisher russlandfreundliche Borrell muss Härte zeigen, um Vertrauen zurückzugewinnen. Moskau kann durch weitere Eskalationen nur verlieren. Oder?

Der Affront gegen Borrell hatte einen ganz bestimmten Zweck für den Kreml: Er sollte westlichen Politikern zeigen, was passiert, wenn sie Nawalny weiter zum Thema der bilateralen Beziehungen machen. Dessen Vergiftung, Verhaftung und Verurteilung macht es europäischen Regierungschefs praktisch unmöglich, nicht bei jeder Gelegenheit seine Freilassung zu fordern. Lawrow hat ihnen vorgeführt, wie hoch der Preis sein kann. Denn die Ausweisung von drei Diplomaten während Borrells Visite war nicht nur eine Düpierung des Spaniers: Diplomaten aus fast allen 27 EU-Ländern hatten die Pro-Nawalny-Demonstrationen mit eigenen Augen verfolgt, doch bestraft wurden mit Schweden, Polen und Deutschland Länder, die laut Kritik geübt hatten.

Lawrow: Auf Bruch mit der EU vorbereitet

Überhaupt lässt sich der russische Machtapparat im Umgang mit Oppositionellen und Kremlkritikern nichts vorschreiben. Vor der Duma-Wahl im Herbst sind Konflikte praktisch unabwendbar. «Der Kreml kann weitere Hiebe durch Sanktionen aushalten, aber er wird von niemand Einmischung in Russlands innere Angelegenheiten dulden. Die Werte-Lücke zwischen der EU und Russland weitet sich schnell», schreibt der Carnegie-Experte Trenin. Ausländische Sanktionen sind zwar unerfreulich, aber keine ernsthafte Gefahr; tatsächlich sind einige russische Branchen autarker geworden. Lawrow hat vergangene Woche betont, Russland wäre auf einen Bruch mit der EU vorbereitet, falls es weitere Strafen geben sollte: «Wir wollen zwar nicht von der Welt isoliert sein, aber wir müssen dazu bereit sein.»

Die Forderung des EGMR, Nawalny freizulassen, weil dessen Leben in Gefahr sei, nannte das Justizministerium eine «unbegründete und schamlose Einmischung» in das Justizsystem eines souveränen Staates. 2020 hatte Putin mit der Verfassungsänderung russisches Recht bereits über internationales Recht gestellt.

Treffen mit Nawalnys Mitarbeiter

Bisher hat sich Nawalny kaum für Russlands Beziehungen zum Westen interessiert, aber durch seine Rettung in Deutschland wurde er zum aussenpolitischen Thema. Das russische Aussenministerium porträtiert ihn als Werkzeug westlicher Geheimdienste und suggeriert, dass europäische oder US-amerikanische Kräfte hinter der Vergiftung stecken, um dem Kreml zu schaden. Jeder, der Nawalnys Freilassung fordert, ist nach diesem Narrativ Russland nicht freundlich gestimmt. Insofern dürfte es den Kreml erzürnen, mit wem sich zahlreiche EU-Aussenminister am Sonntag in Brüssel treffen wollten: mit Leonid Wolkow, dem Büroleiter Nawalnys.