Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Temperaturanstieg am Nordpol
Eisfreie Arktis im September – schon ab 2030 möglich

Nirgendwo auf der Welt steigen die Temperaturen so schnell wie in der Arktis: Forschungsschiff bei den Svalbardinseln.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Dieser Anblick wird irritieren: überall Wasser, so weit man blickt. Nichts zu sehen vom Meereis, das den Arktischen Ozean seit über 40 Millionen Jahren prägt. Schon im nächsten Jahrzehnt könnte sich jenes Bild präsentieren. Und das Polarmeer könnte erstmals seit Menschengedenken über einen ganzen Monat hinweg eisfrei sein, also im September, wenn sich das Meereis am geringsten im Jahr ausdehnt.

Zu dem Schluss kommt ein Team um die Atmosphärenwissenschaftlerin Kim Yeon-hee von der Pohang-Universität für Wissenschaft und Technologie in Südkorea im Fachjournal «Nature Communications». Demnach könnte der Arktische Ozean seinen frostigen Charakter früher einbüssen als bislang angenommen. (Lesen Sie zum Thema: Oberfläche der Weltmeere im Mai so warm wie nie zuvor)

Seit Jahrzehnten schrumpft das arktische Meereis infolge der Erderwärmung, und dieser Trend hat sich seit dem Jahr 2000 beschleunigt. Mitte September im letzten Jahr dehnte sich das Meereis praktisch überall im Arktischen Ozean im Vergleich zum Median von 1981 bis 2010 deutlich weniger aus. Das zeigen die aktuellen Daten des amerikanischen Datenzentrums für Schnee und Eis (NSIDC). Die gefrorene Fläche betrug im September im Durchschnitt 4,5 Millionen Quadratkilometer – der Median beträgt im Durchschnitt etwa 6,7 Millionen Quadratkilometer. Die geringste September-Ausdehnung, seit mit Satelliten gemessen wird (1979), gab es im September 2012 mit rund 3,6 Millionen Quadratkilometern. Im letzten September war die nördliche Seeroute entlang der russischen und der norwegischen Küste grösstenteils eisfrei. 

Auch der aktuelle Bericht des Weltklimarats IPCC spricht davon, dass die Arktis wahrscheinlich zumindest einmal vor dem Jahr 2050 praktisch frei von Meereis sein wird. Erst ab Mitte des Jahrhunderts sei damit zu rechnen, dass das Polarmeer auch im Durchschnitt im September «praktisch eisfrei» sein werde – es sei denn, die Welt betreibe ambitionierten Klimaschutz. Dann nämlich könne noch Eis in relevanten Mengen auf dem Ozean erhalten bleiben. (Mehr zum Thema: Posterboy der Klimakrise: Wie geht es eigentlich dem Eisbären?)

Früher eisfrei als erwartet

Das bewertet das Team um Kim Yeon-hee nun anders: Selbst unter den niedrigsten Emissionsszenarien könnte der erste eisfreie September schon zwischen den Dreissiger- und Fünfzigerjahren dieses Jahrhunderts auftreten. Und dann immer öfter, bis zumindest der September im Laufe der zweiten Hälfte des Jahrhunderts häufiger ohne Eis sein werde als mit, und zwar unabhängig davon, wie schnell die Weltgemeinschaft beim Klimaschutz vorankommt. «Wir können es nicht mehr verhindern, dass das Meereis im September verschwindet», sagt der Klimaforscher Dirk Notz vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg, einer der Autoren der Studie. «Das sommerliche Meereis wird das erste grosse Element im Klimasystem sein, das wir verlieren werden.»

«Den August kann man noch retten.»

Dirk Notz, Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg

Warum die Modelle, auf die sich der IPCC-Bericht stützt, zu deutlich optimistischeren Aussichten kommen beziehungsweise den Eisverlust «grundsätzlich unterschätzen», wie es Notz ausdrückt, erklärt sich mit der Methodenwahl: Im Falle der «Nature Communications»-Studie wollten die Autorinnen und Autoren zunächst herausfinden, wie gross der Anteil des Menschen am Meereisrückgang war.

Dazu liessen sie die Modellsimulationen für die Jahre 1979 bis 2019 mehrmals durchlaufen, wobei sie jeweils einzelne Faktoren wie den Gehalt von Kohlendioxid oder Aerosolen in der Luft, aber auch Vulkanausbrüche oder die natürliche Variabilität isoliert betrachteten. «Wenn wir nur die nicht menschlichen Beiträge berücksichtigten, ergab sich so gut wie kein Eisverlust», sagt Notz. Und am besten liess sich der Rückgang des arktischen Meereises mit dem menschengemachten Klimawandel erklären.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Im nächsten Schritt ging es darum, wie gut die Modelle die Entwicklung der Vergangenheit abbilden konnten. «Mit dieser Kenntnis konnten wir die Fehler in den Modellen korrigieren und die Entwicklung in die Zukunft fortschreiben», erklärt Notz. Daraufhin verschwand in allen Zukunftsszenarien das Eis in den Septembermonaten. Es verschwand zwar nicht komplett, aber es blieb unterhalb der Schwelle von einer Million Quadratkilometern. Das gilt in der Klimawissenschaft als «praktisch eisfrei», da die Restmengen an Meereis etwa an der Nordküste Grönlands kaum praktische Relevanz mehr haben für die arktischen Ökosysteme oder die Schifffahrt.

Dirk Notz will die schlechten Nachrichten nicht als Aufruf verstanden wissen, sich nicht mehr ums arktische Meereis zu kümmern. Denn verloren sei auf Dauer nur das September-Eis. «Den August kann man noch retten», sagt Notz. Sowie alle anderen Monate, in denen der Arktische Ozean noch Eis trägt.

Aber die Zeit drängt. Nirgendwo auf der Welt steigen die Temperaturen so schnell wie in der Arktis. Das führt dazu, dass Ende des Sommers das mehrjährige arktische Meereis immer dünner wird. Dieses Eis ist eine natürliche Barriere und regelt den Austausch von Feuchtigkeit und Wärme zwischen Ozean und Atmosphäre. Klimadaten zeigen: Dieses Eis schrumpft seit bald 40 Jahren stark. Geht es verloren, so wird weniger Sonnenstrahlung reflektiert, und das Meer nimmt noch mehr Wärme auf, was sich auf die atmosphärische Zirkulation und das künftige Wetter auswirkt. Ein Teufelskreis.