Kommentar zu HomeofficeDie Arbeitgeberverbände sind im letzten Pandemiejahr stehen geblieben
Homeoffice-Pflicht ist des Teufels: So hatten die Schweizer Wirtschaftsverbände vor einem Jahr argumentiert. Jetzt klingt es wieder genau gleich. Das ist ein falsches Signal.
«Der Schweizerische Gewerbeverband lehnt in einem Schreiben an den Bundesrat den geplanten Homeoffice-Zwang dezidiert ab.» Dieser Satz stand am 3. Dezember 2020 in einer Medienmitteilung des Gewerbeverbands. Exakt ein Jahr später klingt es so: «Der Schweizerische Gewerbeverband nimmt befriedigt zur Kenntnis, dass der Bundesrat aufgrund der Kritik vonseiten der Sozialpartner auf die Homeoffice-Pflicht verzichtet.»
Nicht nur der Gewerbeverband hat klare Präferenzen. Economiesuisse und der Arbeitgeberverband sehen es ähnlich. Auch von der Gegenseite, namentlich Travailsuisse, kamen zufriedene Reaktionen auf den Entscheid des Bundesrats, nur eine Homeoffice-Empfehlung und keine Pflicht einzuführen.
Die Arbeitgeber sprechen sich für individuelle Lösungen aus, die die Firmen selber einführen sollen. Die Begründung für die ablehnende Haltung ist, dass das Büro kein grosser Ansteckungsherd sei.
Sie setzen mit dieser Haltung vor allem ein Zeichen gegen Homeoffice als sinnvolle Hilfe zur Eindämmung der Pandemie. Das ist falsch.
Was sie nicht verstehen wollen: Es geht schlicht um Wahrscheinlichkeiten. Wer zu Hause arbeitet, fährt nicht zur Arbeit, ist nicht im ÖV. Trifft sich nicht im Restaurant zum Mittagessen mit dem Kollegen und sitzt nicht Stuhl an Stuhl mit der Kollegin acht Stunden am Pult.
Es ist fast so, als hätte das Jahr dazwischen nie stattgefunden.
Kurz: Wer im Homeoffice sitzt, trifft in der Tendenz automatisch weniger Leute, hat weniger Chancen, sich oder andere anzustecken. Und als Zusatz: Wer in der privilegierten Lage ist, nicht ausser Haus zu müssen, um zu arbeiten, schützt gleichzeitig jene, die vom Job her nicht anders können. Eigentlich simpel.
Wer die Äusserungen der Arbeitgeberverbände und teilweise den Arbeitnehmervertreter liest, kommt zum Schluss: Es ist fast so, als hätte das Jahr dazwischen nie stattgefunden. Als hätte die Zeit mit der Homeoffice-Pflicht im vergangenen Winter nicht gezeigt, dass es im Grossen und Ganzen sehr gut funktionierte.
Ja, es ist zuweilen anstrengend im Homeoffice. Und ja, es mag auch die Kreativität in den Teams leiden. Gerade für diejenigen, die in beengten Wohnverhältnissen wohnen, wo noch Kinder zu Hause rumwuseln, ist es mühsam und kann gerade auf lange Sicht anstrengend werden. All diese Argumente sind valabel, und es gibt individuell gute Gründe, warum man nicht ins Homeoffice kann.
Es zeigt, dass Homeoffice an vielen Orten möglich ist, ohne dass die Produktivität ins Nichts rutscht.
Doch die grossen Verbände machen es sich zu einfach, an der Prämisse festzuhalten, die Homeoffice-Pflicht kategorisch abzulehnen. Vor allem wenn man sieht, dass im vergangenen Jahr die Pflicht mit Augenmass ausgeführt wurde. Zudem ist sie eine der niederschwelligsten Massnahmen, um Kontakte zu reduzieren, um Ansteckungszahlen zu drücken. Und etwas wissen wir mittlerweile sehr genau: Das Reduzieren von Kontakten ist die wirksamste Methode, um die Ansteckungszahlen zu drücken.
Das haben auf der anderen Seite viele Firmen verstanden. Sie haben teilweise vor dem Bundesrat reagiert, haben wieder auf Homeoffice umgestellt. Das ist ein starkes Zeichen. Es zeigt, dass Homeoffice an vielen Orten möglich ist, ohne dass die Produktivität stark leidet. Denn keine Firma würde dies machen, wenn sie im letzten Jahr schlechte Erfahrungen damit gemacht hätte.
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