Leitartikel zur Teilabschaffung der StempelsteuerDie Emissionsabgabe gehört abgeschafft – aber nicht jetzt
Weil der volkswirtschaftliche Nutzen – falls er überhaupt existiert – nur klein ist, sollte die Teilabschaffung der Stempelsteuer gebremst werden.
Die Emissionsabgabe ist in vielerlei Hinsicht ein Unding. Sie ist uralt, sie hat ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis, sie besteuert zu einem an sich falschen Zeitpunkt, dann nämlich, wenn ein Unternehmen investiert.
Zudem bringt sie im Vergleich nicht viel ein. Denn bei der Abstimmung am 13. Februar über die Teilabschaffung der Stempelsteuer geht es um vergleichsweise wenig Geld – im Verhältnis zum gesamten Budget des Bundes. 240 Millionen Franken brachte die Emissionsabgabe in den letzten zehn Jahren dem Bund jährlich ein; bei ungefähr 80 Milliarden Franken liegen die gesamten Einnahmen des Bundes pro Jahr. Verschwindend gering der Anteil also, und eine Summe, die wir uns auch in Krisenzeiten leisten können.
Doch das ist nicht das Problem. Die entscheidende Frage ist: Wollen wir uns das leisten?
Bundesrat Ueli Maurer nannte die Abschaffung ein Signal. Also quasi eine symbolische Geste an die Wirtschaft, dass man in der Schweiz gut für sie schaut, auch wenn sich rundherum der internationale Wettbewerb um Standortattraktivität für Firmen verschärft. Als Stichwort ist hier die OECD-Mindeststeuer zu nennen, welche dem Steuerwettbewerb Einhalt gebieten soll.
Doch als Symbol taugt der Abschied von der Emissionsabgabe nicht. Zumindest nicht so, wie es der Bundesrat gerne hätte. In Zeiten, in denen wir uns mit dem Abbau von Corona-Schulden befassen müssen und wollen, ist es vielmehr ein fragwürdiges Zeichen an die Bevölkerung, auf diese 240 Millionen Franken pro Jahr zu verzichten.
Kommt hinzu: Die Steuer betrifft nur ganz wenige Firmen, und die Betroffenen sind in der Regel nicht sonderlich stark belastet. Klar kommt die zusätzliche Last für die Firmen zu einem ungünstigen Zeitpunkt, dann, wenn die Unternehmen Eigenkapital bilden. Aber sie ist klein genug, dass sie für die allermeisten Unternehmen zwar lästig ist, aber nicht zum Problem wird. So wie viele Steuern, die Privatpersonen zahlen müssen.
Es reicht nicht, darauf zu hoffen, dass die Einnahmenausfälle irgendwann kompensiert werden können.
Zentral ist etwas ganz anderes: Gibt es Hinweise darauf, dass die Abschaffung uns volkswirtschaftlich weiterbringt?
Man kann nun durchaus die Meinung vertreten, dass die Massnahme sich positiv auf die Attraktivität des Schweizer Wirtschaftsstandorts auswirken würde. Bei vertiefter Betrachtung muss man allerdings festhalten: Der volkswirtschaftliche Nutzen einer Abschaffung dürfte unerheblich sein. Falls denn überhaupt ein positiver Effekt bemerkbar wäre.
Die Frage nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen ist aber zentral. Denn es reicht nicht, dass wir die Einnahmenausfälle vielleicht irgendwann werden kompensieren können.
Die Abschaffung wird zu einem ideologischen Kampf zwischen links und rechts überhöht.
Was den Abstimmungskampf geprägt hat, waren die Deutungsversuche von links und rechts, in der Abschaffung der Emissionsabgabe mehr zu sehen, als es dort zu sehen gibt. Sie sei Teil eines grösseren Plans, hiess es von links. Dazu das Argument, dass insbesondere Grosskonzerne eine weitere Steuererleichterung erhalten würden.
Von bürgerlicher Seite kam zum wiederholten Mal der Versuch, die KMU als Leidtragende ins Zentrum zu stellen. Und als das nicht richtig verfing, versuchte man es mit Start-ups.
Diese Argumente werden jedoch samt und sonders der Bedeutung der Steuer nicht gerecht, die Abschaffung wird damit gar zu einem ideologischen Kampf zwischen links und rechts überhöht.
Doch die Abschaffung wäre weit weniger dramatisch, als es von beiden Seiten derzeit vorgegeben wird. Es geht aber in erster Linie nicht um Profiteure bei Grosskonzernen, um arme Start-ups und KMU oder um den von links ins Feld geführten Plan der Bürgerlichen, künftig nur noch Arbeit und Konsum zu besteuern. Sondern es geht vielmehr darum: Wollen wir es uns leisten, eine Viertelmilliarde Franken pro Jahr weniger einzunehmen und darauf zu hoffen, dass in ferner Zukunft irgendwann ein positiver Effekt eintritt?
Die Antwort darauf sollte Nein lauten.
Wenn wir sehen, dass die Corona-Schulden kontinuierlich sinken: Dann ist der Zeitpunkt gekommen, diese Steuer abzuschaffen. Aber nicht vorher.
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