Brüssel und Moskau im StreitRussland droht EU mit Abbruch der Beziehungen
Aussenminister Sergei Lawrow will sein Land auf mögliche neue Sanktionen der EU-Länder vorbereiten – und verschärft mit einem Interview die Spannungen zwischen beiden Seiten.
Am Freitag zog ein Schneesturm über Moskau auf, ein tatsächlicher. Wettermetaphern sollte man nicht überstrapazieren, doch die Eiseskälte, die Russland und Teile Europas derzeit ergreift, verleitet dazu: Die Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel werden immer frostiger. Russland sei bereit, diese Beziehungen ganz abzubrechen, sagte am Donnerstag der russische Aussenminister Sergei Lawrow in einem Interview. Ein neuer Tiefschlag.
Der Aussenminister antwortete auf eine Frage des kremltreuen Talkmasters Wladimir Solowjow, ob Russland auf einen Bruch mit der EU zusteuere. Militärisch sei das Land bereits «völlig autark», erklärte Lawrow. Nun müsse man sich auch wirtschaftlich gänzlich unabhängig machen – für den Fall, dass der Westen weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschliesse. «Wir wollen uns nicht von der Welt isolieren, aber wir müssen dazu bereit sein», sagte Lawrow weiter. «Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor.»
Seine Drohung kommt nicht von ungefähr. Die Aussenminister der 27 Mitgliedsstaaten der EU werden noch im Februar über die Möglichkeit neuer Sanktionen beraten, die Vorbereitungen auf Expertenebene laufen bereits. Diese Massnahmen könnten sich gegen Vertraute von Präsident Wladimir Putin und womöglich auch gegen Angehörige des russischen Justizapparats richten.
Bereits erste Einreiseverbote und Vermögenssperren
Die EU würde damit auf die Verurteilung des Kremlkritikers Alexei Nawalny Anfang Februar reagieren. Nawalny wurde vorgeworfen, gegen alte Bewährungsauflagen verstossen zu haben, während er sich in Deutschland von einer Vergiftung erholte. Von der dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe muss er voraussichtlich zwei Jahre und zehn Monate absitzen.
Bereits im Oktober hatte die EU Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen sechs Funktionäre aus Putins Machtapparat beschlossen. Die EU macht diese Personen für den Anschlag auf Nawalny mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe verantwortlich. Russland hatte daraufhin seinerseits ebenfalls Einreisesperren verhängt. Seit Nawalnys Rückkehr und seiner Festnahme in Moskau haben sich die Beziehungen sogar noch weiter verschlechtert.
Am Freitag vergangener Woche besuchte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell Moskau trotz dieser Verwerfungen. Lawrow nutzte die gemeinsame Medienkonferenz, um die EU hart anzugreifen. Sie wende immer öfter «Sanktionen ohne jede legale Grundlage» an, klagte Lawrow.
Im Fall Nawalny wiederholte er seine Behauptung, dass russische und deutsche Ärzte keine verdächtige Substanz in dessen Körper gefunden hätten. Lawrow möchte so suggerieren, dass die Vergiftungsvorwürfe fabriziert seien. Mehrere europäische Labore hatten den chemischen Kampfstoff jedoch nachgewiesen. Während Lawrow und Borrell miteinander sprachen, wies Russland drei Diplomaten aus Deutschland, Schweden und Polen aus.
Alles nur ein Missverständnis?
«Ich hatte keine Illusionen vor dem Besuch, jetzt bin ich sogar noch besorgter als zuvor», sagte Borrell am Dienstag im Europaparlament. Es sei deutlich geworden, dass Russland nicht die Absicht habe, sich an einer konstruktiven Diskussion über Menschenrechte und politische Freiheiten zu beteiligen. Er kündigte an, den EU-Staaten konkrete Vorschläge für Sanktionen vorlegen zu wollen. Hierbei könnte das erst im Dezember beschlossene Menschenrechtssanktionsregime der EU zum Einsatz kommen.
Der Kreml erklärte am Freitag, Lawrows Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen und deswegen missverstanden worden. «Der Sinn besteht gerade darin, dass wir dies nicht wollen. Wir wollen Beziehungen zur EU entwickeln», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. «Aber wenn die EU diesen Weg beschreitet, dann – ja, dann werden wir bereit sein.»
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