Analyse zur GeldpolitikDie Inflation sinkt. Die Notenbanken reagieren. Die Börsen jubeln.
Warum für Anlegerinnen zum Jahresende gerade vieles zusammenpasst.
Eine Börsenweisheit besagt, dass die Märkte zum Jahresende gern eine Rally hinlegen. Ob das stimmt, ist umstritten: Man findet Beweise dafür und dagegen.
Doch dieses Jahr zeichnet sich definitiv ein rosiger Abschluss ab. In der Schweiz sind die Aktienkurse seit November um 8 Prozent gestiegen. Und auch in den USA hat die Börse zugelegt. Der Leitindex S & P 500 steht vor einem Allzeithoch.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Das makroökonomische Gesamtbild präsentiert sich zum Jahresende hin deutlich freundlicher als vor einigen Monaten. Zumindest aus Sicht von Anlegerinnen passt gerade alles zusammen.
Die Inflation sinkt
Die wichtigste Veränderung betrifft die Inflation. Ob sie sich nach dem scharfen Anstieg der Jahre 2021 und 2022 wieder rasch genug zurückbilden würde, war lange unklar. Doch mit jeder monatlichen Datenpublikation stieg zuletzt die Zuversicht: Die Teuerung kehrt in wichtigen Wirtschaftsräumen wie den USA und der Eurozone ziemlich zielstrebig dorthin zurück, wo man sie haben will.
So zeichnet sich auch in der Geldpolitik eine Kehrtwende ab. An den Märkten wird bereits seit geraumer Zeit spekuliert, dass die Notenbanken bald ihre Leitzinsen senken werden. Denn bei Inflationsraten von 2 Prozent, wie sie sich bei einer weiteren Normalisierung über kurz oder lang einstellen dürften, ist das derzeitige Zinsniveau der Notenbanken einfach zu hoch. Dieses liegt in den Vereinigten Staaten bei 5,25 bis 5,5 Prozent und in der Eurozone bei 4 Prozent.
Die Notenbanken reagieren
Nun haben die Notenbanken an ihren jüngsten Pressekonferenzen zumindest teilweise bestätigt, dass sie das ebenso sehen. Als Taktgeber agiert einmal mehr das Fed. Sein Chef Jay Powell spricht neu offen das «Risiko» an, nicht rasch genug mit Zinssenkungen zu beginnen. Die US-Notenbank sei inzwischen sehr fokussiert darauf, «diesen Fehler nicht zu machen», so Powell.
So weit vor wagt sich die Europäische Zentralbank noch nicht. Man brauche noch «viel mehr Daten», sagte deren Chefin Christine Lagarde, um sicher zu sein, dass die Inflation tatsächlich in Schach sei. Die Zeit sei noch nicht reif, um «aus der Deckung zu kommen» und über Zinssenkungen zu diskutieren.
Unter Ökonomen sieht man das allerdings anders. «Die Tür für Zinssenkungen wird sich im kommenden Jahr sperrangelweit öffnen», sagt Thomas Gitzel von der VP Bank. Ein wichtiger Grund dafür ist der Inflationsausblick. Die EZB selbst rechnet gemäss neuen Prognosen mit einem beschleunigten Rückgang der Inflation im Jahr 2024 – ähnlich wie auch die Schweizerische Nationalbank.
Die Börsen jubeln
All das sind aus Investorensicht gute Nachrichten. Denn tiefe Zinsen bedeuten eine geringere Belastung der Wirtschaft. Und sie erleichtern die «sanfte Landung», welche die Wirtschaft nach dem Inflationsschub der letzten Jahre hinzulegen scheint. Angesichts der damaligen Aussichten ist das eines der besten Szenarien, das man sich überhaupt hätte ausdenken können.
Und so kehrt der Risikoappetit an die Börse zurück. «Wallstreet-Händler gehen im Hinblick auf die grosse geldpolitische Wende von 2024 all-in», titelt dazu das Finanzportal «Bloomberg». Aktien, Anleihen, Währungen: Alles geht hoch. Ein massiver Paradigmenwechsel sei gerade im Gang, sagt ein Analyst im Text. «Die Fed schlägt sich nicht mehr mit der Inflation als Staatsfeind Nr. 1 herum.»
Natürlich gibt es in der Weltwirtschaft auch Fragezeichen. Sie betreffen etwa Europa, wo die Konjunktur seit ein paar Quartalen vor sich her dümpelt. Oder auch China, das mit einer geplatzten Immobilienblase kämpft und enormen Reformbedarf hat. Und wer etwas weiter vorausdenkt, muss sich auch über die USA Sorgen machen, wo die Staatsverschuldung speziell seit der Corona-Krise ungebremst wächst – ohne Aussicht auf baldige Besserung.
Doch am Finanzmarkt ist all das im Moment zweitrangig. Zum Jahresende lässt man erst mal die Korken knallen. Und macht die Rally mit vollem Elan mit.
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