Kommentar zum G-7-Gipfeltreffen Die Bündniswelt ist alternativlos
Das Treffen der G-7-Regierungschefs steht am Beginn einer neuen Weltordnung. Sie müssen die Schläge abfedern, die in den nächsten Jahren auf sie warten.
Selten kam ein G-7-Treffen der Gründungsabsicht des Clubs so nahe wie in diesem Jahr. Als 1975 Frankreichs Präsident Valéry Giscard d’Estaing und der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt auf Schloss Rambouillet einluden, wurde die Welt durchgeschüttelt von der grossen Ölkrise und dem Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse. Die Entwicklungsstaaten wollten ihren Anteil am globalen Rohstoffmarkt und erzwangen von den einstigen Kolonialherren eine Beteiligung an der Ausbeute. Die Vereinten Nationen waren nicht länger Abbild der US-Nachkriegsordnung, sondern wurden zum Spielfeld auch der blockfreien und sich emanzipierenden Staaten – des «globalen Südens», wie es heute in vermeintlicher Nichtdiskriminierung heisst.
Die Sorge um die Weltwirtschaft stand damals wie heute im Zentrum dieser G-7, deren Staaten nun mit einem Anteil von lediglich zehn Prozent der Weltbevölkerung immer noch 40 Prozent des globalen Bruttonationaleinkommens bestreiten und damit im Wohlstandsranking der Nationen ganz vorne liegen. Wachstumsriesen sind die G-7-Staaten längst nicht mehr. Und ihr Wohlstand ist angesichts der aktuellen Doppelkrise ebenfalls in Gefahr. Da kollabiert der Rohstoffmarkt infolge des Ukraine-Krieges, und die Wachstumsmaschine China steht still infolge der Selbstisolierung Pekings und einer irregeleiteten Covid-Politik.
Dieser Sturm könnte in der G-7-Wohlstandsoase erheblichen Schaden anrichten. Die Schönwetterdemokratien geraten unter Druck, sie müssen ihren Gesellschaften Lasten aufbürden. Inflation, Zinsentwicklung, Verlangsamung der Produktion wegen der Lieferkettenprobleme: Die Globalisierung hat sich auf den ungeordneten Rückzug begeben, und plötzlich stellt sich heraus, dass eine nicht vernetzte Welt gefährlicher sein könnte als eine vernetzte.
Geht dem G-7-Protest also die Puste aus, weil das Ziel verblasst? Endet die Globalisierungskritik, wenn der eigene Geldbeutel gefährdet ist? Die Gipfel-Gegner tun sich erkennbar schwer, die Wut der Massen zu mobilisieren. Eine saftige Demonstration gegen die Herren Putin oder Xi wäre jedenfalls nicht weniger legitim.
Wie wichtig also, dass sich die G-7 als Verein mit Satzung verstehen und dass sie andere von ihren Regeln zu überzeugen versuchen. Das geht in der Politik nicht mit gutem Zureden, sondern nur über die harte Kosten-Nutzen-Rechnung. Wenn die G-7-Gäste von Argentinien über Indien bis Senegal verstehen, dass ihr (ökonomischer und politischer) Nutzen an der Seite des geregelten Freihandels und der Demokratien grösser ist, dann wäre ein Erfolg im Zeitalter der neuen Blockbildung verbucht.
Wie Rambouillet ist das Treffen dieser Tage im bayrischen Elmau auch deshalb so wichtig, weil es am Beginn einer neuen Weltordnung steht. Eine Rückkehr zur Globalisierung der Nuller- und Zehnerjahre wird es nicht geben. Russland hat sich aus dem Kreis der westlichen Staatenwelt verabschiedet. China hat sich entschieden (zumindest unter Xi Jinping und auf jeden Fall bis zum nächsten Parteitag), das Spaltungsspiel auf der Seite Putins mitzuspielen.
Den G-7-Gesellschaften bleiben also nicht viele Optionen: Sie müssen sich in der neuen Weltordnung einrichten und die Schläge abfedern, die in den nächsten Jahren auf sie warten. Wie genau ihr Lebensmodell funktionieren wird, ist schwer abzusehen. Gut aber, dass ihre gewählten Repräsentanten zusammenstehen – denn das Gegenteil der geordneten Bündniswelt ist das blanke Chaos. Von dem hat die Welt gerade genug.
Fehler gefunden?Jetzt melden.