Deutlicher NegativrekordSo wenig Meereis gab es in der Antarktis nach dem Winter noch nie
Die Ausdehnung liegt in diesem Jahr mehr als eine Million Quadratkilometer unter dem bisherigen Rekordtief von 1986. Bei einer Expertin «läuten die Alarmglocken».
Die maximale Ausdehnung des Meereises in der Antarktis dürfte nach Angaben von US-Behörden in diesem Jahr einen deutlichen negativen Rekordwert seit Beginn der Aufzeichnungen erreicht haben. Die Meeresausdehnung schwankt stark im Jahresverlauf und erreicht in der Regel ihr Minimum im Februar und ihren Höchstwert im September, dem Ende des Winters auf der Südhalbkugel.
So wurde in diesem Jahr Satellitenaufnahmen zufolge die flächenmässig grösste Eisbedeckung mit 16,96 Millionen Quadratkilometern vermutlich am 10. September erreicht. Das ist der niedrigste Wert für diese sogenannte maximale Ausdehnung seit 45 Jahren, wie die US-Raumfahrtbehörde Nasa mitteilte. Zum Vergleich: Der Durchschnittswert für die Jahre 1981 bis 2010 liegt bei 18,71 Millionen Quadratkilometern.
Die Ausdehnung liege in diesem Jahr mehr als eine Million Quadratkilometer unter dem bisherigen Rekordtief von 1986, teilte das US-amerikanische National Snow and Ice Data Center (NSIDC) an der Universität von Colorado in Boulder mit. Das entspricht etwa 24-mal der Fläche der Schweiz.
Weitreichende Folgen
Die aktuellen Messungen seien vorläufig und könnten noch revidiert werden, teilten die Nasa und das NSIDC weiter mit. Grund seien anhaltende Winterbedingungen, die die Ausdehnung des Eises noch weiter vergrössern könnten, so das NSIDC. Anfang Oktober soll demnach die endgültige Analyse veröffentlicht werden.
Sowohl das NSIDC als auch die Nasa nennen keinen Grund für die geringe Ausdehnung. Es gebe aber die Sorge, dass dies der Anfang eines langanhaltenden Trends von rückläufigem Meereis in der Antarktis sei, schreibt das NSIDC.
Die obersten 300 Meter im südlichen Ozean rund um den Kontinent seien seit 2016 spürbar wärmer geworden, erklärt Klimawissenschaftlerin Ariaan Purich. Der Verlust von Meereis in der Antarktis habe weitreichende Folgen, da es das Landeis davon abhalte, in die Meere zu fliessen. Fehle diese Barriere, könne das zu einem Anstieg der Ozeane um mehrere Meter führen.
Zudem reflektiere das Meereis die Sonne, je mehr davon fehle, desto mehr würden sich die Ozeane erwärmen und Eis verloren gehen. «Wissenschaftler sind alarmiert», sagt Purich. «Ich bin besorgt, dass diese geringe Meereisausdehnung die Zukunft sein wird – und diese Zukunft nun bereits hier ist.»
Ob der aktuelle Verlust hauptsächlich auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist oder eher auf natürliche Variabilität, ist derzeit noch unklar.
Das Alfred-Wegener-Institut schrieb kürzlich, es seien bereits früher teils erhebliche Abweichungen vom langjährigen Durchschnitt beobachtet worden. Im Vergleich zur Arktis weise das antarktische Meer eine grössere Schwankungsbreite an maximaler und minimaler Ausdehnung auf, was grösstenteils auf geografische Unterschiede zwischen den beiden Regionen zurückzuführen sei. Dennoch sei die derzeit geringe Ausdehnung des antarktischen Meereises ungewöhnlich.
Die Expertin Gail Whiteman sagt der «Washington Post», dass die geringe Ausdehnung «keine guten Nachrichten» seien. Das Polareis der Arktis und Antarktis sei eine der grössten Versicherungen gegen einen unaufhaltbaren Klimawandel. «Und nun sehen wir im Meereis im Norden und Süden, dass wir Probleme haben und die Alarmglocken läuten.»
SDA/anf
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